Führungswechsel bei der Linken - Erfolgsbilanz mit Fragezeichen

Katja Kipping und Bernd Riexinger werden nicht erneut für den Parteivorsitz kandidieren. Die Linke muss sich jetzt personell und inhaltlich neu sortieren. Die Parteiführung hat Spuren hinterlassen. Aber welche?

Die beiden dienstältesten Parteivorsitzenden im Bundestag treten ab / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Katja Kipping und Bernd Riexinger werden auf dem Bundesparteitag der Linken Ende Oktober nicht erneut für den Parteivorsitz kandidieren. Das äußerst heterogene Duo – hier die attraktive, dem urbanen Lifestyle zugewandte Frau aus dem Osten, da der bräsig-biedere Ex-Gewerkschaftsfunktionär aus Schwaben – zieht sich nach acht Jahren zurück und folgt damit einer zwar nicht verbindlichen, aber dennoch eindeutig formulierten Richtlinie in der Satzung der Partei.

Zwei Frauen werden derzeit als Favoritinnen für die Nachfolge gehandelt: Die dem trotzkistischen Karrierenetzwerk „Marx 21“ verbundene hessische Fraktionsvorsitzende Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow, ihre Amtskollegin aus Thüringen. Letztere wurde einer breiteren Öffentlichkeit außerhalb der mitteldeutschen Bergregion bekannt, als sie am 5. Februar dem mit den Stimmen der AfD gewählten Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) den eigentlich für die Gratulation vorgesehenen Blumenstrauß vor die Füße warf. Aber noch ist nichts entscheiden, und auch andere Bewerberinnen und Bewerber scharren vernehmlich mit den Füßen.

„Erfolgsbilanz“ mit Fragezeichen

Zeit also, sich die Bilanz des scheidenden Führungs-Duos anzuschauen. Für Riexinger ist die Sache klar: „In dieser Zeit konnten wir die Linke als stabile und wahrnehmbare gesamtdeutsche Partei aufbauen und etablieren“, sagte er der Badischen Zeitung. Auch Kipping wirkt nicht so, als sei sie von allzuviel Selbstzweifeln geplagt.

Die Linke sei heute auch dank der „Vernetzungsarbeit der Parteispitze“ und „ohne Kniefall vor dem Kapitalismus" eine „anerkannte gesellschaftliche Kraft" erklärte sie vor Journalisten. Und in einem Brief an die Parteibasis ist als Ergebnis ihrer Amtszeit von einer „modernen, sozialistischen Partei“ und einer „Trendsetterin für soziale Alternativen" die Rede.

Die Zahlen sprechen für sich 

Ein bisschen verwundert reibt man sich da schon die Augen. Denn abgesehen von einigen Ausnahmen hat die Linke in den vergangenen Jahren beträchtlich an Zustimmung bei den Wählern verloren. So wurde in Brandenburg das Referenzprojekt einer „rot-roten“ Landesregierung in einem Flächenland sogar krachend abgewählt, wobei sich die Linke annähernd halbierte. Verbessert hat sie zweifellos ihr Standing bei den urbanen, irgendwie alternativen Mittelschichten, eine Klientel, die allerdings von den Grünen bereits weitgehend besetzt ist.

Auf der anderen Seite verlor sie scharenweise traditionelle Wähler besonders im Arbeitermilieu, vor allem an die AfD. Dabei dürfte das auch von Kipping und Riexinger konsequent betriebene und letztlich erfolgreiche Mobbing gegen die populäre Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Rot-rot-grün – egal wie

Die politische Vision vor allem von Kipping verengte sich im Verlauf ihrer Amtszeit zunehmend auf die „rot-rot-grüne“ Option, auch auf Bundesebene. Und längst sind auch wichtige Parteigrößen – wie etwa Gregor Gysi – dabei, den ersehnten Partnern bislang identitätsstiftende Grundpositionen der Linken, wie zum Beispiel in der Außen- und Friedenspolitik, in vorauseilendem Gehorsam zur Entsorgung anzubieten. Auf dem Bundesparteitag soll es dazu eine Art Grundsatzentscheidung geben.

Aber mal ganz davon abgesehen, dass „rot-rot-grün“ im Bund sowohl mathematisch als auch politisch wenig mehr als ein euphorischer Fiebertraum ist, wird eine zentrale Frage dabei konsequent verdrängt. Welche Existenzberechtigung hat eigentlich eine linke, laut Eigendefinition sozialistische Partei, deren einziges strategisches Ziel zu sein scheint, möglichst anschlussfähig für ihr eigentlich wesensfremde Politikkonzepte zu werden? Das mag vielleicht „modern“ sein, aber reicht das? Die Antwort darauf werden letztendlich die Wähler geben. Fällt diese deutlich negativ aus, werden Kipping und Riexinger dafür jedenfalls nicht mehr geradestehen müssen.  

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