Berliner Bürgermeisterwahl - Herr Wegner von der CDU

CDU-Kandidat Kai Wegner will Regierender Bürgermeister von Berlin werden. Doch seine Chancen bei der Abgeordnetenhauswahl im September sind denkbar gering.

Will Kai Wegner wirklich Berlins Bürgermeister werden? / Nikita Teryoshin
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Die gute Nachricht zuerst: Der Mann, der Berliner Bürgermeister werden will, atmet. So sagt er es in einem Wahlspot. Man sieht Kai Wegner, wie er sich vor dem Roten Rathaus postiert und so lässig an den Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt vorbeiflaniert, wie das im Anzug eben geht.

Man sollte vermuten, Atmen sei selbstverständlich, sogar für den Spitzenkandidaten der CDU, die in der Hauptstadt kaum wahrgenommen wird, seit Eberhard Diepgen das Bürgermeisterbüro 2001 für Klaus Wowereit (SPD) räumte. Doch Atmen ist für Wegner kein Selbstzweck. Wenn er im Spot davon spricht, redet er von Berlin. Er atme Berlin. Er lebe Berlin. Er liebe Berlin. 

Farbloser Kandidat

Der Slogan klingt, als hätten sich Werber nächtelang den Kopf zerbrochen, wie sie einem farblosen Kandidaten ein glaubwürdiges Image verpassen sollen. Aber die Liebe zu Berlin allein wird nicht ausreichen, um am 26. September ins Rote Rathaus einzuziehen. In acht Monaten haben den Spot auf Youtube knapp 300 Menschen gesehen. Und das, obwohl hinter Wegner der Parteiapparat der vielleicht einzigen übriggebliebenen Volkspartei steht.

Oder liegt es gerade am Stallgeruch der Berliner CDU? Die ist auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Partei des alten Westens, regiert von den mächtigen Westberliner Kreisverbänden. 

Wegner ist gebürtiger Spandauer. Er war 17, als er der Jungen Union beitrat. Seit 2019 leitet er den Landesverband, und er sitzt als baupolitischer Sprecher für die CDU im Bundestag. „Kleingarten-Kai“, wie der Versicherungskaufmann vom Tagesspiegel spöttisch genannt wurde, gilt als fleißig und freundlich. 

Sturz Grütters

Es sind keine Eigenschaften, die ihn zum Spitzenkandidaten prädestinieren. Charismatischere Figuren wie der Anwalt Burkard Dregger, Sohn des langjährigen Union-Fraktionschefs Alfred Dregger, oder Berlins ehemaliger Sozialsenator Mario Czaja hatten gegen ihn aber keine Chance. Dem einen fehlte die Hausmacht, der andere kommt aus Ostberlin. Auch Wegner selbst, so hört man in der CDU, soll nicht Hurra gerufen haben, als er als Spitzenkandidat vorgeschlagen wurde.

Die Weichen dafür hatte er 2019 selbst gestellt, als er Monika Grütters als Landes­chefin stürzte. Als Kulturstaatsministerin hatte sie die Basis vernachlässigt. Dass er sich um den Job des Spitzenkandidaten dann doch nicht gerissen hat, dürfte eher private Gründe haben. 

Klein neben Giffey und Jarasch

Mit 48 ist er gerade zum dritten Mal Vater geworden. Er erzählt es im Interview in der CDU-Wahlkampfzentrale in Charlottenburg eher beiläufig. Dass er sich den Knochenjob als Spitzenkandidat jetzt trotzdem zumutet, rechnen ihm Weggefährten hoch an. Seine Kritiker sagen, Wegner sei chancenlos. In Umfragen steht die CDU bei den 17 Prozent, die sie 2016 erreichte.
Die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch stehen bei 25 Prozent und werden sich den Koalitionspartner wohl aussuchen können. Die CDU scheidet da schon allein wegen ihrer Autofahrer-freundlichen Verkehrs­politik aus. Wegner bleibt nur die SPD. Die konnte mit Franziska Giffey an der Spitze zuletzt deutlich zulegen. Bei Themen wie der Inneren Sicherheit gibt es in der Hauptstadt eine deutliche Schnittmenge von CDU und SPD. 

Wegner sagt, er komme mit beiden Frauen gut aus, kämpfe aber um das stärkste Ergebnis, „damit uns Berlinern eine Fortsetzung der R2G-Tragödie erspart bleibt“. Die Leute seien die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner leid. Es sind markige Worte. Immerhin dürften ihn heute mehr Berliner kennen als die 39 Prozent vom Oktober 2020. Aber bislang hat Wegner nicht mal ein Wahlprogramm. Das will er im Dialog mit den Bürgern erarbeiten. In seinem Wahlspot wirbt er für eine „starke Wirtschaft, bezahlbaren Wohnraum, ein sicheres und sauberes Berlin“. 

Prinzip Hoffnung

Wie will er Leute außerhalb der klassischen CDU-Wählerschaft erreichen? „Gerade in den Entwicklungsbereichen Pankow oder Treptow-Köpenick haben wir unglaublich viel Potenzial für bürgerliche Wähler, die sich auch von rot-rot-grün abgehängt fühlen“, sagt Wegner. 

Vier Jahre lang hätte er Zeit gehabt, die desaströse Politik des Senats anzuprangern. Mit dem gescheiterten Mietendeckel hat Rot-Rot-Grün ihm mitten im Wahlkampf ein Geschenk gemacht. Doch auch diese Steilvorlage ließ er sich entgehen. Stattdessen Schulterzucken. Er sagt, die CDU habe doch schon vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen geklagt. 

Wegner gibt sich trotzdem zuversichtlich. Das Abgeordnetenhaus wird am selben Tag gewählt wie der Bundestag. Er setzt darauf, dass sich der Wind im Bund dreht und die Berliner CDU davon profitiert. Es ist das Prinzip Hoffnung.
In der Hauptstadt spricht man von Berliner Luft.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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