Bundesregierung präsentiert ihre Haushaltsmaßnahmen - Der Wort-Nebel des Grauens

In einem Papier zum Haushalt 2024 vernebelt die Bundesregierung ihre Einigung, indem sie echte Sparmaßnahmen mit ohnehin eintreffenden Mehreinnahmen, fragwürdigen Effizienzsteigerungsversprechen und Luftbuchungen vermischt.

Bundeskanzleramt im Nebel / dpa
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Die Gesetzentwürfe zur sogenannten Einigung der Koalitionsspitzen zum Bundeshaushalt 2024 sind auch in der Kabinettsitzung am heutigen Mittwoch noch nicht beschlossen worden. Das ist laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit erst für Januar geplant, nachdem die technische Umsetzung des Kompromisses im Finanzministerium erarbeitet wurde. 

Die Bundesregierung hat am Dienstag ein Papier mit der Überschrift „Ein Paket für zukunftsfeste Finanzen, soziale Sicherheit und Zukunftsinvestitionen“ veröffentlicht, in dem die Maßnahmen dargestellt werden, auf die sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor einer Woche verständigt hatten. Sie mussten nach dem Karlsruher Haushaltsurteil eine Finanzlücke von rund 30 Milliarden Euro im Kernhaushalt und im Klima- und Transformationsfonds stopfen. 

Die Maßnahmen werden da zwar eher vage mit nur je ein oder zwei Sätzen erklärt, aber die angeblichen „Einsparungen“ je Maßnahme schon quantifiziert. Dass diese Zahlen in mehreren Fällen ausgesprochen unsicher sind, ist nicht das einzig Fragwürdige an diesem Papier, das offenkundig für Journalisten verfasst wurde. Vor allem zeigt es in vielen Formulierungen, dass die Ampel erstens nicht zu grundlegenden Abstrichen an ihren Vorhaben, also nicht zu wirklich ernsthaften Einsparungen, die die Bezeichnung verdienten, bereit ist, und zweitens, dass sie eher am Vernebeln des Maßnahmenpakets als an einer offenen Darstellung interessiert ist. 

 

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Dass sich eine Bundesregierung gerne selbst in ein günstiges Licht rückt, ist legitim und verständlich. Aber es ist unaufrichtig, wenn sie zum Beispiel eine Maßnahme, die laut Koalitionsvertrag ohnehin schon geplant war, nun in diese Liste vermeintlich akuter Notmaßnahmen aufnimmt. Daran erinnert das Papier sogar selbst: „Zusätzliche Einnahmen in Höhe von bis zu 1,4 Milliarden Euro entstehen durch die Umlegung der Abführungen zur Plastikabgabe an die EU. Diese Kosten werden bisher von der Allgemeinheit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler getragen und sollen nunmehr – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – auf die Verursacher umgelegt werden.“

Einnahmen, die ohnehin anfallen

Dies steht übrigens unter der Zwischenüberschrift „Abschaffung klimaschädlicher Subventionen“, ebenso wie die seit Anfang der Woche wegen lautstarker Bauernproteste (und solcher des zuständigen Ministers Cem Özdemir) schon wieder zumindest für kleinere Landwirtschaftsbetriebe kassierte „Abschaffung der Begünstigung in der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft“, die „Mehreinnahmen“ von 480 Millionen Euro erzeugen soll. Plus weitere 440 Millionen für die „Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel“. Diese Bezeichnung der bisherigen Begünstigung als „klimafeindlich“ bedeutet wohl konsequent weitergedacht, dass Landwirte in der künftigen emissionsfreien „grün“ transformierten Zukunftswirtschaft auf elektrisch betriebene Traktoren umsteigen sollen. Die sind bislang aber noch kaum bewährt. 

Mehrere der aufgelisteten Maßnahmen sind überhaupt keine Maßnahmen, sondern betreffen Einnahmen, die ohnehin anfallen. Da heißt es zum Beispiel: „Bei den Versteigerungen der Flächen für Windenergie auf See sind unerwartet hohe Erlöse erzielt worden. Ein Teil dieser Mittel soll breiter genutzt werden für Maßnahmen des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.“ 

Annahmen „angepasst“

Ähnlich bequem macht es sich die Bundesregierung, indem sie einfach günstigere zinspolitische Rahmenbedingungen annimmt: „Annahmen für die Zinsausgaben des Bundes werden auf Basis des neuen Emissionskalenders und veränderter Zins- und Inflationsdaten an die im Vergleich  zur Aufstellung des Regierungsentwurfes veränderten Marktbedingungen angepasst (2,3 Milliarden Euro). Die Prognose für noch nicht abgerechnete Ausgaben des Wirtschaftsstabilisierungsfonds für das Jahr 2023 wird aktualisiert (400 Millionen Euro).“ Unverhofftes Glück, also eine Art „Notsituation“ mit anderem Vorzeichen, wird hier einfach unter Sparanstrengungen abgebucht. 

Die zweite Kategorie an Pseudo-Maßnahmen, die das Papier der Regierung in das „Paket für zukunftsfeste Finanzen“ einschmuggelt, sind Ankündigungen größerer Effizienz.  Zu letzteren gehört vor allem das Versprechen, oder wohl eher die Wunschvorstellung, „Geflüchtete“ besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren: „Der sogenannte Job-Turbo bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten wird ausgeweitet. Hierzu zählen insbesondere die erhöhte Kontakthäufigkeit, die frühzeitige Vermittlung in Arbeit und Sanktionen bei Pflichtverletzung.“ Wenn das möglich ist, warum, so sollte man sich fragen, ist das dann nicht schon längst geschehen? Hat die Bundesagentur für Arbeit also bisher geschlampt? Und wie kann die Bundesregierung bei solch einem Vorhaben, dessen Erfolg nicht garantierbar ist, weil er von zahllosen Unwägbarkeiten abhängig ist, pauschal behaupten: „Die Maßnahmen führen zu geringeren Ausgaben in Höhe von weiteren 500 Millionen Euro in 2024 …“?

Außerdem finden sich in dem Papier mehrere Ankündigungen, deren materieller Inhalt unklar bleibt (und das sicher nicht ohne Absicht). Zum Beispiel: „Die Wiederbeschaffungen durch die Bundeswehr für die an die Ukraine abgegebenen Waffen wird aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanziert. Dadurch können die ursprünglich vorgesehenen Mittel im Bundeshaushalt für die Ertüchtigung der Ukraine um 520 Millionen Euro abgesenkt werden.“ Oder: „Die Rücklagen der nicht vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts betroffenen Sondervermögen werden genutzt (ca. 3,2 Milliarden Euro).“ Offenbar handelt es sich hier um das, was Finanzmanager als kreative Buchführung oder Luftbuchung bezeichnen. Kein Euro wird hier jedenfalls weniger ausgegeben oder mehr eingenommen. 

Rentenbeiträge werden nicht sinken

Erstaunlicherweise bislang kaum öffentlich diskutiert wurde eine Sparmaßnahme im Rentensystem: „Der Bundeszuschuss an die Gesetzliche Rentenversicherung wird um 600 Millionen Euro reduziert.“ Was das konkret bedeutet für Rentner, bleibt unklar, statt einer Erklärung steht da: „Im Rahmen des Rentenpakets II, das im ersten Quartal 2024 beschlossen werden soll, wird ein Rentenniveau von 48 Prozent bis zum Jahre 2039 garantiert und das Generationenkapital zur Dämpfung von Beitragssatzsteigerungen eingeführt.“ 

Außerdem soll die Bundesagentur für Arbeit „einen teilweisen Ausgleich für die während der Corona-Krise erfolgten jährlichen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt“ leisten, also immerhin 1,5 Milliarden Euro rückerstatten. Dass dies letztlich die Beitragszahler, also alle Arbeitnehmer, früher oder später bezahlen werden, vernebelt das Papier der Bundesregierung gekonnt mit einem Satzungetüm: „Um den Beitragssatz mit Blick auf das Ziel des Rücklagenaufbaus stabil zu halten, wird gesetzlich festgelegt, dass die durch eine Verordnung mögliche Beitragssatzsenkung nur dann möglich ist, wenn die Rücklage im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit eine angemessene Mindesthöhe in Prozent des BIP aufweist.“ Kurz und unvernebelt heißt das: Die mögliche Beitragssatzsenkung wird ausfallen.   
 

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