Kindergrundsicherung - Lisa Paus und die grüne Lust an der Bürokratie

Lisa Paus und die Grünen zeigen in der Debatte um die Kindergrundsicherung vor allem eines: ihre machtrational nachvollziehbare Lust an einem expandierenden Kümmer-Staat. Den Ruf nach Bürokratieabbau verkehren sie ins Gegenteil.

Lisa Paus (Grüne, r.), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, spricht neben Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen /dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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In dem Fegefeuer der Absurditäten, das die Politik bisweilen darstellt, hat sich Familienministerin Lisa Paus (Grüne) mit ihrem Gesetzesvorhaben einer „Kindergrundsicherung“ besonders gut eingerichtet. So sagte sie zur Begründung: „Wir wollen diese Verwaltung endlich modern machen, wir wollen sie digitalisieren.“ Solche abstrakten Sprechblasen blasen Politiker gerne auf, wenn sie über konkrete Folgen und Probleme ihrer Projekte möglichst nicht reden wollen.  

Die Ministerin hat mit diesem ihrem größten Reformvorhaben, das das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag in einer einzigen Leistung bündeln soll, nicht nur ihre eigene sachpolitische Überforderung und die ihrer ministeriellen Zuarbeiter überdeutlich gemacht. Diese offenbart sich zum Beispiel in den Gutachten der Sachverständigen im zuständigen Bundestagsausschuss. Auf der Website des Bundestags heißt es schon im zweiten Absatz des die Gutachten zusammenfassenden Textes: 

„Die Vorlage der Regierung würde nicht dazu führen, Mehrfachzuständigkeiten zu beseitigen, Familien würden nicht Leistungen aus einer Hand bekommen, wie es eigentlich das Ziel des Gesetzes sei, lauteten die Einwände. Insofern drehte sich ein erheblicher Teil der Diskussion um die Ausgestaltung des neuen ,Familienservices‘, dessen Aufbau nach Ansicht der Experten die Verwaltungskosten in die Höhe treiben und das System unnötig verkomplizieren würde.“

Die sozial- und ordnungspolitisch verheerendste Wirkung des Paus-Vorhabens wäre, dass es für viele betroffene Eltern bedeuten würde, dass sich Arbeiten überhaupt nicht mehr lohnt. Das zeigen Berechnungen des Ifo-Instituts und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die in ihrer Modellrechnung auf etwa 70.000 „Vollzeitäquivalente“ kommen, die dem Arbeitsmarkt den Rücken kehren würden. Die Kindergrundsicherung würde also den Sozialstaat expandieren und den Arbeitskräftemangel verschärfen. 

Die Selbstentlarvung von Lisa Paus

Sie würde somit auch das strukturelle Defizit der öffentlichen Haushalte weiter vergrößern und damit zu noch mehr Staatsschulden und/oder noch höherer Steuer- und Abgabenbelastung führen. Das widerspricht nicht nur dem ökonomischen Menschenverstand, sondern auch dem Koalitionsvertrag, in dem sich die Ampel-Parteien versprachen, Sozialleistungen so auszurichten, dass sie „die günstigsten Wirkungen hinsichtlich Beschäftigungseffekten und Arbeitsmarktpartizipation in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung erzielen“. Man fragt sich nur, warum die FDP nicht früher schon dieses Vorhaben grundsätzlich angriff, denn die wesentlichen Inhalte haben die Grünen schon vor der Ampel-Zeit bekannt gemacht, und das Ifo-Institut hat die fatalen Wirkungen schon damals kritisiert

Eigentlich aber noch beängstigender als die von Paus offenbar in Kauf genommene oder gar gewollte negative Motivationswirkung, die aus Arbeitenden Klienten des Kümmerstaats macht, ist die von der Ministerin gegen FDP-Kritik geäußerte Pseudo-Rechtfertigung für die neuen Stellen im öffentlichen Dienst, deren künftige Inhaber die „Kindergrundsicherung“ verteilen sollen – und dafür dann selbst ein steuerfinanziertes Einkommen als Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes beziehen dürfen. 

Paus hatte zunächst verkündet, dafür sei die Schaffung von 5000 neuen Stellen nötig. Die Empörung darüber beim liberalen Koalitionspartner versuchen Paus und ihre grüne Parteivorsitzende Ricarda Lang nun zu besänftigen, indem sie die Zahl 5000 relativieren. Paus verspricht nun beschwichtigend, „dass unter anderem durch Synergieeffekte und konsequente Digitalisierung die Gesamtzahl der Stellen noch reduziert werden kann“.

Mehr Bürokraten heißt mehr Macht 

Dadurch gibt sie indirekt gerade zu, dass sie ein Interesse daran hat, möglichst viele zusätzliche Stellen zu schaffen, und nur durch politischen Druck gezwungen wird, deren Zahl zu senken. Warum hat sie nicht gleich mit „Synergien“ und „konsequenter Digitalisierung“ gerechnet? Zumal doch angeblich die Modernisierung/Digitalisierung ein Hauptzweck der Kindergrundsicherung sein soll. 

 

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Zuvor hatte Paus sich bereits zu der Absurdität verstiegen, dass die zusätzlichen Stellen „weniger Bürokratie“ bedeuteten, weil sie es den Beziehern der Leistungen einfacher machten, die dank der zusätzlichen Beamten nicht mehr „von Pontius zu Pilatus“ laufen müssten. Zur Erinnerung: Bürokratie bedeutet Herrschaft der Büros, also deren Insassen. Wenn deren Zahl erhöht wird, wächst die Bürokratie. 

Entweder Paus weiß wirklich nicht, was Bürokratie bedeutet, oder sie will absichtlich die Diskussion und damit ihre eigentlichen Absichten vernebeln. Ersteres ist eher unwahrscheinlich. Letzteres ist viel wahrscheinlicher, weil machtrational durchaus nachvollziehbar: Mehr Bürokraten heißt mehr Macht – für die Ober-Bürokraten, die sie einstellen und anweisen. 

Das Menschen- und Staatsbild der Grünen

Aus diesen Taten und Äußerungen der Ministerin Paus und ihrer Parteifreunde kann man über deren Einstellungen und politische Absichten zentrale Schlüsse ziehen: 

  • Sie sehen den Staat als in der Bringschuld stehend gegenüber Wohltatenempfängern, denen sie nicht einmal zutrauen, sich um diese Umverteilungsleistungen selbst zu kümmern. Deren Zahl wollen sie nicht mindern, sondern erhöhen. 
  • Sie haben ein nur oberflächlich verschleiertes Interesse an der Expansion des Personals im Öffentlichen Dienst. Nicht Bürokratieabbau, sondern das Gegenteil ist ganz offenkundig ihr Ziel, das durch das Bild vom Staat in der Kümmer-Bringschuld gerechtfertigt wird. 

Dahinter wird ein politisches Denken deutlich, demzufolge die Bürger (beziehungsweise zugewanderte Noch-nicht-Bürger, um die es absehbar bei der Kindergrundsicherung zum großen Teil gehen wird) unmündige Objekte des Kümmerns sind und der Staat ein allmächtiger, immer weiter wachsender Kollektiv-Wohltäter ist. Die Unvereinbarkeit grüner Politik mit einem liberalen Menschen- und Staatsverständnis kann kaum noch deutlicher werden.

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