Frauenquote - Her mit der Hälfte der Macht

Solange Frauen nur als hübsche Deko in der Chefetage geduldet werden, brauchen wir die Quote leider als Krücke, damit das Recht auf Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier existiert. Auch wenn das das Risiko birgt, dass Bewerberinnen gefördert werden, die nicht als Aushängeschilder für die Quote taugen.

Mitglieder des Bundeskanzleramts im Jahr 2018 Foto: Wolfgang Kumm/dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin keine Freundin der Quote. Qualifikation sollte das A und O sein – egal, ob in der Wirtschaft oder in der Politik. Trotzdem ist es gut und richtig, dass der Bundestag eine Frauenquote für die Vorstände börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten beschlossen hat. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der Frauen an den Hebeln der Macht unterrepräsentiert sind, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik. 2020 betrug der Frauenanteil in den Vorständen der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland gerade mal 11,5 Prozent. Im Bundestag sinkt ihr Anteil kontinuierlich ab. 2017 lag er nur noch bei 31 Prozent.

Die Folgen sind verhängnisvoll. Das sage ich als Journalistin, die noch bis vor kurzem die einzige Frau in der Redaktion eines Politikmagazins war. Männer bestimmen die Inhalte. Männer bestimmen auch den Stil der Kommunikation und damit auch die Art und Weise, wie ein Unternehmen von außen wahrgenommen wird. Man braucht als Frau ein dickes Fell, um sechs männliche Kollegen davon zu überzeugen, dass es sehr wohl sexistisch ist, wenn FDP-Chef Christian Lindner seine von ihm unsanft abservierte Generalsekretärin Linda Teuteberg auf dem Parteitag mit dem Alt-Herren-Witz verabschieden darf: „Ich denke gerne daran, Linda, dass wir in den vergangenen 15 Monaten ungefähr 300-mal, ich hab mal so grob überschlagen, ungefähr 300-mal den Tag zusammen begonnen haben.“ Und wenn er auf das vereinzelte Gelächter im Saal sagt: „Ich spreche über unser tägliches, morgendliches Telefonat zur politischen Lage. Nicht, was ihr jetzt denkt.“

Chancengleichheit gibt es nur auf dem Papier

Deutschland, 2021. Ich als Frau finde es geradezu absurd, dass ich für solche Kommentare über solche Themen noch kämpfen muss. Schließlich, so steht es im Grundgesetz, Artikel 3: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung von Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Viele von Ihnen werden jetzt sagen, was redet die denn da, wer sich in einer Männerwelt behaupten kann, braucht doch keine Quote. Das stimmt zwar, aber wenn man(n) darauf vertraut, dass sich selbstbewusste und qualifizierte Frauen durchsetzen, müssen wir wahrscheinlich noch 500 Jahre warten. Solange Frauen in der Minderheit bleiben, solange sie kein Mitspracherecht in der Chefetage haben, bleibt die grundgesetzliche garantierte Chancengleichheit nur ein leeres Versprechen.

Die Quote ist als Krücke unverzichtbar

Männer fördern Männer. So sieht der Alltag in der privaten Wirtschaft aus. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn ma(n) darauf vertraut, dass toughe Frauen ihren Weg für die Generation nach ihnen schon freikämpfen werden. Wie lange soll das noch dauern? 

Nach dem Grundgesetz stehen uns dieselben Chancen wie Männern zu. Und solange Frauen nur als Kaffeekocherinnen, Sekretärinnen oder hübsche Deko in der Chefetage geduldet werden, brauchen wir die Quote leider als Krücke, damit das Recht auf Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier existiert. Auch wenn das das Risiko birgt, dass Bewerberinnen gefördert werden, die nicht als Aushängeschilder für die Quote taugen. Was dann passiert, hat jüngst die beispiellose Häme gezeigt, die die stellvertretende Landesvorsitzende der Grünen im Saarland, Irina Gaydukova, gerade von arrivierten Männern einstecken musste. Sicherlich war ihr Auftritt als Bundestagsbewerberin ein Armutszeugnis für die Politik.

Aber wer daraus pauschal den Schluss ableitet, das komme eben davon, wenn die Grünen Spitzenpositionen nicht nach Qualifikation, sondern nach dem Geschlecht vergeben, blendet eines aus: Irina Gaydukova ist eher die Ausnahme als die Regel. Mit dem umstrittenen Instrument der Quote sind auch schon Ministerinnen wie Annegret Kramp-Karrenbauer an die Macht gekommen. Und dass es nicht mehr sind, liegt eben nicht daran, dass Frauen keine Politik können, sondern dass Männer sie nicht lassen. Dabei ist die Quote der männlichen Versager in der Politik nicht niedriger als die der Frauen.

Aber das steht wieder auf einem ganz anderen Blatt.

Auch auf cicero.de: Wirtschaftsressortleiter Daniel Gräber vertritt die Gegenposition.

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