Grundsatzrede von Armin Laschet - Schneller, moderner, effizienter

Der CDU-Vorsitzende und mögliche Kanzlerkandidat Armin Laschet hat an diesem Dienstag eine Art Programm zur Bundestagswahl vorgestellt. Sein Tenor: So wie jetzt kann es nicht weitergehen, Deutschland ist verkrustet und droht, den Anschluss zu verlieren. Darin liegt auch eine Distanzierung von Angela Merkel.

Armin Laschet bei seiner Grundsatzrede am Dienstag in Adenauer-Haus / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Wenn die Schlagzeilen nur noch von Inzidenzwerten, Lockdowns und Kontaktverboten beherrscht werden, fällt es schwer, mit Programmatik an die Öffentlichkeit zu dringen. Das zeigt das Beispiel von Bündnis90/Die Grünen, die vor anderthalb Wochen ihre Agenda zur Bundestagswahl vorgestellt haben: Ein solches Konvolut an Dirigismus und staatlichen Eingriffen hätte unter normalen Umständen mit Sicherheit für mehr Aufmerksamkeit gesorgt – und wohl auch für mehr Gegenwind im sogenannten bürgerlichen Lager. Corona aber hat es verhindert – was für die Umfragewerte der Grünen sicherlich kein Schaden war.

An diesem Dienstag nun also Armin Laschet. Der neue CDU-Chef hat derzeit gleich an mehreren Fronten zu kämpfen: ein härter werdender Streit mit der Bundeskanzlerin um den richtigen Weg in der Pandemie-Bekämpfung, Bereicherungsskandale in der eigenen Partei, sinkendes Vertrauen in den Corona-Kurs der Bundesregierung – und als Folge von alledem ein demoskopischer Tiefschlag nach dem anderen. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Insa liegen die Unionsparteien aktuell bei nur noch 26 Prozent. Einen drastischeren Absturz in so kurzer Zeit hat es wohl selten gegeben.

Aus der Defensive

Deswegen muss Laschet unbedingt aus der Defensive kommen – erst recht, wenn er die Kanzlerkandidatur erringen will. Im Konrad-Adenauer-Haus hat er heute Vormittag mit einer Rede den Kurs vorgegeben, dessen wesentliche Leitlinien in Modernisierung, Bürokratieabbau, Innovation und Bildungsgerechtigkeit bestehen. Auf dieser Grundlage soll nun ein Wahlprogramm erarbeitet werden, an dem sich ausdrücklich auch die Bürgerinnen und Bürger des Landes beteiligen mögen. Tatsächlich kommt das alles reichlich spät, in weniger als sechs Monaten ist Bundestagswahl. Und wer als Kanzlerkandidat ins Rennen geht, steht frühestens nach Ostern fest. Auch diese Personalentscheidung wird Einfluss auf die Programmatik haben.

Sollte es auf Armin Laschet hinauslaufen (manche CDU-Leute sagen, die Entscheidung sei schon gefallen), dann war seine heutige Grundsatzrede auch so etwas wie der halboffizielle Auftakt zum Bundestagswahlkampf. In diesem Sinne dürften denn auch die eindringlichen Worte des CDU-Chefs gleich zu Beginn seiner Ausführungen verstanden werden: „Die Fehler im Pandemie-Management und manches persönliche Fehlverhalten, Egoismen in den eigenen Reihen, haben dazu geführt, dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und die Leistungsfähigkeit der Union insgesamt gesunken ist.“ Solche Worte gehen keinem Parteivorsitzenden leicht über die Lippen. Darum auch der Nachsatz: „Wir werden das ändern.“ Dafür stehe er persönlich ein.

Laschet sprach auch davon, dass die einst gute wirtschaftliche Lage Deutschlands durch die Pandemie „ins Wanken geraten“ sei und fügte hinzu, die Zukunft lasse sich nicht „mit ideologischen linken Experimenten gestalten“. Das war ein klarer Seitenhieb insbesondere wohl gegen die Grünen. Wobei unklar blieb, wie es denn dann in einer absehbaren Koalition mit CDU und CSU laufen soll, wenn doch die programmatischen Unterschiede so erheblich sind. „Im Ziel“, so Laschet, sei man sich „vielleicht einig“, im Weg hingegen nicht. Wobei ein Blick in die bündnisgrüne Agenda auch am ersten Punkt erhebliche Zweifel aufkommen lassen könnte.

Weniger Bürokratie wagen

Laschet will sich jedenfalls für weniger bürokratische Bevormundung einsetzen und generell ein neues Jahrzehnt der Modernisierung einläuten. Insgesamt sei man derzeit „nicht stark genug, um dieses Modernisierungsjahrzehnt mit dem Bisherigen zu gestalten“. Ein „Weiter so“ dürfe es deswegen nicht geben, erkennbare Fehlentwicklungen müssten jetzt angepackt werden. Dazu gehöre insbesondere, die Effizienz, das Arbeitstempo und den Grad an Digitalisierung in Staat und Verwaltung deutlich zu erhöhen. Dafür sei ein „Kulturwandel“ nötig.

Milliarden an Finanzmitteln für Digitalisierung etwa würden wegen komplizierter Genehmigungsverfahren nicht abgerufen und erreichten deshalb die Schulen nicht. Ausgerechnet „wir Deutschen“ drohten an „unserem eigenen Organisationstalent zu ersticken“. Das zeige sich auch beim Management der Covid-Impfungen, das weniger Zentralismus und stattdessen mehr Freiraum, mehr Flexibilität benötige. Ein zentraler Satz Laschets in diesem Zusammenhang: „Wir brauchen einen hocheffektiven, schlanken, starken, flexiblen und schlagkräftigen Staat“ – und nicht zuletzt auch mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Bürger.

In den vergangenen Jahren, so Laschet, seien „wir“ zu bequem geworden. Wer genau mit „wir“ gemeint war – die Bürger insgesamt, seine eigene Partei oder die Bundesregierung – blieb allerdings unklar. Dass Laschets Worte den Charakter einer Ruck-Rede haben sollten, ist offensichtlich. Man könnte aber auch eine deutliche Abgrenzung von Angela Merkel darin lesen, die seit immerhin bald 16 Jahren an der Spitze jener Bundesrepublik steht, die jetzt plötzlich enormen Nachholbedarf zu haben scheint. Klar ist: Wer auch immer Kanzlerkandidat der Union wird, dürfte sich inzwischen nicht mehr in Kontinuität mit Merkel setzen wollen. Dafür hat ihr Image in den vergangenen Wochen einfach zu viel Schaden genommen.

Deutschland wieder „Apotheke der Welt“

Die Bundesrepublik soll nach dem Willen Laschets wieder „zur Apotheke der Welt“ werden; die deutsche Pharmaindustrie sei nicht zuletzt wegen „komplizierter Auflagen“ von ihren heimischen Standorten „verjagt“ worden. Und eine Abhängigkeit von China in diesem Bereich „will ich nie wieder erleben“. Deutschland müsse auch führend in der Wasserstoff-Technologie werden und bis zur Mitte dieses Jahrhunderts eine klimaneutrale Industrie hervorbringen.

Armin Laschet kündigte an, „das Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Ökologie neu zu justieren“, wobei hier der Schwerpunkt auf Innovation und Marktwirtschaft liegen solle und nicht auf Regulierung. Dazu gehörten eine wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung, weniger Bürokratie und nicht zuletzt auch ein „bürokratiefreies Jahr“ für junge Unternehmensgründer.

Sein klares Bekenntnis zu „Europa“ (gemeint ist damit wohl eher die EU als der Kontinent) gehört ohnehin zu Laschets Standard-Repertoire und durfte deshalb auch heute nicht fehlen. Allerdings müsse auch dieses „Europa“ (also wohl eher „Brüssel“) wehrhafter und effizienter werden, unter anderem durch gesicherte Außengrenzen. Die vielfach kritisierte Impfstoff-Beschaffung durch die EU-Kommission erwähnte der CDU-Chef ausdrücklich als Beispiel dafür, was künftig besser laufen müsse. Notwendig sei ebenso eine gemeinsame Außenpolitik und verbesserte (also wohl vereinheitlichte) Einwanderungsregeln, wenn Europa nicht zwischen den anderen geopolitischen Blöcken zerrieben werden wolle.

Die „eigentliche soziale Frage“

Am Schluss seiner Rede ging Laschet auf die aus seiner Sicht „eigentliche soziale Frage“ ein, nämlich Bildungsgerechtigkeit: Jedem Kind müsse unabhängig von der Herkunft der Eltern ein sozialer Aufstieg ermöglicht werden. Der Erfolg des Biontech-Gründers Ugur Sahin (er kam als Sohn türkischer Migranten im Alter von vier Jahren nach Deutschland) zeige, was da möglich sei und künftig noch viel häufiger passieren solle.

Armin Laschets Fazit: Die Bundesrepublik sei ein „großartiges Land“. Aber es müsse dringend verändert werden, damit das künftig auch so bleibt.

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