Bundestagswahl - Die CDU nach Laschet

Verliert die CDU die Wahl am Sonntag, wird Laschet seinen Hut nehmen müssen. Die CDU steht dann vor einem harten Schnitt an der Spitze – aber wer hat die besten Aussichten?

Armin Laschet auf einer Wahlkampfveranstaltung in Villingen-Schwenningen am Donnerstag / dpa
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Es ist Sonntag, 18 Uhr und eine Minute. Im Adenauer-Haus flimmern die ersten Umfragen über den Bildschirm: Die SPD gewinnt die Bundestagswahl, die Union liegt drei Prozentpunkte dahinter, irgendwo zwischen 20 und 22 Prozent. Armin Laschet sagt: Ich übernehme die Verantwortung für diese Niederlage. Markus Söder, extra aus München angereist nach Berlin, tritt vor die Kameras und spricht Klartext: Keine Regierungsbeteiligung der Union von Platz zwei aus. Es muss einen klaren Schnitt geben in der CDU.

Das Szenario ist hypothetisch, aber wahrscheinlich. Und die mögliche Kernschmelze der CDU, anders lässt sich eine Niederlage und ein Ergebnis knapp über 20 Prozent nicht bezeichnen, wirft die Frage auf: Wer hätte den Mut, sich am Sonntagabend nach vorne zu wagen, wer traut sich zu, den Regenerationsprozess der größten Volkspartei in der Opposition anzuführen, wer ist überzeugt, dafür genug Rückendeckung zu haben? Rein praktisch wird es dabei zuerst um die Frage gehen, wer den Fraktionsvorsitz im Bundestag übernimmt – dem Kandidaten muss auch die CSU zustimmen. Wer sich hier durchsetzt, steht dann auf der Pole Position für den Parteivorsitz, den Laschet bis zum Parteitag dann nur noch kommissarisch ausfüllen wird.

Auf den Gängen der CDU-Fraktion im Berliner Reichstag wird derzeit ein bunter Strauß an Namen herumgereicht.

Ein Neuanfang mit einem 65-Jährigen überzeugt nicht

Friedrich Merz hat unbeirrbare Fans. Aber das wichtigste Argument gegen den Sauerländer ist sein Alter. Merz wird im November 66. Er war mit seinen zweimal gescheiterten Bewerbungen um den CDU-Vorsitz Teil des K(r)ampfes, der die CDU in der Schlussphase der Ära Merkel geprägt und gelähmt hat. Ein überzeugender Neuanfang ist mit ihm nicht zu machen. Ohnehin ist zweifelhaft, ob Merz Lust hat, die nächsten vier Jahre in der Opposition zu verbringen. Dafür ist er nicht zurück in die Politik gekommen.

Ähnliches dürfte für den 56-jährigen Norbert Röttgen gelten, der sich in diesem Jahr als CDU-Chef ins Spiel gebracht hatte – und hinter Laschet und Merz auf Platz 3 landete. Nein, für einen echten Neuanfang muss es schon jemand im Alter zwischen 40 und 50 sein.

Kretschmer in Erklärungsnot

Auch Ministerpräsidenten wie Schleswig-Holsteins Daniel Günther oder Sachsens Michael Kretschmer werden als mögliche Laschet-Nachfolger an der Spitze der CDU gehandelt. Gegen den 48-jährigen Günther spricht, dass er ein ähnlich treuer Merkel-Unterstützer wie Laschet war und vielen CDU-Mitgliedern als zu liberal gilt. Kretschmer wird nach der Wahl am Sonntag damit beschäftigt sein, dem Rest des Landes zu erklären, warum die AfD in seinem Bundesland stärkste Kraft vor der CDU werden konnte – danach sieht es momentan aus.

Beste Chancen hat Gesundheitsminister Jens Spahn, 41 Jahre alt, seit 2002 im Bundestag, bestens vernetzt in den Landes- und Ortsverbänden. Wichtigstes Argument gegen ihn: Die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Corona-Welle im Winter und die neuerlichen Einschränkungen hat sich vor allem an ihm entladen. Im Dezember 2020 galt er nach Merkel als zweitbeliebtestes Regierungsmitglied, inzwischen gehört er zu den unpopulärsten Politikern. Spahn war zuletzt stets bemüht, nicht in den Laschet-Strudel hineingezogen zu werden: keine gemeinsamen Wahlkampfauftritte mit dem strauchelnden Kanzlerkandidaten, keine öffentlichen Loyalitätsbekundungen. Dabei – manch einer hat es vergessen – waren Spahn und Laschet im Frühjahr 2020 als Zweiergespann für den CDU-Vorsitz angetreten. Das einzige, was von diesem Team übrig ist, ist Spahns Posten eines CDU-Vizevorsitzenden.

Spahn oder Linnemann?

Ein weiterer chancenreicher Nordrhein-Westfale ist der 44-jährige Carsten Linnemann, Fraktionsvize und Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). Wie Spahn gehört Linnemann zum konservativen, wirtschaftsfreundlichen Flügel der CDU. Und Linnemann geht – im Unterschied zu Spahn – ohne Corona-Malus ins Rennen. Allerdings fehlte dem Paderborner in den vergangenen Jahren das letzte Quentchen Mut, um seinen Anspruch auf den Parteivorsitz öffentlich anzumelden.

Und was wird aus Armin Laschet? Wenn es schlecht läuft, schafft er es nicht einmal in den Bundestag: Er tritt in Aachen nicht als Direktkandidat an, steht aber auf Platz 1 der Landesliste. Holt die CDU aber genug Direktmandate und schneidet bei den Zweitstimmen schlecht ab, kommt die Landesliste nicht zum Zug. Laschet bliebe noch ein gutes halbes Jahr im Amt des NRW-Ministerpräsidenten – für die dortige Wahl im Mai steht dann der derzeitige Verkehrsminister Hendrik Wüst bereit.

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