Haushaltsdebatte im Bundestag  - Robert Habecks Selbstkritikkritik

In den Haushaltsberatungen in dieser Woche steht vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Fokus.  An diesem Donnerstag hat er sich einen Schlagabtausch mit Ex-Minister Jens Spahn (CDU) geliefert. Der kennt sich auch aus mit Höhenflügen und deren Risiken. 

Jens Spahn (CDU) antwortet auf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundestag.
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Es gibt gewisse Parallelen zwischen Robert Habeck und Jens Spahn. Beide haben ein herausragendes politisches Talent, beide galten und gelten als kanzlerfähig. Und beide haben hart auf ein Ministeramt hingearbeitet – und wurden dann jeweils mit dem vielleicht schwierigsten Amt, das in der Regierungsmannschaft zu vergeben war, belohnt. Am Donnerstag standen sie einander im Bundestag im Schlagabtausch sozusagen gegenüber.

Habeck verteidigte seine Wirtschaftspolitik in der schwersten Energiekrise seit dem zweiten Weltkrieg. Spahn attackierte ihn für Versäumnisse, Unklarheiten und Chaos. Möglicherweise hat Spahn dran gedacht, wie er noch vor einem Jahr im Feuer stand, als Gesundheitsminister in der schwersten Pandemie seit Gründung der Bundesrepublik. Spahn war binnen Monaten vom Turm des beliebtesten Politikers in den Keller des meist kritisierten gefallen. Und ähnlich ergeht es nun Habeck. Auf der Oppositionsbank, so hart sie auch sein mag, ist es für Spahn gewiss nun weniger aufwühlend.

Habeck hat den Stresstest nicht bestanden

Der Bundeswirtschaftsminister hingegen hat den aktuellen auch persönlichen Stresstest nicht bestanden – und tritt nun angespannt ans Rednerpult, seine schon legendäre Gelassenheit ist in den zurückliegenden Tagen schnell von ihm abgefallen. Und obwohl er es selbst besser weiß und auch erklärt, nämlich, dass man in einer solchen Krise nicht übereinander reden sollte, sondern zur Sache, verfällt er genau dieser Versuchung. Er habe nun das aufzuräumen, poltert Habeck, was die Vorgängerregierung hinterlassen habe: „16 Jahre energiepolitisches Versagen.“  Die Union habe „gestört, verbockt und versagt“, so der Grünen-Spitzenpolitiker. 

Und dann ist es, wie es in Krisen sein muss. Habeck spult seine Maßnahmen herunter. Strompreise müssen runter, Gaspreise müssen runter. Nun sichert er Unternehmen Unterstützung zu. „Wir werden einen breiten Rettungsschirm aufspannen.“ Kleinen und mittelständischen Unternehmen solle geholfen werden. Wobei er den großen ja schon geholfen habe. Und er spricht davon, dass er nach dem „Nachfrageschock“ den Konsum wieder ankurbeln wolle. 

Doch Habeck scheint zu ahnen, dass auch er nicht weiß, ob das alles reicht. Und dass er alle Maßnahmen auch noch vor dem Horizont der Klimakrise und eines entsprechenden hohen Transformationsanspruchs sozusagen „grün“ labeln will, klingt dann überzogen und ideologieverdächtig. Immerhin muss der grüne Wirtschaftsminister den Ausstieg aus der Braunkohle rückgängig machen und die Gasverstromung hochfahren – und er bleibt bei der Kernenergie mehr als zögerlich.  

Spahn: „Wir werden einander viel verzeihen müssen“

Jens Spahn veröffentlicht in knapp zwei Wochen sein neues Buch. Es trägt den Titel „Wir werden einander viel verzeihen müssen“. Diesen Satz sagte der Gesundheitsminister zu Beginn der Pandemie im April 2020, als manche noch nicht recht verstanden, was er damit wohl gemeint haben könnte. Andere sahen darin eine geschickte rhetorische Immunisierung gegen Kritik. Vor allem aber war es wohl eine realistische Einschätzung der Lage, als die Politik, getrieben von einer unvorhersehbaren Lage mit teilweise apokalyptischen Ängsten, einen neuen Modus an Entscheidungen und Maßnahmen für sich entdeckte. 

Habeck wählt keine vergleichbare Formulierung. Vielmehr aber mahnte er etwas diffus an, Politik nun anders zu denken. Das Verhalten der Opposition müsse irgendwie neu betrachtet werden. „Selbstkritiklosigkeit“ warf er CDU-Chef Friedrich Merz vor. Um schließlich am Schluss seiner Rede noch mal das Rollenverständnis von Regierung und Opposition etwas vage zu thematisieren. Redet da der Bundeswirtschaftsminister angesichts der massiven Krise schon einer wie auch immer gearteten „Regierung der nationalen Einheit“ nach dem Motto: Die Not ist so groß, da braucht es keine Gegenrede mehr? Das ist kaum vorstellbar. Aber von anderen Selbstkritik zu verlangen ist allemal besser als Selbstkritik zu üben.

Sechs Monate gegen 16 Jahre 

Jens Spahn auf jeden Fall wollte auch noch nicht zum Verzeihen übergehen. Auf Habecks wiederholten Blick in den historischen Rückspiegel entgegnete der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende mit der Formulierung: „Reden sie sich nicht mit 16 Jahren raus, es geht hier um ihr Krisenmanagement der letzten sechs Monate.“ Spahn kritisierte Habeck vor allem dafür, nicht alle Möglichkeiten der Stromerzeugung zu (re-)aktivieren, um so den Preis zu drücken. Dazu gehören für ihn Biomasse und Kohlekraftwerke, aber vor allem die Kernenergie. Es sei geradezu abenteuerlich, das Kernkraftwerk im emsländischen Lingen stillzulegen und stattdessen für Norddeutschland auf schwimmenden Ölkraftwerken in der Nordsee Strom zu produzieren. Mit solch einem Handeln könne man der Union nicht vorwerfen, im „fossilen Geist“ zu verharren.

Robert Habeck war in den ersten Monaten der Regierung vor allem für seine Kommunikation gelobt worden. „Wir dürfen ihnen beim Denken zuschauen“, hatte Friedrich Merz gespöttelt. „Die Kommunikation von Habeck scheint momentan der Goldstandard politischer Kommunikation in Deutschland zu sein. Andere Politiker werden an ihm gemessen“, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Olaf Hoffjann von der Uni Bamberg. Doch genauso weiß man, wie schnell der öffentliche Höhenflug auch zu einer Bruchlandung werden kann. Mit dem Auftritt vor dem Bundestag in der Haushaltsdebatte hat Habeck zumindest noch nicht erneut wieder an Höhe gewonnen. 

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