BVerfG: Kein Geld für Klima statt Corona - Rote Karte für die Ampel

Die Ampelregierung hat eine krachende Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht erlitten. Dieses erklärte den Zweiten Nachtragshaushalt 2021 für eklatant verfassungswidrig. Ein Glaubwürdigkeitsproblem hat jetzt vor allem Finanzminister Lindner.

Finanzminister Christian Lindner / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bedeutet eine schwere Niederlage für die Bundesregierung. 197 Abgeordnete der Unionsfraktionen hatten gegen den Zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 geklagt, weil sie ihn für verfassungswidrig hielten. Die höchsten deutschen Richter gaben den Antragstellern recht. Sie erklärten das gesamte Gesetz für null und nichtig. Der Unionsabgeordnete Jens Spahn (CDU) spricht daher von einer „Vollklatsche für die Ampel“.

Konkret ging es dabei um die Umschichtung von 60 Mrd. Euro aus nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Seinerzeit konnte wegen einer „außergewöhnlichen Notsituation“ die in Artikel 115 Grundgesetz niedergelegte Schuldenbremse umgangen werden.

Als sich kurz nach der Regierungsbildung der Ampel im Herbst 2021 aber herausstellte, dass nicht genug Geld für die Vorhaben der „Fortschrittskoalition“ zur Verfügung stand, sollten die nicht in Anspruch genommenen Kreditermächtigungen des Jahres 2021 in das heutige Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ übertragen werden. Statt Corona- also Klimawandel-Bekämpfung.

Aus drei Gründen verfassungswidrig

Mit diesem unzulässigen Haushaltstrick wollte sich vor allem Finanzminister Christian Lindner (FDP) doppelt inszenieren: zunächst als jener Mann, der den deutschen Bundeshaushalt nach schweren Zeiten wieder unter das Regime der Schuldenbremse zwingt – und zugleich als Ermöglicher wichtiger Klimainvestitionen. Beides ist nun perdu.

Die Karlsruher Richter halten das Gesetz nämlich gleich aus drei Gründen für verfassungswidrig - und jeder Grund für sich hätte nach Ausführungen der Vorsitzenden des Zweiten Senates hingereicht, um das Gesetz zu Fall zu bringen:

  • Erstens habe das Parlament zwar einen weiten „Entscheidungsspielraum“, aber es müsse schon gut begründen, warum eine „außergewöhnliche Notsituation“ bestehe und warum zu deren Bewältigung ein Überschreiten der Schuldenbremse erforderlich sei. Bereits dies sei nicht gelungen.
  • Zweitens unterliege auch das „Staatsschuldenrecht“ dem Jährlichkeitsprinzip, das durch ein Sondervermögen nicht umgangen werden dürfe. Während die Kreditermächtigung in Höhe von 60 Mrd. Euro den Haushalt 2021 betreffe, hätte sich die Verausgabung der Mittel auf die Folgejahre bezogen. Das sei „unzulässig“, so die Richter.
  • Drittens werde auch das Prinzip der „Vorherigkeit“ verletzt. Der Zweite Nachtragshaushalt 2021 wurde nämlich erst im Jahr 2022 beschlossen – mit Rückwirkung für das Jahr 2021. Zeitreisen sind im Haushaltsrecht allerdings nicht erlaubt und deshalb verfassungswidrig.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist in einer Weise deutlich und die Rechtsbrüche durch die Bundesregierung derart elementar, dass sie nur durch eines zu erklären sind: dass den Spitzen der Ampel rechtsstaatliche Grundsätze mitunter weniger wichtig sind als ihre politischen Ziele. Das fällt vor allem auf den Finanzminister zurück. Die Begründetheit eines Haushaltsgesetzes, das Jährlichkeits- und das Vorherigkeitsprinzip sind nicht die Infinitesimalrechnung des Haushaltsrechts, sondern das Einmaleins. 

Die Rolle des BVerfG

Soweit das ganze Geld nicht ohnehin längst ausgegeben worden ist, muss sich die Bundesregierung nun andere Finanzierungsquellen suchen, die geplanten Projekte auf der Zeitachse strecken oder ganz streichen. Politisches Ungemach in der Ampel ist da programmiert. Dass es allerdings überhaupt soweit kommen konnte, dass bis zum heutigen Urteil auf der Grundlage eines verfassungswidrigen Gesetzes rechtswidrig Geld verausgabt wurde, dazu hat das Bundesverfassungsgericht selbst beigetragen.

Ende 2022 hatte es noch einen Antrag der Unionsfraktionen auf „einstweilige Anordnung“ zum Nichtvollzug des Gesetzes zurückgewiesen. In der Abwägung aller Umstände schien ihm dies damals zur „Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl“ noch geboten.

Gemeint war damit, dass ohne die von der Ampelregierung geplanten Förderprogramme die „Dekarbonisierung der Industrie“ Schaden erleiden und sich daraus möglicherweise ein „Wettbewerbsnachteil“ für die deutsche Industrie ergeben könne. Schon damals wunderten sich Insider über diese Begründung.

Da staunt der Fachmann

Mit der heutigen Entscheidung wird sie vollends unverständlich. Das nichtige Gesetz enthielt nicht im Ansatz die Chance, nicht verfassungswidrig zu sein. Trotzdem ermöglichte es Karlsruhe der Bundesregierung, ein ganzes Jahr lang Geld zu verausgaben – auf eklatant verfassungswidriger Grundlage, wie das Gericht heute selbst feststellte. Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich.
 

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