Helge Braun kandidiert als CDU-Chef - Merkels letztes Aufgebot

Kanzleramtschef Helge Braun will CDU-Vorsitzender werden. Die überraschende Kandidatur des Merkel-Vertrauten ist der verzweifelte Versuch, Friedrich Merz, den Rivalen der Kanzlerin, noch zu verhindern.

Kandidat aus dem Kanzleramt: Angela Merkels Corona-Manager Helge Braun bewirbt sich um den CDU-Vorsitz / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Wer auch immer Helge Braun davon überzeugt hat, seinen Hut in den Ring zu werfen im Kampf um die Nachfolge des glücklosen Merkel-Nachnachfolgers Armin Laschet: Er oder sie muss entweder einen merkwürdigen Sinn für Humor haben oder der Verzweiflung sehr nahe sein.

Der 49 Jahre alte Anästhesist, Bundestagsabgeordnete und Bezirksvorsitzende der CDU Mittelhessen ist seit 2018 Chef des Kanzleramts. Bis zur Corona-Pandemie wirkte er im Hintergrund. Dann trat er als Merkels Krisenmanager ins grelle Licht der Öffentlichkeit. Den Unmut über die deutsche Corona-Politik, und zwar über Versäumnisse und Übertreibungen gleichermaßen, bekommt daher auch Braun ab. Merkel nutzte ihn gewissermaßen als Schutzschild.

Brauns Mission ist es, Merz zu stoppen

Nun soll er ihre letzte innerparteiliche Schlacht anführen. Brauns Mission ist es, Merkels wiederauferstandenen Rivalen Friedrich Merz zu stoppen. Denn der führt seit ihrer Abdankung als Parteichefin einen Feldzug gegen die Funktionärsriege im Konrad-Adenauer-Haus und in den entscheidenden Staatskanzleien.

Es gebe „beachtliche Teile des Parteiestablishments, die verhindern wollen, dass ich Parteivorsitzender werde“, sagte Merz im Oktober 2020, als er zum zweiten Mal um das Amt des CDU-Vorsitzenden kandidierte. Fast ein Jahrzehnt zuvor hatte sich der Sauerländer aus der Politik zurückgezogen, da er nach der Bundestagswahl 2002 im Machtkampf mit Angela Merkel unterlegen war. Sie nahm ihm damals den Posten des Fraktions- und Oppositionsführers im Bundestag ab.

Den wirtschaftsliberalen Flügel zurechtgestutzt

Merz, der nach wie vor viele Anhänger an der Parteibasis hat, gilt als Galionsfigur des konservativen und wirtschaftsliberalen Flügels. Merkel, die zu Beginn ihrer Karriere als CDU-Chefin einen betont marktwirtschaftlichen Kurs eingeschlug – erinnert sei an ihre Rede auf dem Leipziger Parteitag 2003 – , wandte sich dann der Sozialdemokratisierung und zuletzt auch Vergrünung ihrer Partei zu. Darin war sie äußerst erfolgreich. Denn Merkel gelang es, den Merz-Flügel so zurechtzustutzen, dass man heute kaum mehr auf die Idee käme, Ludwig Erhard könnte jemals ein CDU-Parteibuch besessen haben.

Dass ihr einst besiegter Rivale jetzt wieder hervorkommt und sich anschickt, ihre Nachfolge als CDU-Chef anzutreten, kann Merkel nicht gefallen. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet gelang es ihr gleich zweimal hintereinander, einen Kandidaten durchzudrücken, der vor allem eines sollte: Merz verhindern. Doch beide sind schnell gescheitert. Auch weil Merkel zwar als Parteichefin zurückgetreten war, aber ihr wichtigeres Amt, das der Regierungschefin, bis zum bitteren Ende behalten wollte.

Merz tritt wohl zum dritten Mal an

Friedrich Merz hat seine erneute Kandidatur noch nicht offiziell bekannt gegeben, aber es gilt als ausgemacht, dass der 66-Jährige zum dritten Mal antreten wird. Seine Chancen stehen gut. Denn diesmal sollen nicht die in Merkels Machtapparat eingebundenen Funktionäre, sondern alle Mitglieder der Partei entscheiden, wer ihr Bundesvorsitzender wird. Der Start der Mitgliederbefragung ist für den 4. Dezember geplant. Das Ergebnis soll dann auf dem CDU-Parteitag am 21. Januar bestätigt werden.

Dass Helge Braun kandidieren wird, gab die hessische CDU am Mittwoch bekannt. Am Freitag werde er von seinem Heimatverband Gießen als Kandidat für den Bundesvorsitz nominiert und zudem auf einer virtuellen Landesvorstandssitzung die Gründe für seine Bewerbung vorstellen, hieß es aus Wiesbaden.

Ein Dreikampf bahnt sich an

Innerhalb der Partei stieß diese Ankündigung auf Verwunderung. „Das ist eine Schnapsidee. Das letzte Aufbäumen der Merkel-Anhänger“, kommentierte ein gut vernetzter Vertreter des Merz-Lagers die Nachricht von Brauns Kandidatur. Ein anderer sagte der Bild-Zeitung: „Das Letzte, was die CDU jetzt braucht, ist ein Narkosearzt.“

Der Mitgliederentscheidung läuft nun mindestens auf einen Dreikampf hinaus. Denn neben Merz wird wohl auch der Außenpolitiker Norbert Röttgen ein weiteres Mal als Parteichef kandidieren. Als möglicher vierter Kandidat wird Fraktionschef Ralph Brinkhaus gehandelt. Weitere Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.

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