Hitzewelle - Ideale Voraussetzungen für blühenden Unsinn

In Deutschland geht mal wieder die Welt unter, diesmal wegen der Hitzewelle. Schnell stellen Journalisten und Politiker die Verbindungen vom heißen Sommer zum Klimawandel her. Ein wenig Abkühlung täte ihnen gut. Von Alexander Grau

Nicht nur Eis schmilzt im Sommer, bei manchen offenbar auch das Denkvermögen / picture alliance
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Es ist heiß, richtig heiß. Da fällt das Denken mitunter etwas schwer. Schlimm genug. Doch dummerweise fällt die Zeit der großen Hitze auch noch in den Sommer. Das ist zwar nicht überraschend, medientechnisch aber ungünstig. Denn im Sommer herrscht Nachrichtenflaute. Und kognitive Apathie plus Sauregurkenzeit, das ist die ideale Voraussetzung dafür, dass der Unsinn blüht.

Und so kommt es, dass gerade wieder einmal die Welt untergeht. Wegen eines heißen Sommers. Genauer: Wegen ein paar heißer Wochen im Sommer. Die sind selten in Deutschland, und allein dieser Hinweis sollte genügen, um die Gemüter zu beruhigen. Doch die Emotionalisierungsstrategien laufen natürlich anders. Hier wird das Außergewöhnliche zum Zeichen drohenden Unheils. Dabei sind die Ursachen für das Wetter der vergangenen Wochen so spektakulär nun auch wieder nicht: Erst herrschte eine so genannte Omega-Wetterlage, also ein stabiles Hoch über Skandinavien.Nun haben wir heißen Wind aus Südwest und Hochs über dem Atlantik. So was kommt vor. 

Der Klimawandel war’s

Und manchen freut’s sogar: Endlich sind die Freibäder mal wieder gut gefüllt und der Pächter des dortigen Kiosks jubelt. Viel zu oft konnte der in den vergangenen Sommern gleich zu Hause bleiben. Die Eisdielenbesitzer reiben sich die Hände. Und die Wirte von Biergärten sehen nun endlich die Chance, die Verluste vergangener Jahre auszugleichen. Auf der anderen Seite bangen Landwirte um ihre Ernte, Lebensmittelpreise werden steigen, es drohen Waldbrände, Förster und Waldbesitzer machen sich Sorgen um junge Bäume.

So oder ähnlich ist es übrigens bei allen Wetterphänomenen: Schnee, Regen, Kälte – immer klagt eine Wirtschaftssparte und eine andere freut sich. Und dass die Lobbyverbände insbesondere in Wochen in denen die Nachrichtenredaktionen nach Schlagzeilen gieren, ungehemmt apokalyptische Zustände ausmalen und nach Steuergeldern rufen – nun gut, das ist ihr Geschäft.

Entsprechend dauerte es nicht lang, dass in düsteren Schlagzeilen wurde eine Verbindung zwischen der derzeitigen Hitze- und Dürreperiode und dem Klimawandel hergestellt wurde. Das Problem an der ganzen Geschichte: Es gibt so gut wie kein denkbares Wetter, das nicht möglicherweise mit dem Klimawandel zu tun hat. Egal ob der Winter kalt und frostig oder warm und verregnet war oder der Sommer nass und kühl oder heiß und trocken: Der Klimawandel war’s.

Journalisten und Politiker im Panikmodus

Man mache sich nur mal den Spaß, Headlines vergangener Sommer nebeneinanderzulegen. Im Juli des vergangenen Jahres etwa titelte die Wochenzeitung Die Zeit: „Starkregen. Ja, das ist der Klimawandel“. In diesem Jahr lautet die Schlagzeile hingegen wetterangepasst: „Zukunft im Schwitzkasten. Der heiße Sommer führt uns die Folgen des Klimawandels vor Augen.“ So viel dazu.

Wo aber Journalisten auf der Suche nach dem richtigen Thrill in der Schlagzeile auch mal unbesorgt in das Reich der Spekulation abheben, da steht die Politik selbstredend nicht zurück. Denn hier wie dort gelten ganz ähnlich Marketingstrategien. Also ließ Katrin Göring-Eckardt via Twitter verbreiten: „Wer angesichts der Hitzewelle die Klimakatastrophe ignoriert, handelt fahrlässig. Je radikaler die Krise wird, desto radikaler müssen die Antworten ausfallen.“

Dass die aktuelle Hitze mit dem Klimawandel unmittelbar wenig zu tun hat, stört da genauso wenig wie die kleine semantische Verschiebung vom Klimawandel zur Klimakatastrophe. Katastrophe, das klingt einfach besser als Wandel, auch wenn das sehr komplexe Geschehen in seinen Folgen kaum absehbar ist und regional ganz unterschiedliche Folgen haben kann.

Radikalität reicht nicht aus

Aber das ist aus Sicht der Fraktionsvorsitzenden der Grünen schon wieder zu kompliziert, und so wird aus einem Sommer mit Sommerhitze die Krise, die radikale Antworten erfordert. Dabei wäre schon einmal viel gewonnen, wenn zumindest die richtigen Fragen gestellt würden. Dann würde dem einen oder anderen dämmern, dass radikale Antworten vielleicht eine gute Sache sind, aber Radikalität allein auch noch nicht ausreicht. Es wäre zudem schön zu wissen, welche Antworten eigentlich sinnvoll sind. Aber bei dieser Hitze ist das vielleicht einfach zu viel verlangt. 

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