Faesers Rückführungsverbesserungsgesetz - Gerade einmal 600 zusätzliche Abschiebungen pro Jahr

Mit größtem öffentlichen Aufsehen präsentiert Innenministerin Nancy Faeser ihr Rückführungsverbesserungsgesetz. Es verringert zwar einige der absurdesten Hürden für Abschiebungen, aber die migrationspolitische Gesamtwirkung ist belanglos.

Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, stellt den Entwurf des Rückführungsverbesserungsgesetzes vor, 25.10.2023 / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Das „Gesetz zur Verbesserung der Rückführung“, dessen Entwurf Bundesinnenministerin Nancy Faeser heute nach der Billigung im Bundeskabinett vorstellte, wird sicher nicht der entscheidende Schritt zur Bewältigung der gegenwärtigen Migrationskrise sein. Vielmehr darf dies als Versuch des Kanzlers und seiner noch mehr als die gesamte Regierung angeschlagenen Innenministerin gelten, einer über die deutsche Migrationswirklichkeit zutiefst desillusionierten Bevölkerung nun ihre Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Diese Wirklichkeit zeigte sich schließlich zuletzt in einer anhaltenden Welle offen antisemitischer und islamistischer Taten.

Der Kanzler hat gerade in einem aufsehenerregenden Spiegel-Interview eine Art zweite Wende hin zu einer repressiveren Einwanderungspolitik angekündigt. Und das konkreteste Versprechen – „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben“ – soll Faeser jetzt umsetzen. Wer nun meint, damit würden die Zuwanderungszahlen deutlich reduziert, der reagiert zwar genauso, wie es sich Scholz und Faeser wohl wünschen. Doch der Gesamteffekt auf das Migrationsgeschehen dürfte tatsächlich ziemlich gering ausfallen – wenn nicht weitere, effektivere Maßnahmen folgen, die statt der Rückführungen die Begrenzung des Zuzugs angehen müssten.

Konkret ist in dem Gesetzentwurf vor allem vorgesehen, einige der bisherigen, teilweise absurden Abschiebehindernisse zu beseitigen: Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden, um Abschiebungen besser vorbereiten zu können. Diese sollen nicht mehr angekündigt werden – außer bei Familien mit kleinen Kindern. Asylfolgeanträge sollen Abschiebungen nicht mehr verhindern. Auch soll es den Behörden nun erlaubt werden, in Sammelunterkünften auch Nebenräume der Wohnräume der Abzuschiebenden zu durchsuchen.

Faeser sei es, so verkündet sie, „besonders wichtig, Straftäter und Gefährder konsequenter und schneller abzuschieben“, darum werde die Ausweisung von Mitgliedern krimineller Vereinigungen deutlich erleichtert und unabhängig von einer individuellen strafrechtlichen Verurteilung bei hinreichenden Tatsachen, die eine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung belegen, ermöglicht.

 

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Der Gesetzentwurf ist also nicht zuletzt vor allem ein Dokument, das die bisherige Selbstfesselung des deutschen Staates in Asyl-Angelegenheiten und bei der Bekämpfung nicht-deutscher Krimineller zusammenfasst. Zum Beispiel erfährt man aus dem Vorhaben auch, dass die Schleusung von Kindern künftig strafbar sein soll, und umgekehrt, dass das bislang offenbar nicht der Fall ist. Vor allem enthält der Entwurf auch keine Maßnahme, die dazu geeignet wäre, das höchste Abschiebehindernis abzubauen, nämlich die Möglichkeit der Betroffenen, ihre Staatsangehörigkeit ganz einfach durch „Verlieren“ ihrer Ausweispapiere zu verschleiern. Wieso etwa kehrt man nicht die Pflicht zum Nachweis der Staatsangehörigkeit um – vom deutschen Staat zum Asylantragsteller? Das wäre übrigens nicht nur abschiebungsrechtlich wirksam, sondern vor allem sicherheitspolitisch angebracht.

Die absoluten Zahlen sind mickrig

Wie unangebracht nun aber die Erwartung ist, dass sich Scholz’ Spiegel-Ankündigung – „im großen Stil abschieben“ – mit diesem Gesetz realisiert, weiß man natürlich auch im Ministerium selbst. Die von Faeser bei der Pressekonferenz mehrfach erwähnte Steigerung der Zahl der Rückführungen im ersten Halbjahr um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr entpuppt sich angesichts einer Gesamtzahl von nur rund 7000 als lächerlich, nicht nur gegenüber der prozentualen Entwicklung der Asyl-Erstanträge (+77 Prozent in den ersten acht Monaten), sondern vor allem angesichts der absoluten Zahl, die bezeichnenderweise im Gesetzentwurf nicht genannt ist: nämlich 204.461 bis einschließlich August.

Die Autoren des Gesetzentwurfs aus dem Hause Faesers bescheinigen sich die absehbar geringe Wirkung ihres Vorhabens sogar schwarz auf weiß in dem wohl wichtigsten Satz des Entwurfs: „Es wird angenommen, dass durch die Verschärfung der Ausreispflicht die Anzahl der Abschiebungen um rund 600 (fünf Prozent) steigen wird.“

Richtig gelesen: Nicht 60.000 unberechtigt in Deutschland lebende und versorgte Asylbewerber sollen zusätzlich abgeschoben werden, auch nicht 6000, sondern 600. Damit entpuppt sich übrigens auch die moralische Verkaufe des Vorhabens gegenüber den Kritikern dieser Verschärfung als vorgeschoben. Das „Bündel restriktiver Maßnahmen“, so Faeser, sei „notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen, wie zum Beispiel auch die 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine“. Nochmals: Es geht voraussichtlich um nicht mehr als 600 zusätzlich abgeschobene irreguläre Migranten.

Auf die Begrenzung kommt es an

Wie sehr sich Faeser immer noch gegen das Erkennen und Verändern der Migrationswirklichkeit sträubt, machte sie deutlich, als sie auf die Aussagen des CDU-Politikers Jens Spahn angesprochen wurde. Der will „irreguläre Migrationsbewegungen“ gegebenenfalls „mit physischer Gewalt“ aufhalten. Faeser sagt dazu nur: „Das geht natürlich rein rechtlich gar nicht“.

Dieser von Politikern gern gebrauchte Satz zur Verweigerung sachlicher Debatten ist in diesem Fall doppelter Unsinn: Erstens ist er sowieso fast immer unsinnig, da Politik ja zum großen Teil gerade darin besteht, die rechtlichen Möglichkeiten des Handelns zu verändern – genau das tut Faeser schließlich gerade auch mit ihrem Gesetzentwurf. Es ist zweitens aber auch ohne neue Gesetze schlicht falsch: Zahlreiche Staaten tun schließlich nichts anderes an ihrer Außengrenze, auch EU-Staaten, etwa Polen an der Grenze zu Weißrussland und Griechenland an der Grenze zur Türkei. Dort, aber zum Beispiel auch an der ungarisch-serbischen Grenze oder an den spanischen Exklaven in Nordafrika, werden Zuwanderer mit Staatsgewalt, nämlich Zäunen und Grenzpolizisten, am Betreten von EU-Territorium gehindert. 

„Die Grenze wird früher oder später geschlossen. Ob in fünf oder in 15 Jahren, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es wird passieren.“ Die Sätze von Spahn sind also auch missverständlich. Nicht das Schließen selbst ist fraglich, sondern die Intensität und Konsequenz der Sicherungsmaßnahmen. Aber Spahn hat im Gegensatz zu Faeser immerhin begriffen: „Der entscheidende Schlüssel ist nicht die Rückführung, sondern die Begrenzung irregulärer Migration.“

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