Kompromiss um Hans-Georg Maaßen - Die Ästhetik des Untergangs

Hans-Georg Maaßen wird nun doch nicht Staatsekretär, sondern Sonderberater im Innenministerium. Doch es ist ein fauler Kompromiss und damit bezeichnend für den Zustand der Großen Koalition. Der Zerfallsprozess ist in vollem Gange

Beratung im Kanzleramt zu Hans-Georg Maaßen: Der Kompromiss stinkt durch die Scheiben hindurch / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Ein sonniges Gemüt kann allem eine positive Seite abgewinnen. Die sonntäglichen Bilder aus dem Kanzleramt zum Beispiel – ästhetisch könnte man sich an die gewöhnen. Schemenhaft sind hinter Milchglas und Balkon die Silhouetten von Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles auszumachen, und der kleinere Mann da, ist das nicht auch noch Olaf Scholz? Das diffuse Licht der Dämmerung und die extrem lange Brennweite der Objektive gibt der Szene etwas zusätzlich Dramatisches.

Das ist ästhetisch, aber es ist die Ästhetik des Untergangs. Den neuen Kompromiss, den die drei  Parteivorsitzenden da am Sonntagabend in der Personalie Hans Georg-Maaßen gefunden haben, muss man kaum kommentieren. Er ist so faul, er stinkt durch die Scheiben des Kanzleramtes hindurch.

CDU, CSU und SPD im Verfallsprozess

Überhaupt ist das Faulen das treffendste Bild für den Zustand einer Regierung, die noch kein halbes Jahr im Amt ist. Hier verfault etwas leise vor sich hin, und so, wie die Dinge legen, muss es wohl in Ruhe zu Ende rotten, bis es endlich vorbei ist.

Andrea Nahles, Horst Seehofer und Angela Merkel sind die drei Schlüsselfiguren dieses Zerfallsprozesses. Und alle drei sind zu beispielloser Ohnmacht verurteilt. Der Schwund der Autorität ist mit Händen zu greifen. Die Ursache dieser Schwindsucht liegt nun bald ein Jahr zurück.

Bei der Bundestagswahl ist die Große Koalition, sind die drei sie bildenden Parteien mit den historisch schlechtesten Ergebnissen abgewählt worden. Aber die Figuren sind (bis auf Martin Schulz, der mühsam durch Nahles ersetzt wurde) alle geblieben, haben keine persönlichen Konsequenzen gezogen. Aber sie bleiben natürlich davon massiv geschwächt.

Weiterer Streit droht

Als Angela Merkel vor zwei Jahren die Flüchtlingskrise zu bekämpfen begann, die sie selbst ausgelöst hatte, sagte sie, „Wir müssen uns jetzt selbst übertreffen.“ Als sie ein Jahr darauf abermals als Kanzlerin antrat, sagte sie, sie frage sich täglich, was sie diesem Land geben könne. Und dann habe sie sich entschieden, noch einmal „meinen Dienst für Deutschland zu tun“, „meine ganze Erfahrung und das, was mir an Gaben und Talenten gegeben ist, in die Waagschale“ zu werfen.

Vielleicht sollte sich Merkel diese Frage dieser Tage wieder stellen: Wie sie ihrem Land am besten einen Dienst erwiese. Denn mit dieser Regierung wird nichts mehr draus. Selbst wenn die SPD den Extraposten für Hans-Georg Maaßen akzeptieren sollte, ragen die nächsten Ecken schon scharfkantig heraus aus den kommenden Wochen. Es beginnt schon am kommenden Dienstag mit der Wahl des Unionsfraktionschefs, die zu einer Vertrauensfrage für Merkel wird. Die Fraktion ist seit diesem Sommer eine No-Go-Area für die Kanzlerin. Dort hat sich der Widerstand gegen sie und ihre Politik tief eingenistet.

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