Faesers Kampf gegen Rechtsextremismus - Die Kriminalisierung der AfD schreitet voran

Nancy Faeser nutzt den Demonstrationsschwung für einen Maßnahmenkatalog, dem das rechte Maß abhanden kommt. Die AfD wird implizit mit der Organisierten Kriminalität gleichgesetzt. Und Spender sollen nicht glauben, „unentdeckt“ zu bleiben.

Holger Münch (l-r), Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), und Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, 13.02.2024 / dpa
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Konkrete Politik ist oft nicht ganz frei von inneren Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten. Aber bei der heutigen Vorstellung des Maßnahmenpakets „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen“ durch Innenministerin Nancy Faeser waren die Widersprüche so frappierend wie selten. 

Eine der 13 Maßnahmen ist die Schaffung einer „Früherkennungseinheit“ gegen Rechtsextremisten, die „das Vertrauen in unseren Staat untergraben“ wollten, und gegen autokratische Staaten, die mit „koordinierten Einflusskampagnen versuchen …, die freie Meinungsbildung zu manipulieren“. Als aber Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, der gemeinsam mit Faeser und Bundeskriminalamtspräsident Holger Münch das Papier vorstellte, von einem türkischen Journalisten gefragt wurde (es war übrigens die einzige auch nur halbwegs kritische Frage der Pressekonferenz), was das denn nun für die geplante Gründung einer neuen Partei in Deutschland durch Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bedeute, wollte Haldenwang vom frühen Erkennen möglicher Gefahren nichts wissen: Solange es diese Partei noch nicht gebe, sehe er keine Gründe aktiv zu werden. „Warten wir erst mal ab.“

Verschärfter Ton

Man könnte aus aktuellem Anlass auch fragen, ob nicht die noch ganz frische Aussage des neuen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk – „Wenn wir für alle Formen der #Migration ohne jegliche Kontrolle offen sind, dann wird unsere Welt zusammenbrechen“ – doch ganz ähnlich klinge, wie Aussagen, die für das Bundesinnenministerium als „Hass(-kriminalität)“ gelten. 

Die meisten der dreizehn Maßnahmen – hier nachzulesen – sind nicht ganz neu und finden sich schon im „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“, den Faeser im März 2022 vorgestellt hatte, zum Beispiel das Vorhaben, das Waffenrecht zu verschärfen. Damit dürfte es künftig für AfD-Mitglieder schwieriger werden, einen Waffenschein zu besitzen. 

Faeser und ihre beiden Amtschefs haben vor allem ihren Ton nochmals verschärft: „Wir wollen rechtsextremistische Netzwerke zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen entziehen und ihnen die Waffen wegnehmen.“ Die vermutlich wichtigste Botschaft der Pressekonferenz war Faesers Ansage: „Ich möchte rechtsextremistische Netzwerke genauso behandeln wie Gruppierungen der Organisierten Kriminalität.“

 

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Der Satz (im offiziellen Dokument ist er etwas abgeschwächt: „Wie bei der ganzheitlichen Bekämpfung organisierter Kriminalität und der Clankriminalität müssen extremistische Akteure jederzeit – auch außerhalb der unmittelbaren Bekämpfung extremistischer Agitation – zu gesetzeskonformen Verhalten angehalten werden“) entfaltete seine ganze Bedeutung aber erst dadurch, dass in der Pressekonferenz diejenigen konkret genannt wurden, die als Rechtsextremisten verstanden werden: Teilnehmer des Treffens in Potsdam, das Institut für Staatspolitik in Schnellroda, das Compact-Magazin, Martin Sellner und die Identitäre Bewegung, „erhebliche Teile der AfD“ und die „Neue Rechte“ (ein Begriff, der ebenso wenig konkret definiert ist, wie der Begriff „Hass(-kriminalität)“). 

Wenn außerdem von deren „verlängertem Arm“ im Bundestag die Rede ist, wird klar, worauf wohl in erster Linie das gesamte Paket und der Auftritt Faesers und ihrer beiden Amtschefs zielt: Implizit geht es offenkundig um nicht weniger als den Einstieg in die Kriminalisierung der AfD. Und die Gleichsetzung mit der Organisierten Kriminalität und der Hinweis auf die „Neue Rechte“, der das BMI eine „Scharnierfunktion“ mit „vermeintlich bürgerlichem Auftreten“ zuspricht, soll offenbar künftig jedem, der die Brandmauer zu übertreten erwägt, deutlich machen, dass er selbst zum potentiellen Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden werden kann.

Haldenwang und die Grenzverschiebung 

Da die AfD und ihr nahestehende Verlage und Vereine zu einer Art politischer Mafia erklärt werden, dürfte auch das Vorhaben „Finanzquellen rechtsextremistischer Netzwerke austrocknen“ vor allem auf diese abzielen. Die verbale Kriminalisierung wird dabei durch das geplante Absenken gesetzlicher Schwellen flankiert. So heißt es in der Pressemitteilung des BMI: 

„Operativ wurden die Finanzermittlungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz bereits deutlich verstärkt. Banken werden sensibilisiert, Finanzstrukturen werden detailliert aufgearbeitet. Aber gesetzlich gibt es derzeit Grenzen, da die Befugnis für Finanzermittlungen auf volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen beschränkt ist. Das Bundesverfassungsschutzgesetz soll daher so geändert werden, dass es auf das Gefährdungspotenzial ankommt, für das Faktoren wie Aktionspotenzial und gesellschaftliche Einflussnahme relevant sein können. Außerdem sollen Verfahren schneller und unbürokratischer werden.“ 

Kurz: Nicht mehr erwiesene Gewaltorientierung und Volksverhetzung ist ausschlaggebend, sondern mögliche Gefährdungen. Der Erwägensspielraum für die Behörden wird also ausgeweitet. Haldenwang nannte es explizit einen Fehler, „nur auf die Gewaltbereitschaft zu achten“. Es gehe auch „um verbale und mentale Grenzverschiebungen“. Diese Aussage ist umso bemerkenswerter, als Faeser und er ja gerade selbst die Grenzen des Rechtsextremismus definitorisch verschoben beziehungsweise ausgeweitet haben. Auch hier wieder ein innerer Widerspruch.  

„Niemand, der an eine rechtsextreme Organisation spendet, darf sich darauf verlassen können, dass er dabei unentdeckt bleibt“, sagt Faeser. Wenn man bedenkt, dass nach Haldenwang auch die immerhin formal legale und in allen großen deutschen Parlamenten vertretene AfD zu „erheblichen Teilen“ rechtsextrem sei, ist das eine unverhohlene Drohung an einen möglicherweise in die Hunderttausende gehenden Personenkreis. Diese Spender werden dadurch eingeschüchtert und implizit zumindest ansatzweise kriminalisiert. 

Die Nutznießer des Kampfes

Doch Faeser hatte längst nicht nur solche Drohungen und Kampfansagen zu bieten, sondern für einige Menschen auch angenehme Aussichten, nämlich auf ein festes Einkommen aus Steuermitteln. Denn die Ministerin forderte einen raschen Beschluss des sogenannten Demokratiefördergesetzes, dessen Zweck sie in einem Satz zusammenfasste: „Wir müssen gerade jetzt den zivilgesellschaftlichen Organisationen den Rücken stärken.“ 

Das bedeutet konkret nicht zuletzt, dass Menschen aus einem der Ministerin nahestehenden politischen Vorfeld, eben jenen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die nach Faesers Worten „die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde verteidigen“, ein geregeltes Einkommen aus der Bundeskasse durch Programme wie „Demokratie im Netz“ oder „Miteinander reden“ erhoffen können. 

Das ist sicherlich der für große Teile des Politikbetriebes angenehmste Teil des „Kampfes gegen rechts“. Dazu kommt die entspannende Ablenkung von all den anderen Politikfeldern, auf denen Ampel-Minister wenig Tugendruhm und allzu viel Bürgerfrust ernten.  

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