AKK bei „Anne Will“ - Die Neue kann auch austeilen

Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer stellte sich bei „Anne Will“ der Frage, ob sie wirklich für eine Neuausrichtung der CDU steht oder ob sie die Politik Merkels fortsetzt. Neue Erkenntnisse gab es kaum, doch AKK konnte an ihre rhetorische Leistung vom Parteitag anknüpfen

„Ich bin nicht das pure Weiter so. Die Reformagenda wird kommen“, kündigte AKK an / Screenshot Ard Mediathek
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Ulrich Thiele ist Politik-Redakteur bei Business Insider Deutschland. Auf Twitter ist er als @ul_thi zu finden. Threema-ID: 82PEBDW9

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Denkbar knapp wurde Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) also auf dem historischen Parteitag in Hamburg zur neuen CDU-Vorsitzenden gewählt und setzte sich mit 517 zu 482 Stimmen gegen Friedrich Merz durch. Die Spaltung der CDU, die diese knapp 52 Prozent symbolisieren, ist offensichtlich. Aber wofür steht AKK eigentlich? Schafft sie es, der inhaltlich ausgehöhlten Partei ein neues Profil zu verschaffen und sowohl den konservativ-wirtschaftsliberalen Flügel der Merz- und Spahn-Anhänger als auch die eher linksliberalen Anhänger zu vereinen?

Diesen Fragen setzte sich AKK im ARD-Talk von Anne Will“ aus, und es kann konstatiert werden: Zumindest rhetorisch scheint die oft als „Mini-Merkel“ Verpönte nicht das Programm von Merkel fortzusetzen, die klare Worte meist verweigerte. Zunächst plätscherte die Gesprächsrunde belanglos vor sich hin, geladen waren der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz, FDP-Vize Wolfgang Kubicki, Spiegel-Redakteurin Christiane Hoffmann und Journalist Gabor Steingart. Doch dann zeigte AKK – wie schon in ihrer beeindruckenden Rede auf dem Parteitag –, wozu sie rhetorisch fähig ist.

AKK wehr sich gegen Frauenfeindlichkeit

In einem Einspieler behauptet Friedrich Merz, er habe vor 20 Jahren Angela Merkel als Generalsekretärin vorgeschlagen, weil es der Partei gut anstünde, eine Frau zu nehmen, die zudem noch aus dem Osten kommt. Wütend holt Kramp-Karrenbauer zum Angriff aus, als Wolfgang Kubicki anschließend noch anmerkt, er habe ihr eine solch „geniale Rede“ wie jene auf dem Parteitag nicht zugetraut. Diese Art, setzte sie an, wie über Frauen geredet wird, begleite sie schon ihr ganzes Leben. „Ich habe noch nie erlebt, dass gesagt wurde: 'Ein Mann stünde uns gut zu Gesicht.' Als ob man als Frau eine zu bemitleidende Minderheit in diesem Land wäre. Wir sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung.“ Gerade im linksliberalen Milieu dürfte sie mit solch emotionalen Reden Pluspunkte sammeln – über ihre konservativen Standpunkte etwa in puncto Homo-Ehe wird man dort wohl wie auch schon bei Merkel hinwegsehen.

Auch für ihren Einsatz für das Saarland, das ihrer Meinung nach zu oft herablassend als Provinz verpönt wird, heimste AKK lauten Applaus ein. Der Wirtschaftsjournalist Gabor Steingart setzte nach und attackierte die ehemalige Ministerpräsidentin scharf. Das Saarland sei bei der Verschuldung hinter den Stadtstaaten ganz vorn dabei, monierte Steingart: „Es ist armselig, Frau Kramp-Karrenbauer.“ Diese setzte zum Gegenschlag an: „Ich finde das jetzt wirklich despektierlich den Saarländern gegenüber. Wir haben über eine lange Strecke und zwar gemeinsam mit allen Sozialpartnern im Saarland einen beinharten Sparkurs gefahren.“ Nun könne man erstmals Schulden abbauen und stünde gut da. 40 Prozent der Kitas seien bilingual ausgerichtet, es gebe eine der besten Universitäten im Saarland. „Darauf bin stolz, und das lass ich mir von Ihnen hier auch im Namen der Saarländerinnen und Saarländer nicht kaputt reden.“ Unabhängig davon, wie man inhaltlich zu Kramp-Karrenbauer steht: Ihre hin und wieder leidenschaftliche Art, sich gegen Angriffe zu verteidigen ist eine erfrischende Abwechslung nach 13 Jahren narkotisierender Monotonie.

Schulz erstaunlich harmlos

Begeistert, allzu verzückt zeigte sich davon auch Martin Schulz. Der ehemalige SPD-Vorsitzende fand durchweg versöhnliche Wort für die neue CDU-Vorsitzende und lobte glühend ihre Emotionalität nach ihrer Wahl am Freitag und während der Talkrunde. „Ich finde es toll“, sagt er, „wie eine ehemalige Ministerpräsidentin für ihr Land kämpft.“ Schön und gut, aber hat ihm niemand gesagt, dass die Vertreterin der Katholischen Soziallehre zum Todesurteil für die sich ohnehin im Niedergang befindenden Sozialdemokraten werden kann? Die erhoffte Polarisierung, die ein klar greifbarer Gegner wie der Finanzmarktlobbyist Friedrich Merz hätte bedeuten können (vorausgesetzt, die SPD gewönne wieder an sozialdemokratischem Profil), ist mit der deutlich weiter links von Merz zu verortenden AKK nicht gegeben. Im Gegenteil, sie wird den Sozialdemokraten wohl Wähler abluchsen und der Partei eine Neuausrichtung mit Konturschärfung erschweren. Kurios: Während die anderen Talk-Gäste über das Potential von „AKK“ diskutierten, verschwand der Ex-SPD-Chef einfach mal kurz. Nach einem Einspieler zur Parteitagsrede von Kramp-Karrenbauer war sein Platz plötzlich leer. Dann lief er einfach durch das Bild und setzte sich wieder hin.

So ist es erstaunlich, dass Schulz die großen SPD-Themen – Pflegenotstand, explodierende Mieten, Kita-Gebühren, Niedriglohnsektor, Abstiegsängste der Mittelschicht, soziale Spaltung zwischen Kleinbürgertum und Funktionseliten – wenn überhaupt nur am Rande ansprach und sich stattdessen relativ lange mit dem Paragraphen 219a aufhielt. Im Streit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche sprach sich Kramp-Karrenbauer nach langem Drumherumgerede und mehrmaligem Nachhaken der Moderatorin – man fühlte sich in diesen Momenten an die Kanzlerin erinnert – gegen eine Aufhebung des Verbots auf. Schulz hingegen plädierte für eine Abstimmung unter den Abgeordneten, er selbst finde die stattfindende Kriminalisierung ethisch nicht vertretbar. Ohne Zweifel ein wichtiges Thema, doch es bleibt zu hoffen, dass die SPD nicht den Fehler macht, sich nur mit Nebenthemen abgrenzen zu wollen und somit ihre sich verraten fühlende Wählerschaft weiter zu vergraulen.

Wird AKK auch die Konservativen für sich gewinnen?

Bleibt noch der für die CDU wichtigste Punkt zu erwähnen: Kann AKK die enttäuschten Konservativen für sich gewinnen und davon überzeugen, dass es unter ihr kein „Weiter so“ gibt? Oder wird ihr das Image der Merkel-Kopie zum Verhängnis? „Ich bin nicht das pure Weiter so“, grenzte sie sich gleich zu Beginn der Sendung von dem Vorwurf ab und kündigte für Januar ein Gespräch zur Flüchtlings- und Sicherheitspolitik an – wofür sie auch mit Kritikern des bisherigen Kurses wie Merz und Spahn zusammenarbeiten will. „Die Reformagenda wird kommen.“ Es blieb aber bei Ankündigungen, wie konkret die Agenda oder die Zusammenarbeit mit Merz aussehen soll, wollte sie auf Nachfrage der Moderatorin noch nicht sagen.

Ihre Aussage „Nicht das pure Weiter so“ – mit Betonung auf „pure“ – impliziert aber, dass es eben doch ein bisschen „Weiter so“ geben soll. Dementsprechend attestierte Gabor Steingart der CDU Schizophrenie: „Sie will Modernität und nicht das Erbe Merkel abwickeln“, so der ehemalige Handelsblatt-Chefredakteur. Aber sie wolle eben auch Korrekturen, etwa im Bereich der Inneren Sicherheit. Dass Paul Ziemiak mit nur knapp 63 Prozent als Nachfolger zum Generalsekretär gewählt worden sei, zeige ebenfalls, wie gespalten die CDU ist.

Große Herausforderungen

Fazit: Nach der Sendung weiß man so viel wie vorher. AKK wird keine Probleme haben, den eher linken Flügel der CDU für sich zu gewinnen. Beim konservativen Flügel steht sie vor großen Herausforderungen auf dem Weg ins Kanzleramt, die Wahlen in Ostdeutschland nächstes Jahr werden sie auf eine harte Probe stellen. Was konkret ihr Plan ist, hat sie nicht gesagt, es bleibt bis jetzt bei Ankündigungen, dass etwas passieren wird. Der Mini-Merkel-Vorwurf ist in der Tat nicht ganz berechtigt, AKK versucht sich abzugrenzen, auch rhetorisch – auch wenn sie, verglichen mit Merz und Spahn, weiterhin am ehesten für ein „Weiter so“ steht und somit vermutlich nicht die Spaltung des Landes wird aufheben können. Ob Merz, der quasi kein sozialpolitisches Profil hat, die Spaltung zwischen sozialem und wirtschaftsliberalem Flügel der CDU – geschweige denn die soziale Spaltung des Landes – hätte überwinden können, darf jedoch auch bezweifelt werden.

Eines wird sich mit Sicherheit niemals ändern: die Talkshows dieser Republik und die Reaktionen der TV-Rezensenten, die sich darüber echauffieren.

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