CDU - Lammerts Giftpfeile

Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert soll laut Medienberichten prognostiziert haben, dass die Groko scheitern und die CDU die Neuwahlen ohne Angela Merkel antreten werde. Auch wenn er das dementieren ließ, steht die Bundeskanzlerin nun unter Druck

Norbert Lammert stand zwar immer hinter Angela Merkel, doch seine Loyalität tut seiner Unabhängigkeit keinen Abbruch / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Es ist nicht irgendwer, der sich in diesen Tagen zur Zukunft der Union und zur Zukunft von Angela Merkel geäußert hat, sondern ein CDU-Politiker, dessen Wort in der Partei und in der Öffentlichkeit Gewicht hat. Kein konservativer Jungspund ohne Erfahrung und ohne innerparteiliche Truppen, sondern ein altgedienter christdemokratischer Fahrensmann, auf den viele in der Partei hören. Einer, der seine aktive politische Karriere als Bundestagspräsident im vergangenen Herbst beendet hat und der allein deshalb seine Gedanken freier als in seiner aktiven Zeit formulieren kann. Einer, der trotz seiner Grundloyalität gegenüber der Kanzlerin, immer auf seine intellektuelle und politische Unabhängigkeit bedacht war und der vor kurzem auf seine alten Tage Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung geworden ist. Gegen den Willen der Kanzlerin.

Eine drastische Prognose soll Norbert Lammert in einer internen Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung formuliert haben, so berichtet es die Bild-Zeitung. Und auch wenn Lammert erst ziemlich weich und dann etwas härter dementieren ließ, dass die Worte so gefallen seien, werden diese als politische Giftpfeile ihre Wirkung entfalten.

Er gehe davon aus, dass die Verhandlungen über die Bildung einer Großen Koalition scheitern werden, soll Lammert der Bild-Zeitung zufolge gesagt haben und dass es anschließend Neuwahlen gebe, bei denen Merkel nicht erneut kandidieren werde. Nach Neuwahlen rechne er mit einer schwarz-grünen Bundesregierung. Keine Groko, Neuwahlen, ohne Merkel, Schwarz-Grün – vier Giftpfeile sind dies.

Merkel unter Zugzwang

Denn tatsächlich bedeuten die Worte des Ex-Bundestagspräsidenten, egal ob sie so oder so ähnlich gefallen sind, zweierlei:
Erstens erinnert Lammert Merkel daran, dass sie zwar den Auftrag hat, eine Regierung zu bilden, dass die Partei von ihr selbstredend erwartet, dass sie auch eine Regierung bildet, mit welchem Koalitionspartner auch immer. Doch zweitens sagt er durch die Blume: Glaube nicht, liebe Angela, dass du selbstverständlich davon ausgehen kannst, dass du Kanzlerin bleiben wirst, wenn du mit der Regierungsbildung scheiterst. Denn dann bist du an dem Regierungsauftrag der Wähler gescheitert und dann wird die CDU noch einmal darüber diskutieren wollen, welches die beste personelle Aufstellung für Neuwahlen ist. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen hatte Merkel ungefragt verkündet, dass sie selbstverständlich wieder als Kanzlerkandidatin antreten werde, sollte es zu Neuwahlen kommen. Diese Ankündigung hat Lammert mit seiner Prognose einkassiert.

Norbert Lammert setzt Angela Merkel also unter Druck und unter Zugzwang. Nur wenn sie die Union in die Große Koalition führt, bleibt sie in der CDU unangefochten. Was anders herum auch heißt: Die Große Koalition ist für Merkel eine politische Überlebensfrage.

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