Flüchtlingsgipfel der Union - „Anders wird es nicht gehen“

Beim Flüchtlingsgipfel der Unionsfraktion bringt Friedrich Merz auch Kontrollen an Europas Binnengrenzen ins Spiel. Bisher galt das als Tabu. Die angereisten Kommunalpolitiker berichteten derweil von ihrer Not vor Ort.

Betten für Flüchtlinge stehen in der Außenstelle der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen in der Messehalle 27 der Messe Hannover / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

So erreichen Sie Volker Resing:

Anzeige

Harsdorf liegt in Oberfranken, idyllisch zwischen Bayreuth und Kulmbach. 1000 Einwohner, die Pfarrkirche trägt ausgerechnet den Namen des Heiligen Martin. Am 1. Februar schickte das Landratsamt 28 Flüchtlinge. Es wurde unruhig im Dorf. Der evangelische Pfarrer vermittelte. Bei einer Bürgerversammlung wurden die Ängste laut. Nur junge Männer, die um die Häuser ziehen, sagten einige Frauen voller Sorgen. 

Gestern war der Bürgermeister von Harsdorf in Berlin. Günther Hübner von der CSU sprach in der großen Halle des Paul-Löbe-Hauses. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte dorthin zu einer Art eigenem Flüchtlingsgipfel eingeladen. Wegen der Untätigkeit der Bundesregierung habe man kurzerhand ein neues Format erfunden, so Fraktionschef Friedrich Merz (CDU). 

Gut 200 Bürgermeister und Landräte waren gekommen. Das Besondere: Rund die Hälfte der Teilnehmer gehörte nicht der Union an, erklärte ein Sprecher. „Das Land brennt, und wir werden allein gelassen“, so der einhellige Ton unter den Kommunalpolitikern. „Dieser Austausch ist wichtig, unabhängig davon, welche Partei ihn organisiert“, meinte ein SPD-Bürgermeister aus Sachsen-Anhalt. Merz gab sich zunächst betont versöhnlich, es gehe nicht um Parteipolitik. „Wir wollen hier Lösungen haben, damit in diesem Land die Hilfsbereitschaft aufrechterhalten bleibt“, so der CDU-Parteichef.

„Wir wollen keinen stigmatisieren“

Günther Hübner aus Harsdorf berichtet von den Sorgen im Dorf angesichts der Flüchtlinge und genauso von der großen Hilfsbereitschaft. „Wir wollen keinen stigmatisieren“, sagte er. Zugleich brauche es auch Aufklärung und Anstrengung, damit es bei einer Aufnahmebereitschaft bleibe. „Wir wollen verhindern, dass die Rechten aus den Problemen ihren Profit ziehen.“

Bei ihm in der Gemeinde wurde ein Bauernhof verkauft und das Wohnhaus vom Käufer zur Unterkunft umgebaut bzw. hergerichtet. Das Landratsamt zahlt die Miete. Aber auf eigene Kosten hat er noch einen Hausmeister eingestellt. Das helfe enorm, so Hübner. Und im Dorf haben sie einen Sprachkurs organisiert, das gehe schneller, als wenn das offiziell gemacht werde. Unter den Flüchtlingen sind ein Physiklehrer, ein Maler und ein Schreiner. „Im Prinzip könnten wir die gut gebrauchen“, erklärte der Bürgermeister.

Das könnte Sie auch interessieren: 


Doch die Ängste sind da, und von der Überforderung der Städte und Landkreise berichten viele Teilnehmer. Die Bereitstellung von Unterkünften ist die größte Sorge, Personalmangel bei Betreuung und Beschulung eine weitere. Die Situation sei dramatisch. Und wenn es so weiter gehe, drohe ein Kollaps. Viele fühlen sich nicht verstanden. Ein Bürgermeister versucht es dennoch mit Humor. „Es ist in der Flüchtlingskrise wie in einer Kneipe, Berlin ruft immer ‚Freibier‘ für alle, aber was ist, wenn wir vor Ort einfach kein Bier mehr haben?“

„Macht Aufnahmezentren an den Außengrenzen“

In der Debatte um die grundsätzlichen Fragen der Flüchtlingspolitik hatte Friedrich Merz dann auch noch deutlichere Worte auf Lager. Es gehe nicht nur um ein besseres Management der Krise vor Ort, sondern auch generell um eine Begrenzung der illegalen Migration. „Macht Aufnahmezentren an den europäischen Außengrenzen, schützt diese besser und stellt dafür auch deutsche Polizeikräfte zur Verfügung“, forderte Merz. Für ihn gab es reichlich Beifall in Berlin – und es war nicht zu sehen, dass etwa jene Kommunalpolitiker nicht applaudierten, die nicht zur CDU/CSU gehören. 

Dass auch die politische Auseinandersetzung schärfer werden könnte, ließ sich an der Darlegung von Merz ablesen. Wenn die Zahl der Asylanträge über 300.000 steige, werde uns das an die Grenzen dessen bringen, „was die Gesellschaft noch bereit ist zu akzeptieren“, warnte der CDU-Chef. Und er brachte eine Maßnahme ins Spiel, die als absolutes Tabu der Ampel gilt – und auch in der Union umstritten ist. Was tun, wenn sich der Zuzug nicht stoppen lässt? Dann, so Merz, brauche es „Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen, anders wird es nicht gehen“. Inwieweit da auch in den Regierungsparteien ein Bewusstseinswandel einsetzt, war im Paul-Löbe-Haus noch nicht zu sehen. 

Passend zum Thema: Cicero Politik Podcast mit Heiko Teggatz

Anzeige