Erste Analyse der Wahlen in Sachsen und Brandenburg - Das große Zittern

Während CDU und SPD Verluste verkraften müssen, kann die AfD in beiden Bundesländern starke Zugewinne verzeichnen. Doch sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg profitieren insbesondere die Grünen vom Niedergang der bisherigen Volksparteien

Gerade nochmal Schwein gehabt: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Nach den ersten Hochrechnungen lässt sich eines mit Bestimmtheit sagen: Die zwei großen Gewinner der Landtagswahlen in Sachsen und in Brandenburg heißen Bündnis90/Die Grünen und AfD. Die größten Verluste hingegen müssen die beiden Parteien der sogenannten Großen Koalition im Bund, CDU und SPD, verkraften.

Wobei sich hier immerhin noch eine jeweils landestypische Komponente ausmachen lässt. So hat die sächsische CDU, die den bisherigen (und auch künftigen) Ministerpräsidenten Michael Kretschmer stellt, mit nach ersten Hochrechnungen 33,1 Prozent deutlich besser abgeschnitten als bei der zurückliegenden Europawahl Ende Mai (23 Prozent). Vor gut drei Monaten ging die AfD mit 25,3 Prozent noch als stärkste Partei aus dem Rennen. Auch bei der Bundestagswahl 2017 lagen die Christdemokraten mit 26,9 Prozent – wenn auch nur knapp – hinter der AfD (27 Prozent).

Trotz klarer Verluste im Vergleich zur Landtagswahl vor fünf Jahren (39,4 Prozent für die CDU) kann sich Kretschmer in seinem Amt also bestätigt fühlen. Ein Triumph sieht zwar ganz bestimmt anders aus, aber immerhin hat Kretschmers Partei beim heutigen Wahlgang in Sachsen die AfD (27,5 Prozent laut ersten Hochrechnungen) wohl klar auf den zweiten Platz verwiesen. Das ist ein (schwacher) Trost für den sächsischen Regierungschef, der bei der zurückliegenden Bundestagswahl sein Direktmandat an einen AfD-Kandidaten verloren hatte.

Positiver „Landesvater-Effekt“

Noch knapper als in Sachsen ist der Vorsprung der bisherigen Regierungspartei SPD (26,8 Prozent laut erster Hochrechnungen) vor der AfD (24,5 Prozent laut erster Hochrechnungen) in Brandenburg. Die brandenburgischen Sozialdemokraten würden damit im Vergleich zur Landtagswahl vor fünf Jahren (31,9 Prozent) mehr als fünf Prozentpunkte eingebüßt haben. Eine Fortsetzung der rot-roten Koalition ist damit ausgeschlossen, denn die Linkspartei (10,7 Prozent nach ersten Hochrechnungen) verliert noch deutlicher an Zustimmung. 2014 waren es noch 18,6 Prozent gewesen.

Wahrscheinlich reicht es in Brandenburg dennoch für eine linke Mehrheit, allerdings unter Einschluss der Grünen, die sich von 6,2 Prozent im Jahr 2014 auf jetzt 10 Prozent steigern konnten. Ob Dietmar Woidke (SPD) in dieser Konstellation Ministerpräsident wird bleiben können, diese Frage wird sich in den nächsten Tagen klären. Immerhin kann auch Woidke auf einen positiven „Landesvater-Effekt“ verweisen, denn bei der zurückliegenden Bundestagswahl kam die Brandenburger SPD auf lediglich 17,6 Prozent.

Desaster für Ingo Senftleben 

Ein absolutes Desaster ist der heutige Wahlausgang hingegen für die brandenburgische CDU und ihren Spitzenkandidaten Ingo Senftleben: Sie erreicht nach ersten Hochrechnungen lediglich 15,5 Prozent und fällt damit sage und schreibe 11,2 Prozentpunkte hinter das Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl zurück. 2017 war sie mit 26,7 Prozent in Brandenburg noch klar stärkste Partei.

Es ist kaum vorstellbar, dass Senftleben mit diesem Resultat CDU-Landesvorsitzender bleiben kann – zumal er mit seinen Koalitionsavancen in Richtung der Linkspartei etliche bisherige CDU-Wähler abgeschreckt haben dürfte. Die Strategie einer größtmöglichen Flexibilität der Christdemokraten ist am heutigen Tag krachend gescheitert: Die CDU ist mit deutlichem Abstand hinter SPD und AfD nur noch drittstärkste politische Kraft in Brandenburg. Nur ein Verweis auf die Unbeliebtheit der Großen Koalition im Bund wird da nicht ausreichen.

Grüne profitieren vom Aufstieg der AfD 

Die eigentlichen Gewinner der heutigen Landtagswahlen sind jedenfalls die Grünen. Denn im Gegensatz zur AfD werden sie aller Voraussicht nach ihre Zugewinne sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg in eine Regierungsbeteiligung ummünzen können. Mit anderen Worten: Die Grünen sind die größten Profiteure des Aufstiegs der AfD, mit der die CDU (aus guten Gründen) keine Koalition eingehen will.

Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass zumindest in Sachsen die Christdemokraten und die AfD gemeinsam auf eine satte Mehrheit kämen. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieses Thema innerhalb der CDU deutlicher als bisher auf den Tisch kommt. Dass die Zeiten des Lagerdenkens (Mitte-Rechts gegen Mitte-Links) vorbei seien, ist zwar oft behauptet worden. Allerdings könnte das verheerende Ergebnis der explizit nach links offenen Brandenburgischen CDU auch in eine andere Richtung deuten.

Kein guter Tag für die FDP

Kein guter Tag war dieser 1.September für die FDP. Nach ersten Hochrechnungen reicht es weder in Sachsen noch in Brandenburg für einen Einzug in das jeweilige Landesparlament. Im Gegensatz zu den Grünen und der AfD gelingt es den Liberalen nicht, aus der Unbeliebtheit der Berliner GroKo Honig zu saugen. Zumal die FDP mit ihrer neuen Generalsekretärin Linda Teuteberg sogar eine Spitzenfunktionärin aus Brandenburg vorweisen kann. Mit anderen Worten: Die Liberalen kommen dauerhaft einfach nicht aus dem Quark. Und das liegt womöglich nicht nur daran, dass sie nach der zurückliegenden Bundestagswahl eine Jamaika-Koalition ausgeschlagen haben.

Die große Frage am heutigen Abend wird natürlich lauten: Was bedeutet das Ganze denn nun für die Fortsetzung der GroKo im Bund? Zwar hat die sächsische SPD trotz ihrer dortigen Regierungsbeteiligung und ihres allseits respektierten Spitzenkandidaten Martin Dulig ein historisch schlechtes Ergebnis geholt: 8 Prozent laut ersten Hochrechnungen. Aber das war von den Sozialdemokraten längst eingepreist worden, die wiederum in Brandenburg weiterhin den Regierungschef stellen werden. Ob das die Gemüter der Genossen beruhigen kann, wird sich zeigen. Die Eigendynamik der SPD lässt jedenfalls kaum noch Prognosen zu. Fest steht hingegen, dass die neue CDU-Chefin ihrer Partei bisher keinen Auftrieb verschaffen konnte. Der heutige Wahltag dürfte die Zweifel an Annegret Kramp-Karrenbauers Eignung als Kanzlerkandidatin der Union nicht ausgeräumt haben – im Gegenteil.

 

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