GDL-Streik - Sollten die Bahn-Bosse auf Boni verzichten, Herr Rainer?

Nach dem Ende der dritten Streikrunde der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist eine Schlichtung des Tarifstreits immer noch nicht in Sicht. Wie es nun weitergeht, erzählt Alois Rainer (CSU), Verkehrspolitischer Sprecher in der Bundestagsfraktion der CDU/CSU.

Eine Anzeigetafel im Freiburger Hauptbahnhof informiert über Beeinträchtigungen im Fern- und Regionalverkehr / dpa
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Alois Rainer ist seit dem 22. Oktober 2019 verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Herr Rainer, waren Sie vom Bahnstreik persönlich betroffen?
Ja, wobei es bei mir noch ging. Ich fahre auf dem Heimweg vom Flughafen in München immer noch ein Stück mit der Bahn. Normalerweise fährt die S-Bahn im 10-Minuten-Takt, diesmal musste ich 40 Minuten warten. Das war alles nicht so spaßig, zumal es nachts um halb 11 war.

Hatten Sie in dem Moment trotzdem Verständnis für die GDL?
So dramatisch war es nicht, und ich bin sowieso einer, der alles gelassen nimmt. Aber für die vielen Reisenden war die Situation sicherlich ärgerlich, deswegen habe ich überhaupt kein Verständnis für den langen Streik.

Überhaupt nicht?
Die Bahn hat meines Erachtens gut auf die Forderungen der GDL reagiert. Sie hat die Lohnerhöhungen und die Corona-Prämie akzeptiert, nur bei der Laufzeit gab es noch Differenzen. Das hätte GDL-Chef Claus Weselsky akzeptieren und zumindest an den Verhandlungstisch zurückkehren können. Mit Arbeitskampf habe ich kein Problem, aber er ist zu weit gegangen. Viele Menschen, die auf die Bahn angewiesen sind, leiden unter dem Streik. Deswegen ist es zwingend notwendig, dass beide Vertragsparteien wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.

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Bisher sieht es nicht danach aus. Weselsky verkündete bereits, nach dem Streik sei vor dem Streik. Wie soll es jetzt weitergehen?
Wenn er weiter auf der Maximalforderung beharrt, vermute ich, wird auch die Bahn hart bleiben. Das müssen die Tarifparteien unter sich vereinbaren. Ich kann nur an beide appellieren, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und einen Kompromiss zu finden.

Alois Rainer / dpa

So wie es momentan aussieht, ist der nächste Streik aber nur eine Frage der Zeit. Irgendwann muss es aber auch gut sein – ab wann greift die Politik denn ein?
Man darf nicht vergessen, dass die GDL nur vier Prozent der Bahn-Beschäftigten bei sich vereint. Die Situation bleibt so, dass die Klärung Sache der Tarifparteien ist. Irgendwann wird es aber mit Sicherheit so sein, dass die Politik insofern eingreift, als sie einen Schlichter schickt, der die Parteien zur Klärung treibt.

Die GDL beklagt zu geringe Löhne auch wegen Wechselschichten mit Arbeitsbeginn um 2 Uhr nachts bei personeller Unterbesetzung. Die Bahn soll im Zuge des Klimaschutzes das Fortbewegungsmittel der Zukunft sein. Wie soll das unter diesen Umständen funktionieren?
Ich kenne die Löhne der Lokführer – so schlecht sind die nicht. Die Bahn kommt ihnen auch entgegen. Der Pensionsfonds wurde aufgestockt, sie bietet zusätzliche Versicherungen und Mobilitätsleistungen an. Pauschal zu sagen, die Lokführer verdienten zu wenig oder hätten eine schlechte Altersabsicherung, ist nicht angemessen. Sie leisten gute und verantwortungsvolle Arbeit, für die sie auch mehr Geld verdienen, auch in Pandemiezeiten. Aber ich kann nicht als Gewerkschaft auf Maximalforderungen beharren, die der Arbeitgeber zu akzeptieren hat. Das zeigt die mangelnde Kompromissbereitschaft der GDL.

Es geht nicht nur um die Löhne, sondern auch um die Arbeitsbedingungen unter chronischer Unterbesetzung.
Deswegen wurde seit 2018 die Zahl der Streckenlokomotivführer um mehr als 1.000 auf jetzt knapp 19.500 erhöht. Ebenso wurden knapp 700 Zugbegleiter und Bordgastronomen zusätzlich eingestellt.

6.000 Stellen sind aber noch unbesetzt.
Die Situation ist auch nicht einfach: Der Bahn geht es wie anderen Branchen, die unter dem Fachkräftemangel leiden. Es ist ja nicht so, dass die Bahn nicht mehr Leute einstellen will.

Vielleicht wirken die Jobs auch einfach nicht attraktiv genug auf potenzielle Bewerber.
Vielleicht muss die Bahn noch mehr tun. Denn attraktive, zukunftssichere Arbeitsplätze hat sie ja. Zumal sie, wie Sie bereits sagten, im Zuge des Klimaschutzes in Zukunft eine größere Rolle spielen wird.

Die Bahn wird geführt wie ein Konzern, aber der Bund ist zu 100 Prozent Anteilseigner. Ganz naiv gefragt: Was macht der Bund eigentlich genau?
Vereinfacht ausgedrückt ist es so: Bei der Bahnreform von 1994 wurde die Eisenbahn umorganisiert. Die Infrastruktur wird vom Bund finanziert. Der Betrieb des Netzes und der Transport von Personen und Gütern erfolgt durch privatrechtliche Unternehmen. Der Bund ist nach dem Grundgesetz zur Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur verpflichtet. Der Bund ist Eigentümer der Bahn und ist deswegen im Aufsichtsrat der Bahn vertreten. Daneben sitzen auch Abgeordnete im Aufsichtsrat. Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages wird regelmäßig zu aktuellen Bahn-Themen informiert.

Der Schuldenberg ist ja nicht nur auf die Pandemie zurückzuführen, sondern zu einem wesentlichen Teil auch auf missglückte Spekulationen. Warum sollte dieses Konzept, dass die Bahn wie ein Konzern geführt wird, überhaupt aufrechterhalten werden?
Wir brauchen die passenden organisatorischen Strukturen bei der Bahn und einen lebendigen Eisenbahnmarkt. Die hohe Verschuldung des DB-Konzerns zeigt, dass wir uns die Strukturen und die Finanzierungsströme bis hin zur Rechtsform der Tochterunternehmen genauer ansehen müssen. Der Konzern in seiner Struktur kann schon so bleiben. Die Bahn hat viele Beteiligungen, die durchaus gut sind. Wir empfehlen, die Beteiligungen an anderen Unternehmen außerhalb des Kerngeschäfts im In- und Ausland zu überdenken und sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Es muss aber sichtbar sein, welche Verantwortung die Infrastruktursparten oder die Unternehmensteile, die den Betrieb auf der Schiene ausführen, jeweils tragen. Jeder vom Bund eingesetzte Euro bei der Schiene muss am Ende für die Fahrgäste und die Kunden im Schienengüterverkehr effizient eingesetzt werden. Der Eigentümer Bund muss seine Kontrolle effektiver ausüben und seiner Infrastrukturverantwortung gerecht werden.

Trotz der Verschuldung von 30 Milliarden Euro haben die Führungskräfte 2020 Boni erhalten, auch dieses Jahr bekommen sie 220 Millionen Euro. Das heißt, den Mitarbeitern, die nichts für die Verschuldung können, wird gesagt, der Gürtel müsse enger geschnallt werden, während die Führungskräfte hohe Summen einstreichen. Das widerstrebt dem Gerechtigkeitsgefühl der Mitarbeiter. Sollten die Führungskräfte nicht allein deswegen auf Boni verzichten?
Was das angeht, verstehe ich den Ärger der Mitarbeiter absolut. Und es wäre psychologisch wahrscheinlich ein schlauer Schachzug, auf Boni zu verzichten.

Die Fragen stellte Ulrich Thiele.

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