Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer - Auch „AKK“ ist kein „Weiter so“

Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue Parteivorsitzende der CDU, gilt als Vertraute von Angela Merkel. Doch auch sie wird wissen, dass es mit dem Kurs der Kanzlerin nicht mehr weitergeht. „AKK“ muss die Konturen der Partei wieder schärfen. Friedrich Merz hat die Chance dazu vertan

Annegret Kramp-Karrenbauer: Vor einer riesengroßen Aufgabe / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die Wiederaufstehung der CDU nach einer am Ende bleiernen Zeit hat an einem nasskalten Dezembernachmittag in Hamburg stattgefunden. Es ist eine Wahl für eine neue Parteivorsitzende, Annegret Kramp-Karrenbauer, die selbst von dieser „bleiernen Zeit“ in den vergangenen Jahren gesprochen hat. Sie muss nun auch die Hoffnungen der Anhänger des denkbar knapp unterlegenen Friedrich Merz zufrieden stellen. Denn diese Wahl ist deshalb nicht nur die Wahl einer neuen Parteivorsitzenden. Es ist auch die Abwahl einer Merkel-CDU, die in den vergangenen Jahren den Kurs bestimmt hat. Für Angela Merkel hat diese Botschaft am Tag ihres Abschieds vom Parteivorsitz eine bittere Note. 

Eine Renaissance, keine Restauration

Dieser Wahlausgang ist das Ergebnis einer schleichenden Auszehrung der CDU in den vergangenen Jahren. Immer mehr fragte sich diese Partei: Wer bin ich eigentlich? Was sind meine Grundwerte, was sind meine Grundüberzeugungen? Und wofür bin ich da, außer für den Machterhalt der Kanzlerin? Weil solche Fragen irgendwann an die Identität gehen, und weil sich diese Fragen auch immer mehr Wählerinnen und Wähler gestellt haben, sank die Partei in Wahlen und Umfragen auf nie dagewesene Tiefpunkte. Merkel hat für die CDU vier Kanzlerschaften geholt, die letzte mit Hängen und Würgen und drei davon nur mit der Option, die immer geht: Große Koalition. Sie hat aber auch zwei der drei schlechtesten Bundestagswahlergebnisse der Geschichte für die CDU zu verantworten. 

Es ist eine Renaissance, keine Restauration, die von diesem Parteitag und dem Führungswechsel ausgehen wird. Der unterlegene Friedrich Merz hatte in einer für seine Verhältnisse unterdurchschnittlichen Rede mit Verve vorgetragen, dass man bessere Wahlergebnisse als CDU nur erzielen kann, wenn man selbst klare Positionen eingenommen hat. Die waren der CDU aber zuletzt immer mehr abhanden gekommen. Alles schien zur Disposition stehen zu können. Die Wehrpflicht, und im Zweifel auch die kurz zuvor noch bekräftigte Unterstützung der Atomkraft mit deren Laufzeitverlängerung. Der Appell von Friedrich Merz gilt auch bei einer Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer.

Der Wendepunkt für Merkel bleibt die Flüchtlingspolitik

Dreh- und Angelpunkt, oder genauer gesagt, Wendepunkt der Merkelschen Kanzlerschaft und damit auch ihrer Machtbasis als Parteivorsitzende aber ist und bleibt und wird bleiben: die Flüchtlingspolitik aus den Jahren 2015 und 2016. Im Juli 2015 stand die CDU noch bei 41,5 Prozent in den  Umfragen, vor Merkels Verzicht auf den Parteivorsitz im Nachgang eines schlimmen Wahlergebnisses bei der Landtagswahl in Hessen fand sich die CDU bei 25 Prozent wieder. 

Schon nach ihrer Ankündigung des Verzichts stiegen diese Zahl wieder markant an. Das signalisierte schon: Merkel war selbst mit Kanzlerbonus zum existenziellen Problem der Volkspartei CDU geworden. Bei einer ihrer jüngsten Fernsehauftritte, bei Markus Lanz, hat AKK nicht ohne Grund bekundet, dass über diese Flüchtlingspolitik von 2015 und 2016 innerhalb der Partei noch einmal offen geredet werden muss. Sie weiß, dass das vielen in der Partei auf der Seele lastet. 

Riesengroße Aufgabe für „AKK“ 

Der Verlauf der Veranstaltung in Hamburg war bemerkenswert: Bis zu den Reden der drei Bewerber hatte sich vor allem unter dem Eindruck des geselligen Vorabends ein kleiner Startvorteil für Friedrich Merz abgezeichnet. Offenbar war es aber so, dass tatsächlich viele der 1001 Delegierten ohne eine ganz festgefügte Wahlentscheidung an die Elbe gereist waren. Den Ausschlag könnte gegeben haben, dass Annegret Kramp-Karrenbauer für ihre Verhältnisse eine sehr gute und emotional ans Herz der Partei andockende Rede gehalten hat, Friedrich Merz aber eine für seine Möglichkeiten schwache Rede, die obendrein wenig für einen Parteitag geeignet schien. Es war eine Staatsrede und keine Parteirede. Er hat an den Herzen der Delegierten weit vorbeigeredet.   

Die Aufgabe, die auf die von Wuchs kleine neue Parteivorsitzende zukommt, ist riesengroß. Angela Merkel hat als grün gesinnte, sozialdemokratisch agierende CDU-Kanzlerin ein großes parteiloses Omelett angerichtet, in dem die Bestandteile nicht mehr zu erkennen sind. Sie hat darüber hinaus auf diese Weise der AfD den Boden bereitet, ja diesen nachgerade mit einem Turbodünger versehen. Mit diesem Neuanfang an der Spitze der CDU verbindet sich damit eine Chance und eine Hoffnung, die weit über die Grenzen der CDU hinaus Bedeutung hat. „Richtungswahl für die Republik" haben wir deshalb auf dem Cover der aktuellen Cicero-Ausgabe getitelt. Der Neuanfang der CDU, eine Rückbesinnung dieser Partei auf sich selbst, ein schärferes liberal-konservativeres Profil, eine Abkehr von der asymmetrischen Demobilisierung des Gegners: All das bietet die Chance, dass die SPD sich von dieser CDU wieder schärfer abgrenzen kann und damit der Kern des parteipolitischen Streits wieder von den Rändern in die Mitte von CDU und SPD verlegt wird. Am besten, indem die Quälerei der Großen Koalition bald ein Ende hat. Denn wenn sich zwei konturlos gewordene große Parteien zu einer die Konturen abermals verwischenden Koalition zusammenschließen, dann hat das am Ende demokratiezersetzende Folgen. 

Wie unter Merkel geht es nicht mehr

Aus einem Ohnmachtsgefühl gegen eine Merkel-geführte Größtkoalition, die sich bis weit in die grüne Opposition hinein erstreckt, hat sich die AfD als politische Kraft in Deutschland in allen Landesparlamenten und im Bundestag etabliert. Die Aufgabe, der CDU wieder mehr innere Identität zu geben und sie wieder schärfer zu konturieren, diese Aufgabe wird auch auf die Person zukommen, die dafür nicht unbedingt steht. Die aber trotzdem wissen wird, dass sie nicht wie Merkel weitermachen kann. 

Erst recht, weil das Ergebnis so haarscharf war, dass sie als neue Parteichefin den unterlegenen Flügel der Wertkonservativen dringend für sich einnehmen muss. Womöglich tut sie es schon mit ihrem Vorschlag eines neuen Generalsekretärs als eigenen Nachfolger.

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