Corona-Lockerungen nach Ostern - Macht Tobias Hans das Saarland zum Versuchslabor?

Während der Bundesgesundheitsminister in Berlin vor dem Kollaps des Gesundheitssystems durch die dritte Corona-Welle warnt, denkt man in Saarbrücken über Lockerungen nach. Auch NRW wehrt sich gegen eine landesweite „Notbremse“. 

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans: Lockerungen nach Ostern? / dpa
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Im April, so befürchtete Jens Spahn am Freitag in Berlin, könne das deutsche Gesundheitssystem wegen der Ausbreitung des Coronavirus an seine Grenzen kommen. Die Schuld an dem rasanten Anstieg der Infektionszahlen gab der Gesundheitsminister in einer Pressekonferenz mit RKI-Chef Lothar Wieler wie auch schon die Kanzlerin in dieser Woche den Virusmutationen. „Der Effekt des Impfens wird durch die steigenden Infektionszahlen aktuell geschmälert“, so Spahn.

Eine einheitliche Pandemiebekämpfung von Bund und Ländern ist allerdings nicht in Sicht. So scheinen die Warnungen Spahns in einigen Bundesländern auf taube Ohren stoßen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will trotz einer landesweiten Inzidenz über 100 nicht die eigentlich mit der Bundesregierung vereinbarte „Notbremse“ ziehen. Lediglich in Kommunen, die den Grenzwert überschreiten, solle es wieder Schließungen geben. 

Lockerungen als Anreiz zum Testen

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans will nach Ostern Kinos, Fitnessstudios und die Außengastronomie wieder öffnen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass Personen, die die Freizeitangebote nutzen wollen, sich tagesaktuell testen lassen. Damit soll laut Hans auch ein Anreiz zum Testen geschaffen werden. Infizierte könnten so schneller entdeckt und in Quarantäne gebracht werden, um neue Ansteckungen zu vermeiden.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte sich kritisch zu solchen Modellversuchen: „Wir brauchen nicht wie bei ‚Jugend forscht‘ ausprobieren, was ich mit ein paar Tests hinbekomme und wie weit ich gehen kann, bevor mir das alles kollabiert“, sagte der Bundestagsabgeordnete in der Talkshow „Maybrit Illner“. Auch Susanne Johna, die Vorsitzende des Marburger Bundes, kritisierte den saarländischen Vorstoß. „Die dritte Welle ist bereits im vollen Gange. Ich sehe es kritisch, wenn mit dem Saarland ein zwar kleines, aber doch ganzes Bundesland einen Modellversuch durchführen will.“

Unterstützung für Hans

Tatsächlich hat das Saarland mit einer Inzidenz von 73,1 (Tendenz steigend) zwar verhältnismäßig geringe Infektionszahlen, doch wie der Rest der Republik befindet sich das Bundesland weit entfernt davon, unter eine Inzidenz von 50 zu kommen. Außerdem grenzt das Saarland direkt an Frankreich, das von Deutschland als sogenanntes „Hochinzidenzgebiet“ eingestuft werden dürfte, da es die Inzidenz von 200 überschreitet.

Für seinen Vorstoß erhält Hans allerdings auch Unterstützung. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landesberg, sagte im ZDF, die Lage sei zwar besorgniserregend, aber der saarländische Modellversuch sei „auf jeden Fall der richtige Weg.“ Auch der Virologe Martin Stürmer befürwortete im rbb-Inforadio, über Alternativen zum Lockdown nachzudenken, plädierte allerdings dafür, nicht gleich in einem ganzen Bundesland zu lockern. 

mn/dpa

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