Christian Lindner bei Caren Miosga - Jäger und Gejagte

Bundesfinanzminister Christian Lindner wird in der Talkshow von Caren Miosga nach seinem Durchhaltewillen in der Ampel befragt. Und die Antwort des FDP-Chefs ist vielsagend. Aber Vergleiche mit dem Bruch der sozialliberalen Koalition im Jahr 1982 hinken erheblich.

Christian Lindner bei Caren Miosga / Screenshot
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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„Zerbricht die Ampel am Geld, Herr Lindner?“ Wer auf diese titelgebende Frage der sonntäglichen Talkshow von Caren Miosga eine konkrete Antwort des Bundesfinanzministers erwartet hatte, muss schon sehr naiv sein. Denn natürlich setzt sich Christian Lindner nicht vor laufende Kameras, um sich in die eine oder in die andere Richtung festzulegen und damit seine künftigen Handlungsspielräume einzuengen. Deswegen war auch die Aufforderung einer Journalistin vom „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, der FDP-Chef möge sich doch bitte ausdrücklich dazu bekennen, diese Legislaturperiode bis zu ihrem regulären Ende mit SPD und Grünen weiter zu regieren, bestenfalls Wunschdenken. Denn natürlich würde Lindner lieber heute als morgen die Koalitionspartner wechseln. Das Problem ist nur: So einfach geht das nicht.

Die Parallelen zu 1982

Und damit wären wir auch schon bei einer historisch ähnlichen Situation, zu der jetzt immer wieder Parallelen gezogen werden: Das Ende der sozialliberalen Koalition im Jahr 1982, als das sogenannte Lambsdorff-Papier „für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ des damaligen FDP-Bundeswirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff den Bruch mit der SPD besiegelte. Auch damals war Deutschland unter Bundeskanzler Helmut Schmidt ökonomisch in schweres Fahrwasser geraten; Sozialdemokraten und Liberale hatten sich aber auch wegen Nachrüstungsfragen auseinandergelebt. Doch seinerzeit reichte es eben, mit der Union zusammenzugehen, um neue Mehrheiten im Bundestag zu haben und Schmidt als Kanzler ablösen zu können. Heute hingegen müssten (Stichwort „Brandmauer“ gegen die AfD) zumindest die Grünen mitmachen, um Olaf Scholz vorzeitig aus dem Kanzleramt vertreiben zu können. Danach sieht es derzeit aber nicht aus. Deswegen spricht Lindner so, wie er eben spricht.

Allerdings gab es aus seinem Munde dann doch einen bemerkenswerten Satz zu den Vorgängen der Jahre 1982 und 1983. Denn Lindner erinnerte daran, dass seine FDP damals ein hohes Risiko eingegangen war – welches sich durch den Machtwechsel prompt realisierte: Die Liberalen galten fortan als Wendehals-Partei, sie verloren außerdem zahlreiche (und auch namhafte) Mitglieder – und bei der vorgezogenen Bundestagswahl von März 1983 musste die FDP schwere Stimmeinbußen hinnehmen. Lindners Fazit mit Blick auf die gegenwärtigen Verhältnisse: „Die FDP hat gezeigt, dass sie für als richtig Erkanntes im Fall eines Falls sogar die eigene Existenz aufs Spiel setzt.“ In der Spieltheorie nennt man so etwas „Brinkmanship“ – also die strategische Drohung, notfalls bis zum äußersten zu gehen. Die Botschaft dürfte bei Scholz und Habeck angekommen sein.

Ein Brief vom Möbelhersteller

Ansonsten war leider nicht viel Neues zu erfahren in dieser Sendung. Am Anfang ging es um Lindners Hobby, die Jagd. Dann näherte die Moderatorin sich politischen Fragen an, insbesondere der, warum die FDP in den Umfragen so wenig Zustimmung erfährt. Man muss nicht Lindner sein, um die Antwort darauf zu kennen. Allerdings erwähnte dieser einen Möbelhersteller, der ihm unlängst einen Brief geschrieben und sich als FDP-Anhänger zu erkennen gegeben habe. Der Unternehmer forderte von „seiner“ Partei ein besseres Bekenntnis zur Freiheit und mehr Respekt vor Leistung und Eigentum ein. Lindner beteuerte zwar, dass genau dies zu seinen politischen Grundüberzeugungen gehöre, für die er jeden Tag eintrete. Aber die politischen Realitäten würden eben zu Kompromissen zwingen. Bis zu welchem Grad das funktionieren kann? Siehe den vorangegangenen Absatz.

Natürlich wurde der Bundesfinanzminister auch mit der Beobachtung konfrontiert, die FDP betreibe innerhalb der Ampel die Arbeit der Opposition. Woraufhin Lindner konterte, es seien ja wohl die Grünen, welche etwa die Bezahlkarte für Asylbewerber monatelang verhindert hätten. Ähnlich blieb auch das politische Gerangel mit dem Düsseldorfer VWL-Professor (und SPD-Mitglied) Jens Südekum im Rahmen des Erwartbaren. Es ging vor allem um die Schuldenbremse, die Südekum „reformieren“, Lindner hingegen beibehalten möchte. Die jeweiligen Argumente dürften weithin bekannt sein – wobei das gewichtigste fürs „Team Lindner“ darin besteht, dass mit neuen Schulden die strukturellen Probleme dieses Landes eher nochmal verkleistert würden, bevor künftige Generationen sie erben (die Probleme und die Schulden).

Format wirkt auserzählt

Fazit der Sendung: Nachdem inzwischen seit Start des Formats Friedrich Merz, Robert Habeck, Markus Söder, Annalena Baerbock und Bodo Ramelow zu Gast waren, ist mit Lindner die Runde der Großkopferten nun mehr oder weniger komplettiert worden. So richtig zündet das bisher alles noch nicht, spannend könnte es allenfalls noch werden, sollte die Redaktion sich trauen, auch mal eine hochrangige Vertreterin der AfD einzuladen. Oder einen Spitzenpolitiker aus dem Ausland. Ansonsten wirkt „Caren Miosga“ bereits jetzt ein wenig auserzählt.

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