US-Präsidentschaftswahl - Bidens Kopfsache

Joe Biden will US-Präsident bleiben. Doch in einem Bericht über Bidens fehlerhaften Umgang mit vertraulichen Dokumenten wird auch sein schlechtes Gedächtnis thematisiert. Für die Demokraten ist die Sache kompliziert.

Biden am Rednerpult im Dining Room des Weißen Hauses / dpa
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Autoreninfo

Lisa Davidson ist Journalistin, freie Autorin und Podcast-Host. Sie lebt in Virginia, USA. 

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Joe Biden will für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus bleiben. Doch sein Alter könnte ihm einen Strich durch die Karriereplanung machen – vor allem nach dem kürzlich veröffentlichten Bericht von Sonderermittler Robert Hur. Dieser hat sich mit Bidens Umgang mit Geheimdokumenten beschäftigt und berichtete, dass der Präsident sich anscheinend nicht mehr an den genauen Zeitraum seiner Amtszeit als Vizepräsident erinnern konnte und Schwierigkeiten hatte, das Jahr zu nennen, in dem sein Sohn Beau Biden verstarb. Außerdem soll Bidens Erinnerungsvermögen bei Befragungen durch Hur im vergangenen Jahr und bei einem aufgezeichneten Gespräch mit einem Ghostwriter im Jahr 2017 erheblich eingeschränkt gewesen sein. 

Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund dessen und weiterer Punkte eine Anklage gegen Biden wegen falscher Handhabung von Regierungsakten nicht gerechtfertigt sei. Laut Politico wurde dies auch damit begründet, dass die Geschworenen mit Biden, der als „wohlmeinender älterer Mann mit schlechtem Gedächtnis“ beschrieben wurde, sympathisieren würden.

Bidens Aussetzer häufen sich

Biden wies die Anschuldigungen in einer Pressekonferenz trotzig zurück und verteidigte seine geistige Eignung für seinen Job. Er erklärte auch, dass sein Gedächtnis in Ordnung sei, obwohl er später in derselben Ansprache den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah el-Sisi fälschlicherweise als den Präsidenten Mexikos bezeichnete. Privat war Biden laut Politico außer sich über den Bericht, insbesondere über die Behauptung, dass er sich nicht an den Todestag seines Sohnes erinnern könne. 

Biden stellte während der Pressekonferenz zudem wütend infrage, warum der Sonderermittler in seinem Bericht das sensible Thema überhaupt ansprechen musste und erklärte, er brauche niemanden, der ihn an dieses Ereignis erinnern müsse. Beamte des Weißen Hauses waren über die Details des Berichts ebenfalls verärgert und vertraten die Meinung, Hur habe mit seinen Kommentaren über Bidens Gedächtnis seine Befugnisse weit überschritten. Solche Kommentare, hieß es, hätten „in einem Bericht des Justizministeriums nichts zu suchen“.

Gemischte Meinungen in den Medien

Trotz Bidens Abstreiten einer Demenzerkrankung nehmen die heißen Debatten genau darüber nicht ab. Die Meinungen gehen dabei weit auseinander. Laut USA Today erinnerten Hurs Beschreibungen von Biden an einen „Opa im Altersheim“. Viele Amerikaner bezweifeln ohnehin schon länger, dass der 81-Jährige der Aufgabe des Präsidenten nicht mehr gewachsen sei, geschweige denn fähig dazu, das Amt noch für weitere vier Jahre innezuhaben. Fox News durchstöberte derweil die Archive und lässt jeden von Bidens Fauxpas noch einmal Revue passieren.
 

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Liberal eingestellte Medien wie die Los Angeles Times suchen das andere Extrem und beschreiben Biden als alten Fuchs der Politik, dessen hohes Alter seine Stärke sei. NBC News beratschlagt sich hingegen mit Neurologen und sonstigen Experten darüber, warum eine gewisse Art von Vergesslichkeit ein normaler Teil des Älterwerdens sei und demnach nicht wirklich vorhersagen kann, wer am Ende eine diagnostizierbare Gedächtnisstörung hat. Laut Experten könne nur ein behandelnder Arzt oder Neurologe eine klare Diagnose stellen; nicht ein außenstehender Beobachter.

Wer könnte für Biden einspringen?

Das grundlegende Problem ist aber nicht, dass Biden als ältere Person gewisse Details vergisst oder vertauscht, sondern seine Position, die er in seinem Alter noch einnehmen will, weshalb die Schlussfolgerung des Berichts auch den US-Kongress nicht kaltließ. Die Republikaner nutzten die Gelegenheit, den demokratischen Präsidenten für untauglich zu erklären. „Es ist klar, dass Biden nicht die kognitiven Fähigkeiten hat, um Präsident zu sein“, sagte Tom Emmer, Fraktionsvorsitzender im Repräsentantenhaus, in einem Beitrag auf X. Doch könnte ein ernstzunehmender Demokrat Biden noch herausfordern? Und was würde passieren, wenn Biden freiwillig aus dem Rennen ausscheiden würde? Die Sache ist kompliziert.

Prinzipiell kommt eine Vorwahlkampagne gegen einen amtierenden Präsidenten einem politischen Selbstmord gleich. Zudem sind die Fristen für die Wahlzettel zu einem Zeitpunkt, an dem die Vorwahlen längst begonnen haben, größtenteils bereits verstrichen. Und große Namen in den Reihen der Demokraten, wie Govin Newsom aus Kalifornien, Gouverneurin Gretchen Whitmer aus Michigan oder Gouverneur J.B. Pritzker aus Illinois wollen laut New York Times auf den besten Zeitpunkt warten, ihre Karriere nach vorne zu katapultieren – und der sei definitiv nicht jetzt.

Die Angst vor einer zweiten Trump-Präsidentschaft

Wenn sich aus gesundheitlicher Sicht etwas an Bidens Kandidatur ändern würde, wären die Demokraten demnach in einer schwierigen Situation. Zöge er sich zu Beginn der Vorwahlsaison zurück, die noch bis Juni geht, wären die Wähler auf die anderen Optionen beschränkt, die bereits im Rennen sind. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Fristen für den Zugang zu den Stimmzetteln, die von den einzelnen Bundesstaaten und nicht von den nationalen Parteifunktionären festgelegt werden, wieder geöffnet würden.

Sollte sich Biden später zurückziehen – nachdem er in den Vorwahlen so viele Delegierte gewonnen hat, dass ihn kein Kandidat mehr überholen kann – würde die Nominierung auf dem nationalen Parteitag der Demokraten im August entschieden werden, wo die Delegierten das letzte Wort bei der Wahl des Kandidaten haben. Dies wäre auch der Fall, wenn Biden zwischen den Vorwahlen und dem Parteitag aus dem Rennen steigen würde. Die treibende Kraft hinter dem Wunsch vieler Demokraten, Biden loszuwerden, ist die Angst vor einer weiteren Trump-Präsidentschaft. Aber die gleiche treibende Kraft steht hinter dem Wunsch anderer Demokraten, an ihm festzuhalten.
 

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