Laschet bei Lanz - Der Steinbrück der CDU

Es war ein denkwürdiger Auftritt von Armin Laschet am Dienstagabend in der Talkshow von Markus Lanz. Der CDU-Chef steht unter ungeheurem Druck, das ist offensichtlich. Sein Umgang mit diesem Druck wirkt jedoch alles andere als souverän.

Ein langgezogenes "Nein" war oft das einzige, was Armin Laschet Markus Lanz entgegnen konnte / Screenshot ZDF
Anzeige

Autoreninfo

Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

So erreichen Sie Marko Northe:

Anzeige

Auch Politiker sind nur Menschen. Und oft genug sind sie Menschen, die unter großem öffentlichen Druck stehen – das sieht man gerade jetzt in der Corona-Pandemie sehr deutlich. Da ist es von Vorteil, sich zumindest nach außen hin eine stoische Gelassenheit angedeihen zu lassen, ruhig und gelassen zu bleiben, gerade wenn es brenzlig wird. Die Kanzlerin hat diesen Stoizismus perfektioniert, keine Anfeindung, die nicht an ihr abperlt, keine Frage, die sie nicht im Diffusen versanden lassen kann.

Das kann man kritisieren, aber es ist ein Erfolgsrezept, das Angela Merkel nun schon seit knapp 16 Jahren im Kanzleramt weilen lässt. Ihre Vorgänger Gerhard Schröder und Helmut Kohl reagierten nicht immer gleich gelassen, doch auch sie verstanden es, eine gewisse Souveränität der Macht auszustrahlen. Ob Merkels potenzieller Nachfolger Armin Laschet das gleiche Talent besitzt, ist spätestens nach der gestrigen „Markus Lanz“-Sendung zu bezweifeln. 

Unter Druck

Laschet, keine Frage, steht unter enormen Druck, parteipolitisch, weil sich seine CDU, deren Führung er gerade erst übernommen hat, in Affären verstrickt und in Umfragen in den Keller rutscht. Als Ministerpräsident, weil er seit mehr als einem Jahr eine Pandemie bekämpfen muss, die alle anderen Themen in den Hintergrund rücken lässt und bei der jeder Politiker früher oder später mal einen Fehler macht, der von Medien und Kritikern ausgeschlachtet wird. 

Laschet steht aber auch unter Druck, weil Angela Merkel ihn vor einem Millionenpublikum kritisiert hat, am Sonntag in der Talkshow „Anne Will“. Und weil sein unionsinterner Konkurrent um die Kanzlerkandidatur, Markus Söder, gemütlich von München aus zusehen kann, wie Laschet strauchelt. Es sind keine einfachen Zeiten für Armin Laschet.

Laschet wirkte unvorbereitet

Das nutzt ein gewiefter Moderator und Journalist wie Markus Lanz natürlich aus, und das sollte man als Spitzenpolitiker auch wissen, bevor man sich in seine Talkshow setzt. Höchst naiv wäre es jedenfalls, wenn Laschet und seine Berater geglaubt hätten, dass das am Dienstagabend ein gemütlicher Plausch über sein Programm für die Bundestagswahl werden würde, das der CDU-Chef zuvor am Nachmittag in Berlin vorgestellt hatte.

Doch Laschet wirkte völlig unvorbereitet auf die knallharten Fragen von Lanz zu seiner öffentlichen Düpierung durch die Kanzlerin, ja mehr noch, er wirkte vom ersten Moment an angefasst, beleidigt, kurz angebunden. Zunächst versuchte Laschet noch, die Verantwortung für Merkels Kritik an ihm auf die Moderatorin Anne Will abzuschieben. „Journalistisch okay“, nannte der NRW-Ministerpräsident das. Sie habe drei Mal sehr geschickt nachgehakt und daraus sei Merkels „Ja“ auf die Frage, ob Laschet gegen die mit ihr vereinbarte Notbremse verstößt, entstanden.

„Ich hab mich nicht gefreut“, entfuhr es irgendwann dem CDU-Vorsitzenden auf wiederholte Nachfragen, was er von Merkels Auslassungen halte. Zuvor hatte Laschet noch versucht zu beschwichtigen, dass er zu Merkel ein gutes Verhältnis habe, dass sie noch an dem Tag miteinander gesprochen hätten, dass es nur um Meinungsunterschiede in Detailfragen ging. Doch mit jeder Nachfrage wurde Laschet wütender. Was Merkel sich dabei gedacht habe? „Ja, dann laden Sie sie doch ein!“ 

Eine penetrante Interviewstrategie

Laschets häufigstes Wort im Gespräch mit Lanz, ein langgezogenes „Nein“, folgte stets auf eine kurze Pause, in der der CDU-Chef wirkte, als wolle er dem ZDF-Moderator am liebsten an die Gurgel springen. Um fair zu bleiben: Lanz hat eine penetrante Interviewstrategie, die aus einem Stakkato aus nervenden Nachfragen und Unterbrechungen besteht sowie aus der Einbeziehung von Sparringspartnern, gestern die Journalistin Helene Bubrowski und der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Aber diese Strategie ist bekannt. 

„In München sitzt einer, der riecht das, wenn einer angeschossen ist“, wies Lanz Laschet auf seinen Konkurrenten Söder hin. Laschets Entgegnung war, obwohl er vorher ausdrücklich sagte, er wolle sich an unionsinternen Sticheleien nicht beteiligen: „Ja, das ist auch nicht angemessen. Wenn die CSU die Kanzlerin immer so gut behandelt hätte, wie die CDU-Landesverbände und ich das getan haben, wäre uns Manches erspart geblieben.“ Ein Satz, der den ganzen Frust des einstigen Merkel-Zöglings deutlich machte.

Schlagabtausch auf Kindergartenniveau

Wie gesagt, Laschet ist auch nur ein Mensch und er steht unter enormen Druck. Doch es ist wieder einmal eine Situation gewesen, von denen es im letzten Jahr – man denke an den Fall Tönnies und Laschets teils unbedachte, teils genervte Äußerungen dazu – einige gegeben hat, die Zweifel daran lassen, ob er stressresistent genug für das Kanzleramt ist. Denn dort werden ihn nicht nur Journalisten piesacken, man stelle sich nur Verhandlungen mit anderen Staatschefs, mit Konzernen und Lobbyisten vor. Laschets bissig-beleidigte Art, sobald er in die Ecke gedrängt wird, zeugt wenig von Souveränität.

Auch seine Versuche, sich herauszuwinden, sobald ihm seine Widersprüchlichkeiten aufgezeigt werden, sind alles andere als souverän. Angesprochen darauf, dass er laut seiner programmatischen Rede vom Nachmittag die Bundesrepublik in einem schlechten Zustand sieht, aber selber schon länger in Regierungsverantwortung ist und die von ihm gelobte Kanzlerin seit 16 Jahren ebenso, sagte Laschet: „Das hat doch damit nichts zu tun.“ Lanz: „Doch.“ Laschet: „Nein.“ Ein Schlagabtausch auf Kindergartenniveau, aus dem der CDU-Chef nicht gerade als Sieger hervortrat.

Laschet macht zunehmend den Eindruck der letzten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz und Peer Steinbrück. Dünnhäutig, angezählt, beleidigt. Er befindet sich parteiintern womöglich auch schon in einer ähnlichen Situation. Nur einen Unterschied gibt es: Laschet ist noch nicht einmal zum Kanzlerkandidaten gekürt worden.

Anzeige