Good bye, Merkel - Die CDU vereint sich hinter Friedrich Merz

Auf dem Parteitag der CDU wurde Friedrich Merz mit fast 95 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Das zeigt: Die Christdemokraten legen zum Neustart nach der Ära Merkel größtmögliche Geschlossenheit an den Tag. Für den gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet war es dagegen der wohl bitterste Parteitag seiner politischen Karriere – und zwei „Merkelianerinnen“ wurden klar abgestraft.

Friedrich Merz während seiner Rede auf dem CDU-Parteitag / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

So erreichen Sie Hugo Müller-Vogg:

Anzeige

Da war der sonst so kühle Friedrich Merz sichtlich bewegt, kämpfte sogar mit den Tränen: 94,62 Prozent stimmten auf dem digital durchgeführten 34. Parteitag der CDU für ihn als neuen Parteivorsitzenden. Für den Mann, der gleich zwei Mal innerhalb von drei Jahren gescheitert war – 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und 2021 gegen Armin Laschet –, ist das ein Auftakt nach Maß. Und sicherlich eine Genugtuung, dass er mit großer Hartnäckigkeit erreicht hat, was Angela Merkel und ihre parteiinternen Anhänger mit allen Mitteln zu verhindern versucht hatten: seine Rückkehr in die erste Reihe. 

Die 1001 Delegierten, von denen 983 beim digitalen Parteitag abstimmten, beglaubigten sozusagen das Ergebnis der Mitgliederbefragung. Dabei hatte Merz sich sehr deutlich mit 62 Prozent gegen seine Mitbewerber Norbert Röttgen und Helge Braun durchgesetzt. Die 967 Stimmen für Merz bedeuten: Mehr als 300 Delegierte, die zwei Mal gegen Merz votiert hatten, legten jetzt offenbar großen Wert auf größtmögliche Geschlossenheit beim Neustart der am Ende der Ära Merkel inhaltlich wie personell ausgebluteten Partei.

Merz überzeugt mit starker Rede

Der Wille zur Geschlossenheit war ein wichtiger Faktor für das hervorragende Ergebnis. Der vor drei Jahren nach langer Abstinenz auf die politische Bühne Zurückgekehrte überzeugte zudem mit einer fulminanten Rede: mit pointierter Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz („Wo ist Ihre Führung, Herr Scholz?“) und der Ampel, mit einer klaren Abgrenzung gegenüber der „intensiven Radikalisierung von Rechtsaußen“ und mit einem Plädoyer, in der CDU-Programmatik dem Thema „Chancen und Gerechtigkeit“ mehr Gewicht beizumessen als in der Vergangenheit.

Auf einem Präsenzparteitag mit knapp 1000 Delegierten in einem Saal hätte Merz mit seinen Attacken auf die Ampel sicher großen Beifall ausgelöst. Offenbar überzeugte er aber auch virtuell. Scholz habe Führung versprochen, führe aber nicht. Scholz wolle eine allgemeine Impfpflicht einführen, weigere sich aber, einen Gesetzesentwurf der Regierung vorzulegen. Scholz habe keine Antwort auf die Inflation und positioniere sich angesichts der Situation an der ukrainischen Grenze nicht klar. Merz kritisierte, dass Scholz bisher weder in Washington noch in Moskau gewesen sei. Die Öffentlichkeit erfahre nicht einmal, ob er mit seinen Amtskollegen in den USA und Russland im Gespräch sei.

Der von politischen Gegnern – innerhalb wie außerhalb der eigenen Reihen – gerne als „herzloser Neoliberaler“ kritisierte Wirtschaftsexperte stellte klar, Sozialpolitik sei nicht „der Reparaturbetrieb des Kapitalismus“. Das Soziale sei vielmehr „integraler Bestandteil“ der Sozialen Marktwirtschaft. Dem Arbeitnehmerflügel dürfte gefallen haben, dass Merz an das „uneingelöste Versprechen der Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivkapital“ erinnerte. Schließlich hatte sich die CDU einst für die „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ stark gemacht, das Thema unter den Kanzlern Kohl und Merkel jedoch nicht mehr nachdrücklich verfolgt.

Laschets nobler Abschied

Für Armin Laschet, den gescheiterten Kanzlerkandidaten, war das der bitterste Parteitag, an dem er je teilgenommen hat. 13 Monate nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden hielt er seine letzte Rede in dieser Funktion. Er machte keinen Hehl daraus, dass die Wahlniederlage der CDU/CSU am 26. September noch immer eine „offene Wunde“ sei. Und: Die Narbe werde bleiben.

Es war ein souveräner Auftritt, ohne jedes Selbstmitleid, ohne Schuldzuweisungen, ohne Klagen über Querschüsse aus den eigenen Reihen und nicht zuletzt aus München. Laschet betonte erneut seine Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis wie für die missratene Wahlkampagne. Er nahm zugleich – zu Recht – für sich in Anspruch, den Übergang zwischen dem 26. September bis zur Neuwahl des Vorstandes ordentlich gesteuert zu haben.

„Friedrich Merz ist der Richtige“

Im Januar 2021 hatte Laschet im Kampf um den Parteivorsitz Friedrich Merz knapp besiegt. Der Unterlegene hatte sich dennoch im Wahlkampf loyal hinter Laschet gestellt. Dieser bedankte sich herzlich bei seinem Nachfolger, der ihn im vergangenen Jahr immer unterstützt habe: „Friedrich Merz ist der Richtige“. Er habe eine „Riesenrückendeckung“ in der Partei, weit über alle Flügel hinweg.

Laschet streichelte die Seele der Delegierten, als er daran erinnerte, dass er alles, was er politisch erreicht habe, der Partei zu verdanken habe. Das verband er mit einer kritischen Bemerkung zur Ex-Vorsitzenden und Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die dem Parteitag demonstrativ fernblieb. Man bleibe seiner Partei verbunden, „egal welche Funktion man hat und auch wenn man das Amt verlässt“. Es war die einzige Spitze bei Laschets insgesamt noblem Schlussakkord. 

Neues Miteinander

Der Absturz der CDU in der Wählergunst und ihre Verbannung in die Opposition hat in der Partei sichtbar zu einem neuen Miteinander geführt. Das zeigte sich bei der Wahl des Generalsekretärs wie der fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden. Der frühere Berliner Sozialsenator Mario Czaja, von Merz als neuer Generalsekretär vorgeschlagen, schnitt mit 93 Prozent nur unwesentlich schlechter ab als sein künftiger Chef. Czajas Mitgliedschaft bei den CDU-Sozialausschüssen war sicherlich kein Nachteil, da Merz das soziale Profil stärken will.

Dass die CDU einen echten personellen Neuanfang wagt, zeigte sich ebenso bei der Wahl der fünf stellvertretenden Vorsitzenden. Von dem bisherigen Quintett stellte sich lediglich Silvia Breher aus Niedersachsen zur Wiederwahl und wurde mit 81,9 Prozent bestätigt. Das beste Ergebnis erzielte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer mit 93 Prozent, das zweitbeste der bisherige Chef der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann (82,1 Prozent). Er hat auf Wunsch von Merz nicht mehr für den Vorstand der Bundestagsfraktion kandidiert, um die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm zu managen. Mit 79 Prozent schnitt auch der Umweltpolitiker Andreas Jung gut ab.

Schwache Ergebnisse für „Merkelianer“

Die schleswig-holsteinische Kultusministerin Katrin Prien kam nur auf 71 Prozent. Prien, eine „Modernisiererin“ und einst die Speerspitze der inzwischen nicht mehr aktiven „Union der Mitte“, hat sich durch manche Wortmeldung bei vielen Konservativen keine Freunde gemacht. Als sie ihre Kandidatur ankündigte, unterstützte Merz diese sofort, wogegen Prien sich aber verwahrte.

Eine weitere „Merkelianerin“ wurde von den Delegierten noch stärker abgestraft: Annette Widman-Mauz, Merkels Staatsministerin für Integration und Vorsitzende der Frauen-Union fiel bei den Wahlen zum Präsidium mit lediglich 45 Prozent der Stimmen durch. Abgestraft wurde auch der bisherige Gesundheitsminister Jens Spahn. Er schaffte es mit 68 Prozent gerade nochmals ins Präsidium. Sein Agieren im zweiten Jahr der Corona-Pandemie wird offenbar selbst in der eigenen Partei nicht allzu gut bewertet.

Brinkhaus scheint Merz nicht weichen zu wollen

Bei allem Bemühen um Einigkeit: Falls Merz ebenfalls nach dem Fraktionsvorsitz greifen sollte, könnte eine neue Zerreißprobe drohen. Ralph Brinkhaus, nach der Bundestagswahl für die Zeit bis Ende April als Fraktionschef bestätigt, denkt offenbar nicht daran, seinen Platz freiwillig zu räumen. Seinen Glückwunsch an den neuen Parteivorsitzenden verknüpfte er mit dem Appell, Partei und Fraktion müssten „eng und vertrauensvoll“ zusammenarbeiten.

Brinkhaus hatte sich im September 2018 in einer Kampfabstimmung gegen seinen Vorgänger, den Merkel-Vertrauten Volker Kauder, durchgesetzt. Dieser Erfolg, den ihm kaum jemand zugetraut hatte, war in gewisser Weise ein Aufstand der Fraktion gegen Merkel. Brinkhaus, dessen Selbstbewusstsein nicht kleiner ist als das von Merz, wird in der Fraktion zugetraut, mit aller Macht um sein Amt zu kämpfen. Sollte es dazu kommen, sollten sich Merz und Brinkhaus nicht möglichst schnell einigen, könnte es schnell vorbei sein mit der auf dem Parteitag beschworenen neuen Einheit.

Eines ist auf diesem Parteitag deutlich geworden: Das Kapitel Angela Merkel ist endgültig abgeschlossen. Aufschlussreich, dass es der zugeschaltete CSU-Chef Markus Söder war, der zu einer kleinen Lobeshymne auf die langjährige Kanzlerin anstimmte. Vermisst wurde sie offensichtlich nicht.

 

Anzeige