Vergangene und künftige Silvesterkrawalle - Faesers vergessene Forderungen und 17 schlappe Verurteilungen

Während nicht nur die Innenministerin erneute Gewaltexzesse zu Silvester erwartet, kamen die meisten Täter des Vorjahres straflos oder zumindest sehr glimpflich davon.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

So erreichen Sie Ferdinand Knauß:

Anzeige

Bundesinnenministerin Nancy Faeser befürchtet zu Silvester erneut gewalttätige Ausschreitungen: „Ich habe die Sorge, dass Silvester wieder ein Tag sein könnte, an dem wir in manchen Städten blinde Wut und sinnlose Gewalt zum Beispiel gegen Polizisten oder Rettungskräfte erleben müssen“, sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Und natürlich müssen wir die Gefahr sehr genau im Blick haben, dass sich das auch mit Radikalisierungen mischt, die wir jetzt angesichts des Nahostkonflikts sehen.“ Und Faeser räumt selbst ein, dass „diese enthemmte Gewalt völlig unbegreiflich und durch nichts zu rechtfertigen“ sei. 

Begreifen kann man allerdings durchaus zumindest, warum die Täter nicht besonders furchtsam angesichts der Staatsgewalt sein müssen. Im vergangenen Januar hatte Faeser noch „ein großes Problem“ festgestellt „mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden“. Sie wollte diesen „klar die Grenzen aufzeigen: mit harter Hand und klarer Sprache – aber ohne rassistische Ressentiments zu schüren“. „Junge Gewalttäter müssen schnelle und deutliche strafrechtliche Konsequenzen spüren. Die Strafe muss auf dem Fuße erfolgen. Das schafft Respekt vor unserem Rechtsstaat“, hatte sie gesagt. Ihr Kabinettskollege Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte im Bundestag verkündet, „abschreckende und angemessene Strafen“ seien notwendig.

Nun hat die FAZ eine Bilanz der strafrechtlichen Konsequenzen für die Täter der vergangenen Silvesternacht gezogen: „150 Ermittlungsverfahren hat die Berliner Staatsanwaltschaft geführt, zwei Drittel davon wurden eingestellt. Übrig blieben 41 Tatverdächtige. 17 Urteile sind mittlerweile gefällt, zehn davon nach Jugendstrafrecht. Bewährungsstrafen, Geldstrafen, Erziehungsmaßnahmen.“  

 

Mehr zum Thema:

 

Abschreckung und Respekt vor dem Staat dürfte das selbst bei den Verurteilten wohl kaum auslösen. Noch weniger bei den zwei Dritteln der vermutlichen Gewalttäter, deren Verfahren eingestellt wurden, und erst recht nicht bei den noch sehr viel zahlreicheren Tätern, gegen die gar nicht ermittelt wurde. 

Es ist höchst ernüchternd: Ganz offenkundig muss bislang kein einziger Gewalttäter der vergangenen Silvesternacht eine Haftstrafe absitzen. Die höchste Geldstrafe – 80 Tagessätze à 170 Euro – bekam ein 42-jähriger „Deutschtürke“, der mit einer Schreckschusspistole herumgeschossen hatte. Die weiche Hand des deutschen Rechtsstaates bekommt auch der „21 Jahre alte, in Berlin geborene Dilan M.“ zu spüren, der „eine Rakete auf einen Polizeibeamten in Zivil aus maximal drei Metern Entfernung“ abfeuerte: eine Jugendstrafe von acht Monaten auf Bewährung sowie 70 Stunden Freizeitarbeit. Aber immerhin muss er noch ein halbes Jahr auf seinen Führerschein warten. 

Dafür, dass so wenige Täter eindeutig ermittelt und überführt werden konnten, mag man noch Verständnis haben. Die Einsatzkräfte waren vom schieren Ausmaß der Gewalt und der Zahl der Täter wohl einfach überfordert, sie standen oft selbst in unmittelbarer Gefahr und konnten keine strafbaren Einzeltaten identifizieren, geschweige denn Beweise sichern. Nach der kommenden Silvesternacht wird aber niemand sagen können, man sei von der Gewalt überrascht worden. 

Dafür allerdings, dass auch die sehr wenigen Verurteilten noch so milde davonkamen, tragen auch jene eine Verantwortung, die das Strafgesetzbuch ändern könnten. Eine Bundesinnenministerin oder ein Bundesjustizminister hätten es durchaus in der Hand, das Strafmaß für Gewalttaten so zu verschärfen, dass die Strafen tatsächlich Respekt einflößen. Dass Faeser hierzu keine Anstalten macht, ist mindestens so „unbegreiflich“ wie die Gewalt.  

Mit Material von dpa
 

Anzeige