Überwindung der Corona-Krise - Eine Anleihe, um Europas Zukunft zu sichern

Die Corona-Krise in eine Chance verwandeln: Möglich wäre dies mit einer einmaligen europäischen Zukunftsanleihe über eine Billion Euro, schreiben unsere Gastautoren Friedbert Pflüger und Jürgen Trittin. Europas Wirtschaft könne so nach der Krise besser dastehen als zuvor.

Es geht nicht darum, für Fehler der Vergangenheit zu haften. Es geht darum, Zukunft zu finanzieren / dpa
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Dr. Friedbert Pflüger lehrt am CASSIS, Universität Bonn Internationale Klima- und Energiepolitik und ist seit 2014 Senior Fellow des Atlantic Council der USA. Er war 16 Jahre Bundestagsabgeordneter (CDU) und Verteidigungs-Staatssekretär in der ersten Regierung Merkel. Pflüger ist seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Bingmann Pflüger International (BPI).

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Jürgen Trittin ist Bundesminister a.D. und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. 

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Friedbert Pflüger lehrt am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) der Universität Bonn Klima- und Energiesicherheit. Er ist Geschäftsführender Partner von Pflüger International, GmbH und Vorsitzender der Internet Economy Foundation. 

Jürgen Trittin ist Bundesminister a.D. und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. 

In seiner Osterbotschaft hat Papst Franziskus angesichts der Corona-Pandemie an die Europäer appelliert, sich als Teil einer Familie zu erkennen. Vom Verhalten der EU hänge die Zukunft der Welt ab! Wenn das friedliche Zusammenleben nicht auf eine harte Probe gestellt werden solle, benötige es eines neuen Beweises der Solidarität -  „auch wenn wir dazu neue Wege einschlagen müssen.“ 

Offenbar hatten die drei Tage zuvor erfolgten Beschlüsse der Eurogruppen-Finanzminister gegen die wirtschaftlichen und finanziellen Verwerfungen der Pandemie den Papst nicht überzeugt. Mit Recht: die Ankündigung eines Pan-Europäischen Gemeinschaftsfonds der Europäischen Investitionsbank (EIB), eines europäischen Kurzarbeitergeldes und der Bereitstellung von Notfall-Krediten unter dem Europäischen Rettungsfonds ESM stellen einen Schritt in die richtige Richtung dar. 

Eine empathielose Antwort

Ein kraftvoller Wille europäischer Solidarität und Selbstbehauptung geht davon aber (noch) nicht aus. Trotz einer halben Billion ist das Volumen zu niedrig – vor allem aber schultert es in seinem ESM-Teil gerade die Folgen einer globalen Krise nicht europäisch, sondern bürdet sie den besonders betroffenen Mitgliedstaaten auf. Weshalb Italien es auch nicht in Anspruch nehmen will.

Noch schwerer wiegt das davon ausgehende politische Signal. Mitten in einer Pandemie fühlen sich die Bürgerinnen und Bürger in Spanien wie Italien allein gelassen. Sie erfahren gerade nicht „ein Europa, das schützt“ (Emanuel Macron). Sie bekommen eine beachtliche, aber eine empathielose, eine technokratische Antwort. 

Eine existentielle Herausforderung

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahrzehnts sieht sich das gemeinsame Europa mit einer existentiellen globalen Krise konfrontiert – und tut sich schwer eine europäische Antwort zu finden. Wenn wir diese Antwort nicht geben, steht der Zusammenhalt des gemeinsamen Europas vor einer existentiellen Herausforderung.

Beide Autoren sind gegensätzlicher Ansicht über die Einführung allgemeiner Eurobonds. Doch wir beide sind der festen Überzeugung: In dieser Lage muss es eine europäische Antwort geben. Wir plädieren für eine zeitlich begrenzte, vollständig rückzahlbare, auf Klima- und Digitalpolitik konzentrierte europäische Zukunftsanleihe über 1.000 Milliarden Euro. 

Die Krise als Chance

Damit setzt Europa ein Signal des Aufbruchs, der Modernisierung und der Stärke in Zeiten wachsender nationaler Egoismen und gefährlicher Großmacht-Konkurrenzen. Es investiert – anders als 2009 - gezielt in Zukunftssektoren. Diese Anleihe hat eine Botschaft nach innen und außen: Wir glauben an uns, niemand sollte gegen uns wetten und wir verwandeln die Krise in eine Chance. 

Es geht nicht um allgemeine Eurobonds, es geht nicht um die Subventionierung überbordender Bürokratie oder überkommener Strukturen. Es geht um eine europäische Zukunftsanleihe, die zielgerichtet eingesetzt werden muss: für die Bekämpfung des Klimawandels durch den ökologischen Umbau der europäischen Volkswirtschaften in einem Green Deal. So können wir dazu beitragen, die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken.

Eine einmalige Anleihe

Wir brauchen dazu ein ambitioniertes Programm zur digitalen Aufholjagd Europas in allen Bereichen: bei der neuen Mobilfunkgeneration 5G, bei der Förderung von Künstlicher Intelligenz, der Bereitstellung von ausreichendem Venture Capital für Startups und für faire Wettbewerbsbedingungen mit Blick auf die amerikanische und chinesische Dominanz bei digitalen Plattformen und Clouds. Und es geht um den Aufbau einer europäischen Resilienz gegen künftige Pandemien – von der Medizintechnik bis zur Medikamentenproduktion.

Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hatte sich bisher massiv gegen Eurobonds gestellt. Nun aber sieht Hüther eine neue Lage: Es ginge diesmal nicht um eine generelle Veränderung der Haftungsstrukturen, sondern um eine einmalige Anleihe, von der hochverschuldete und von Corona besonders gebeutelte Länder wie Italien und Spanien deshalb profitieren würden, weil die daraus entstehende Zinslast durch die europäische Haftung auf breitere Schultern gelegt würde. 

Die Zukunft finanzieren

Hüther hat recht: Die südlichen Länder Europas haben die gegenwärtige Krise nicht verschuldet, sie sind einfach „befallen“. Corona-Bonds zeigten der ganzen Welt „gemeinsames starkes Handeln und damit die Sicherung der europäischen Integration.“ Er fordert alte Überzeugungen zu hinterfragen: „Auch die Ordnungspolitik muss Dinge in Raum und Zeit würdigen.“ 

Es geht nicht darum, für Fehler der Vergangenheit zu haften. Es geht darum, Zukunft zu finanzieren. Und zwar zielgerichtet, zweckgebunden. Wenn es gelingt, eine einmalige 1000 Milliarden-Zukunftsanleihe zielgerichtet und zeitlich begrenzt für Klima, Umwelt und eine umfassende Digitalwende einzusetzen, dann werden wir die Bürger überzeugen. 

In der jetzigen „epochalen Herausforderung“ (Papst Franziskus) brauchen wir einen ambitionierten Ansatz, keine engstirnige, kleinherzige und national-egoistische Reaktion. Es geht um die Verteidigung und Erneuerung des europäischen Projektes: um den unbezahlbaren Frieden, den wir durch die europäische Idee seit nunmehr 75 Jahren genießen sowie um Freiheit, Wohlstand und soziale Sicherheit, die alles andere als vollkommen, im internationalen Vergleich jedoch unübertroffen sind. 

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