Machtkampf in der Berliner CDU - Der Intrigantenstadl

Berlin versinkt im Chaos, doch aus Krise der rot-rot-grünen Regierung kann die CDU kein Kapital schlagen. Jetzt ist in der Partei ein Machtkampf um den Landesvorsitz zwischen Monika Grütters und Kai Wegner entbrannt. Doch auch andere prominente Namen könnten noch ins Spiel kommen

Zwei, die nicht mehr miteinander können: Monika Grütters und ihr Herausforderer Kai Wegner / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Der Mann, der angetreten ist, Berlins CDU zu retten, scheint genau zu wissen, woran es seiner Partei mangelt. Die CDU, sagt Kai Wegner mit Blick auf die  mickrigen Umfrage-Ergebnisse für seine Partei, brauche „Metropolen-Kompetenz“. Kai, wer? Nun, zumindest in Berlin ist Wegner kein Unbekannter mehr. Es ist noch nicht einmal drei Jahre her, da musste er seinen Posten als Generalsekretär der Berliner CDU räumen, weil Monika Grütters, die damals designierte Parteichefin, loswerden wollte. Jetzt ist Grütters Kulturstaatsministerin und Landesvorsitzende der CDU, und „Kai aus Spandau“, wie er in Berlin genannt wird, will Grütters stürzen. Ein Racheakt? Nein, so denke er nicht, beteuerte er in einem Interview mit der Berliner Morgenpost„Ich kandidiere für etwas, nicht gegen jemanden.“  Es gehe ihm nicht Eitelkeiten oder Karriereplanung“, sondern darum, der CDU ihren Stolz und ihre Zuversicht zurückzugeben.“ 

Opposition, welche Opposition? 

Der Machtkampf in der Partei spiegelt nicht nur die Krise der Berliner CDU. Er ist auch symptomatisch für die Hauptstadtpolitik. Berlin wächst, in ein paar Jahren könnte die Hauptstadt die Vier-Millionen-Marke knacken. Doch der rot-rot-grüne Senat bekommt die Probleme der boomenden Stadt nicht in den Griff. Es fehlen Wohnungen und Schulen, die Staus in der Stadt werden immer länger, der Naheverkehr bricht regelmäßig zusammen. Die Rathäuser stehen vor dem Kollaps. Eigentlich bräuchte die Stadt einen Plan zur Entwicklung der wachsenden Stadt. Aber die rot-rot-grüne Regierung hat keinen. Die Koalitionspartner stehen sich gegenseitig im Weg.

Und was macht die Opposition? Man könnte fast den Eindruck haben, es gibt sie gar nicht. Laut Umfragen kommen die drei Regierungsparteien stabil auf knapp 60 Prozent, wobei die Grünen unter den drei Parteien derzeit die stärkste sind. Die Opposition hingegen kommt zusammen nur auf 40 Prozent, eine Mehrheit jenseits von Rot-Rot-Grün ist also nicht in Sicht. Dafür gibt es Gründe. Die AfD ist im politischen Alltag ein Totalausfall, die FDP eine One-Man-Show, die vor allem gegen die Schließung des Flughafens Tegel kämpft. Ein Kampf, der längst verloren ist. Und die CDU? Die hat zuletzt mit der Forderung nach mehr Video-Überwachung und Protesten gegen ein Tempolimit 30 auf einigen Berliner Hauptstraßen von sich reden gemacht. Ihren Masterplan Wohnen“ kennen nur Insider. Die Partei tut das, was sie seit zwei Jahrzehnten am liebsten tut: Sie streitet sich, spinnt Intrigen und demontiert ihr Spitzenpersonal. Seit vergangener Woche tobt in der Berliner CDU ein neuer Machtkampf.

Spandau ist nicht Berlin 

Dass ausgerechnet Kai Wegner der Partei zu neuer Stärke verhelfen will, hat nicht nur Parteifreunde befremdet. Handelt er aus eigenem Antrieb, oder steckt hinter seiner Kampfansage an Grütters möglicherweise noch ein anderer Plan? Wegner ist Großstadtbeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Schon vor fünf Jahren hatte er in einem Strategiepapier festgestellt, die CDU sei in Großstädten nicht attraktiv. Es gelinge ihr nicht, das urbane Lebensgefühl glaubwürdig zu repräsentieren. Getan hat sich in der Berliner CDU seither nichts – außer, dass sie den Anschluss an das Lebensgefühl vollständig verloren hat – und zwar gleichermaßen an die jungen, urbanen Hipster, die von einer autogerechten Stadt nichts mehr wissen wollen, sowie an die sozial Abgehängten, die unter den hohen Mieten ächzen und immer weiter an den Stadtrand gedrängt werden.

Es entbehrt nicht der Ironie, wenn Wegner jetzt fordert, dass die CDU zurück in die Stadtgesellschaft müsse – in die Polizeigewerkschaft, die Kleingartenvereine und die Wirtschaftsverbände. Ist das das neue Berlin, von dem Wegner spricht? Oder hat er nicht eher sein persönliches Berlin vor Augen, den Stadtteil Spandau? Ist also der Großstadtbeauftragte in Wirklichkeit ein Kleinstadtbeauftragter? Bei der Abgeordnetenhauswahl 1999 erzielte die CDU noch 40,8 Prozent, inzwischen kann sie froh sein, wenn sie bei der nächsten Wahl noch die Hälfte erreicht. 

Dabei steht die Berliner CDU mit ihrem Problem mit den großstädtischen Wählern nicht mal allein. In vielen Großstädten hat die CDU in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Anschluss an das urbane Lebensgefühl verloren, nur noch in drei der zwanzig größten deutschen Städte stellt sie den Oberbürgermeister – vor zwanzig Jahren war es noch zehn. Ihre Schwesterpartei CSU hat zuletzt bei der bayerischen Landtagswahl sogar ein Desaster erlebt, stattdessen wurden die Grünen mit 31,1 Prozent in der bayerischen Landeshauptstadt stärkste Partei. In Hamburg steht die Partei nur noch bei 15 Prozent, dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Partei in der Hansestadt 2004 unter Ole von Beust die absolute Mehrheit erzielte.

Monika Grütters, die Alibi-Liberale 

In der intrigen-erfahrenen Berliner CDU wird jetzt erst einmal durchgezählt, in den Ortsvereinen und den Bezirksverbänden. Posten werden versprochen und innerparteiliche Karieren ausgelotet. Die Konservativen scharen sich um Wegner und die Liberalen um Grütters, wobei die Zuordnung zu den Seilschaften nicht immer einfach ist. Häufig kämpft in der Berliner CDU der innerparteiliche Klüngel gegeneinander, um Politik oder um Ideen für die Stadt geht es dabei nur am Rande. Zuletzt lieferten sich die Christdemokraten im Bezirk Reinickendorf einen erbitterten Machtkampf um den Kreisvorsitz. Der Bundestagsabgeordnete Frank Steffel zog dabei den kürzeren. Im Bezirk Zehlendorf kam es 2017 bei einer Mitgliederbefragung zur Direktkandidatur für den Bundestag sogar zur Fälschung von Wahlzetteln. 

Grütters ist seit Ende 2016 Berliner Landesvorsitzende. Sie wurde an die Spitze der Partei gewählt, nachdem die Partei bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 auf 17,6 Prozent abgestürzt war. Die Merkel-Vertraute aus dem Kanzleramt sollte der Partei zu einem neuen, liberaleren Image verhelfen und den Weg für ein schwarz-grünes Bündnis in der Hauptstadt bahnen. Kritiker hingegen werfen ihr vor, sie habe sich in den vergangenen drei Jahren zu viel um die große Kultur gekümmert und zu wenig um ihren Landesverband. Für viele Berliner ist sie ohnehin nur eine Alibi-Liberale an der Spitze des christdemokratischen Intrigantenstadls. 

Und auch jetzt wird in der Berliner CDU eifrig darüber spekuliert, wer der eigentliche Nutznießer des von Wegner angezettelten Machtkampfes sein könnte, für wen er den Weg freiräumt. Denn seit Wegner 2016 seinen Posten als CDU-Generalsekretär der Berliner CDU räumen musste, hat er sich nur noch selten zu landespolitischen Themen geäußert. 

Kommt Friedrich Merz nach Berlin? 

Eines hat Wegner bereits klargestellt: Er will zwar Parteichef werden, aber 2021 nicht Spitzenkandidat der Berliner CDU – und damit auch nicht Regierender Bürgermeister. Großzügig hat Wegner seiner Konkurrentin Monika Grütters angeboten, sie könne auch dann Spitzenkandidatin werden, wenn sie den Machtkampf um den Parteivorsitz verliere. Nur ist das kaum vorstellbar. Weil Friedrich Merz in dieser Woche bei der Berliner CDU zu Gast war, gilt er schon als möglicher Spitzenkandidat, aber die Allzweckwaffe der Konservativen in der CDU ist politisch und mental weit weg von Berlin. Hoffnungen auf die Spitzenkandidatur machte sich bislang auch der CDU-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Burkhard Dregger, doch der gilt in den innerparteilichen Ränkespielen als Grütters-Mann. So wird in der Berliner CDU darüber spekuliert, ob der ehemalige Sozialsenator und Fraktionsvize Mario Czaja 2021 Spitzenkandidat werden könnte oder vielleicht doch der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Justizsenator Thomas Heilmann. Der ehemalige Miteigentümer der Werbeagentur „Scholz & Friends“ gilt als ehrgeizigster und eifrigster Strippenzieher der Berliner CDU. 

Egal, wie der Machtkampf zwischen Grütters und Wegner ausgeht, einfacher wird es für den zerstrittenen Landesverband nicht. Bis die CDU wieder eine attraktive Großstadtpartei ist und den rot-rot-grünen Senat in Berlin ablösen kann, ist es in jedem Fall noch ein weiter Weg. Wie schrieb Kai Wegner in dem Strategiepapier von 2014? Um neue urbane Wählerschichten von der CDU zu überzeugen, brauche die Partei neben dem „Zusammenspiel von liberaler Gesellschaftspolitik und konsequenter Ordnungspolitik mit sozialer Flankierung“ vor allem „authentische Köpfe“. Derzeit hat die Berliner CDU weder das eine noch das andere. 

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