Impulspapier zur Migration - SPD-Abgeordnete wollen Asylverfahren außerhalb der EU

In der SPD deutet sich eine migrationspolitische Kehrtwende an. Nun schlägt auch eine Gruppe von SPD-Abgeordneten um Lars Castellucci vor, was CDU-Politiker schon länger fordern: Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU zu verlagern.

Die tunesische Küstenwache fängt kleine Boote mit Migranten ab / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten jenseits der EU-Außengrenzen findet auch innerhalb der SPD immer mehr Unterstützung. Nachdem sich kürzlich der Bundestagsabgeordnete Kristian Klinck in einem Cicero-Gastbeitrag dafür ausgesprochen hat, fordern dies nun auch drei weitere SPD-Parlamentarier in einem „Impulspapier“ an die SPD-Bundestagsfraktion, das Cicero vorliegt.  

Lars Castellucci, Frank Schwabe und Fabian Funke schlagen darin die „Einrichtung von ,Migrationszentren‘ in sicheren Drittstaaten als Anker- und Anlaufpunkt für Schutzsuchende“ vor. Diese sollen „in in einer Kooperation aus UNHCR, EU und dem jeweiligen Drittstaat betrieben werden“. Erst nach Bearbeitung ihrer Anträge dort sollen asylberechtigte Migranten mit langfristigen Visa regulär und sicher in EU-Staaten einreisen dürfen. Ähnliches haben auch schon Unionspolitiker gefordert, zuletzt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, der in Düsseldorf mit den Grünen koaliert und bisher nicht als besonders engagiert in Sachen Migrationsbegrenzung aufgefallen ist.

Eine radikale Abkehr vom Koalitionsvertrag

Es sollen „Rückführungsabkommen“ mit Drittstaaten geschlossen werden, in denen diese sich verpflichten, „eine feste Anzahl an irregulär in die EU gelangte Personen aufzunehmen“, wo in den dort einzurichtenden Migrationszentren ihre Asylanträge bearbeitet werden. Allerdings soll niemand dort gegen seinen Willen festgehalten werden. „Der Drittstaat erhält dafür im Gegenzug u.a. Zuwendungen für seine Regionen und Kommunen, die die ,Migrations-Zentren‘ beherbergen. Auch Visa-Liberalisierung und vereinfachte EU-Arbeitsvisa für die Staatsbürger des Drittstaats sind denkbar.“

Die im Impulspapier konkret genannten Forderungen haben ganz eindeutig die Begrenzung der Zuwanderungszahlen zum Ziel. Aber die Autoren geben sich schon in der Überschrift („Schluss mit dem Massengrab Mittelmeer durch ein humanes und kontrolliertes Asylmanagement“) große Mühe, ihr Anliegen als ein humanitäres vorzustellen und im Einklang mit der bisherigen und im Koalitionsvertag festgehaltenen migrationspolitischen Linie der SPD.

 

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In einer Mail der drei Abgeordneten an die Fraktionsmitglieder heißt es, der im Koalitionsvertrag beschlossene „Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik“ sei richtig. Das ist eher verwirrend, denn dort wird eine durch und durch permissive Asyl- und Zuwanderungspolitik in Aussicht gestellt.

In dem Impulspapier stehen zwar viele Positionen, die nach einer Fortführung dieser bisherigen SPD-Asylpolitik klingen (zum Beispiel die Ablehnung von „Obergrenze“ und „Pushbacks“ und der Ruf nach solidarischer Verteilung). Aber die zentrale Forderung der drei Abgeordneten, Asylverfahren außerhalb der EU zu führen, ist faktisch eine radikale Abkehr vom Koalitionsvertrag. Das würde auch auf diesem zentralen Politikfeld eine Abwendung vom grünen Koalitionspartner zugunsten der Union bedeuten.

Soziale Konflikte durch massenhafte Asyl-Migration

Die im Impulspapier geforderten „Verbesserungen“ sollen offenbar einerseits als Fortsetzung dargestellt werden, andererseits aber wie eine Kehrtwende wirken. Dass eine Begrenzung der Zuzugszahlen notwendig ist, machen die drei Impuls-Autoren nur in wenigen Sätzen und eher indirekt klar, etwa wenn sie auf die sozialen Konflikte durch die massenhaften Asyl-Migration hinweisen: Es entstehe „ein im Kern vermeidbarer und selbst produzierter Konkurrenzdruck zwischen Schutzsuchenden und den Bürger:innen um öffentliche und soziale Infrastruktur“.

Direkte Zurückweisungen an den Grenzen, sogenannte Pushbacks, werden zwar von den drei SPD-Politikern abgelehnt. Aber letztlich wäre selbstverständlich durch die Einrichtung von Asylverfahren außerhalb der EU eine Voraussetzung für die Behörden der Einreiseländer geschaffen, illegal Einwandernde dann tatsächlich an den Grenzen abzuweisen, ohne sich dem moralisch-juristischen Vorwurf auszusetzen, das Recht auf Asyl zu hintertreiben.

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