Erster Talk mit Caren Miosga - Parade der Banalitäten

Es war die erste Sendung von Caren Miosga in der Nachfolge von Anne Will – und zunächst eine Solo-Show für Friedrich Merz. Doch der CDU-Chef ließ sich nichts Neues entlocken. Dazu waren die Fragen auch zu banal. Trotzdem wurde es später noch kurz interessant.

Merz und Miosga, die Schreibtischlampe wartet noch auf ihren Einsatz / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Klappern gehört zum Handwerk, das gilt natürlich erst recht für die Medien. Und die Erwartungen wurden von der ARD nach dem Ende der sonntäglichen Talks mit Anne Will entsprechend geschürt. Mit deren Nachfolgerin Caren Miosga sollte nun alles anders werden: keine konfrontativen Runden mehr mit Politikern unterschiedlicher Couleur, die unter Beimischung der immer gleichen Hauptstadtjournalisten ihre immer gleichen Statements abliefern. Stattdessen eher konstruktive Gespräche, die in die Tiefe gehen. Dafür hatte man die 54 Jahre alte „Tagesthemen“-Moderatorin geholt, am Sonntagabend dann die erste Bewährungsprobe. Sagen wir es so: Das Rad neu erfunden hat Miosga ganz bestimmt nicht.

„Wird Deutschlands Zukunft konservativ?“

Thema der Sendung: „Merz richtet die CDU neu aus – Wird Deutschlands Zukunft konservativ?“ Schon das war eine seltsame Wortwahl, inhaltlich wie semantisch. Aber sei’s drum, der Partei- und Fraktionsvorsitzende hatte die ersten gut 20 Minuten Gelegenheit zu einem Solo-Auftritt, welcher natürlich zunächst vor dem Hintergrund der mehr als eine Woche lang währenden AfD-Festspiele mit irrlichternden Wannseekonferenz-Assoziationen und abschließenden Großkundgebungen „gegen rechts“ absolviert werden musste. 

Merz sprach mit Blick auf die Demos vom Wochenende von einem „äußerst ermutigenden Zeichen einer lebendigen Demokratie“ und widersprach dem Vorwurf der Moderatorin, aus seiner eigenen Partei sei kaum Spitzenpersonal vor Ort dabei gewesen: Ex-Bundespräsident Christian Wulff oder Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hätten schließlich mitgetan, nicht zu vergessen Markus Söder in Bayern. Dass der gesamte mediale Aufruhr vor allem dazu dienen sollte, die (möglicherweise bröckelnde) „Brandmauer“ zwischen Union und AfD zu verstärken, dürfte auch dem CDU-Chef klar sein. Dazu gab es später mehr.

„Herausforderung für alle in der Mitte unserer Gesellschaft“

Ansonsten gelang es Caren Miosga nicht ansatzweise, ihrem Gegenüber irgendetwas Neues zu entlocken. Was auch daran lag, dass sie sich mit ihren Fragen entlang sämtlicher Klischees bewegte und noch dazu immer wieder versuchte, Friedrich Merz ein Bekenntnis zur eigenen Kanzlerkandidatur zu entlocken – vergeblich. Vielmehr wiederholte dieser ein ums andere Mal, darüber werde im Spätsommer entschieden, und zwar zwischen Söder und ihm. 

Des weiteren hatte Merz sich natürlich gegenüber der AfD zu positionieren, was er allerdings partout nicht so tun wollte wie zuvor Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst, der sie als eine „Nazi-Partei“ gebrandmarkt hatte. Merz hingegen sprach lieber von einer „Herausforderung für alle in der Mitte unserer Gesellschaft“ und davon, dass man AfD-Wähler bestimmt nicht zurückgewinne, indem man sie beschimpfe: „Die Nazi-Keule bringt uns nicht weiter.“ Auch das: keine große Überraschung.

Der Schreibtischlampen-Gag

Als Gag zur Auflockerung war dann eine schwarze Schreibtischlampe in 50er-Jahre-Optik gedacht, welche von Miosga unvermittelt auf den runden Debattentisch gestellt wurde und die offenbar eine dunkle Rückwärtsgewandheit symbolisieren sollte, die man Merz zu unterstellen gedachte. Die ganze Lampen-Aktion wirkte derart gekünstelt und aufgesetzt, dass man als Zuschauer leichte Fremdschäm-Beklemmungen bekam; auch der Gast schien nicht viel mit dem Objekt anfangen zu können, das offenbar einst in seiner Heimatstadt Arnsberg angefertigt wurde (und auch auf dem Schreibtisch seines Vaters hätte stehen können, wie Friedrich Merz freundlich anmerkte). 

Damit war dann also recht holprig die Überleitung zum Thema Konservatismus geschafft, und der Sauerländer durfte die üblichen Sprüche herunterbeten von wegen die CDU sei programmatisch außerdem auch sozial und liberal und überhaupt definiere er den Begriff so: „Das Gute bewahren, für das Neue offen sein, den Fortschritt erklären.“ Sprüche aus dem christdemokratischen Poesiealbum eben.
 

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Ähnlich erwartbar seine Einlassungen zu Atomkraft („können auf diese Option nicht verzichten“), zu seiner – auch schon fünfeinhalb Jahre zurückliegenden – Rückkehr in die Politik („meine Lebensplanung war eine andere“) oder zu seinem Verhältnis zu Angela Merkel (sie ist auf Distanz, aber man rede mitunter ganz vernünftig miteinander). 

Immerhin erfuhren die Zuschauer, dass die CDU der früheren Kanzlerin zu deren im Sommer bevorstehendem 70. Geburtstag eine Feier ausrichten würde, man aber noch nicht wisse, ob sie das überhaupt wolle. Wie das halt so ist, wenn sich ein Familienmitglied mit dem Rest der Sippe auseinandergelebt hat. Dass Merz für sich beansprucht, ein Team motivieren und führen zu können, wie er es derzeit in Partei und Fraktion unter Beweis stelle, ist auch keine Weltsensation. Hatte Miosga anderes erwartet?

Die Union steckt in einem Dilemma fest

Dann wieder zurück zur AfD und den erwartbar schwierigen Machtverhältnissen insbesondere in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg nach den Landtagswahlen in diesem Herbst. Insbesondere Thüringen droht unregierbar zu werden, weil die dortige CDU sowohl mit der Linkspartei wie auch mit der AfD eine politische Zusammenarbeit ausschließt – was am Ende dazu führen könnte, dass Björn Höcke im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt wird. 

Dass die Union hier in einem Dilemma feststeckt, weiß Merz natürlich ganz genau, eine nachvollziehbare Auflösung kann er deshalb nicht bieten. Es bleibt folglich bei nichtssagenden Auskünften nach dem Motto, die CDU werde in Thüringen für ihre eigenen Positionen werben und versuchen, die AfD zu „stellen“. Dass man derweil insbesondere auf kommunaler Ebene keine eigenen Anträge zurückziehe, nur weil diese auch von der AfD unterstützt würden, verstehe sich von selbst: Zur Funktionsfähigkeit in den Parlamenten brauche es eben pragmatische Lösungen, so Merz.

„Simulation von Lösungen“

Zu diesem Zeitpunkt war die Runde um den Soziologen Armin Nassehi und die Zeit-Journalistin Anne Hähnig erweitert worden; letztere erinnerte mehrfach daran, dass die AfD-Wähler dieser Partei insbesondere deshalb ihre Stimme gäben, weil sie der politischen Konkurrenz nicht zutrauten, Probleme nicht nur anzusprechen, sondern auch tatsächlich zu lösen. Was letztlich der Grund dafür sei, dass starke Forderungen im Zusammenhang mit Migration eben nicht der CDU nutzten, sondern doch nur der Rechtspartei. 

Auch Nassehi sprach in diesem Zusammenhang von einer „Simulation von Lösungen“, welche dem Rechtspopulismus Auftrieb verschaffe. Es herrsche in weiten Wählerkreisen so etwas wie eine „Inkompetenz-Unterstellung“ gegenüber den etablierten Parteien vor. Das war die wohl interessanteste Passage der gesamten Sendung, leider wurde das Gespräch an dieser Stelle aber nicht vertieft.

Stattdessen ließ Miosga noch einmal die schlimmsten Aufreger-Sprüche des Friedrich Merz Revue passieren – von den „kleinen Paschas“ bis hin zu den Asylbewerbern, die angeblich die Wartezimmer der deutschen Zahnärzte verstopfen. Erkenntnisgewinn gleich null; als Oppositionsführer müsse man halt auch mal zuspitzen dürfen, so Merz. Gleich null war der Erkenntnisgewinn der gesamten Sendung zwar nicht, aber eben auch nicht höher als bei einer durchschnittlichen Talkshow von Anne Will. Was natürlich nicht heißt, dass das auch so bleiben muss. Die nächste Folge soll dann aber trotzdem bitte ein Kollege von mir besprechen.

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