Fernsehmoderator Tucker Carlson - Der mit dem Trump tanzt

Tucker Carlson hat als Fernsehmoderator enormen Einfluss auf die amerikanische Politik: Einst Neoliberaler, betreibt der republikanische Fox-News-Star inzwischen Kapitalismuskritik von rechts und kritisiert die Kriegsbegeisterung der Neokonservativen.

Der Republikaner Tucker Carlson gibt sich in seiner Fernsehsendung als Kämpfer für den kleinen Mann / dpa
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Autoreninfo

Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Anfang Januar 2020 trendete der Hashtag #DritterWeltkrieg auf Twitter, eine Reaktion auf die Tötung des iranischen Militärkommandeurs Qasem Soleimani, die auf Befehl Donald Trumps erfolgt war. Ob der unberechenbare Präsident wohl den Konflikt weiter eskalieren lassen würde, mitsamt einer Invasion am Persischen Golf? Das Thema dominierte selbstverständlich die Presse. Tucker Carlson, der Moderator des derzeit erfolgreichsten Nachrichtenprogramms im amerikanischen Fernsehen, widmete dem Thema mehrere seiner Sendungen im werktäglichen Abendprogramm von Fox News. Carlson blickte düster drein, mahnend. Jetzt nur kein Krieg mit dem Iran, war die Lektion eines jeden Beitrags.

Der heute 52-jährige Carlson wusste ganz genau, was er da tat, denn Trump-­Vertraute bezeugten immer wieder während seiner Präsidentschaft, dass Trump zwar gern Fox News schaue, aber nur eine Sendung allabendlich von Anfang bis Ende: „Tucker Carlson Tonight“. Darum sahen sich selbst linke Intellektuelle das Format des von ihnen abgrundtief verachteten Rechtspopulisten Carlson an, denn jener hatte sich mit seinem einstündigen Programm einen direkten Draht zu Donald Trump eingerichtet. Auf diese Weise wurde man scheinbar Zeuge einer direkten Konversation zwischen ihm und dem mächtigsten Mann der Welt.

Strategisch denkender Republikaner

Der dritte Weltkrieg blieb in der Folgezeit aus, aller Twitter-Panik zum Trotz. Kann Carlson sich das zugutehalten? Inzwischen agitiert er gegen eine Eskalation der Ukrainekrise. Und doch ist diese schon fast pazifistisch anmutende Haltung Carlsons nicht selbstverständlich. Nachdem er sich im Jahr 2000 erstmals als Moderator bei CNN einem größeren Publikum vertraut machte, stach er nicht eben aus dem damals unter den Republikanern vorherrschenden neokonservativen Konsens hervor. Zwar war er bekannt dafür, dass er stets nur Fliege trug (eine Marotte, die er heute zugunsten zumeist gestreifter Krawatten abgelegt hat), aber seine politischen Sichtweisen waren komplett vorhersehbar für einen Unterstützer George W. Bushs – die freie Marktwirtschaft würde schon alles regeln, und Saddam Hussein gehöre gestürzt.

Der Wahlsieg Donald Trumps ließ viele Beobachter spekulieren, dass in den USA ein sogenanntes „realignment“ stattfinde, ein Begriff, der die Neuordnung der politischen Zusammensetzungen der beiden großen Parteien beschreibt. Vormals die Partei reicher Country-Club-Mitglieder, zogen die Republikaner unter Trump ganz ungewohnt Wähler aus dem postindustriellen Mittleren Westen an, für viele Jahrzehnte eine loyale Wählergruppe der Demokraten. Die Partei wusste nicht wirklich etwas mit den neuen Unterstützern anzufangen und verabschiedete zunächst eine massive Kürzung der Unternehmenssteuer, ganz so, als verträte sie doch noch den Country Club. Carlson war die vielleicht einzige prominente Stimme des republikanischen Mainstreams, die erkannte, dass hier etwas nicht im Lot war.

Nur Schattenpräsident

Es folgten Beiträge, in denen er sich zum Beispiel Hedgefonds vornahm und diejenigen republikanischen Politiker, die in Kollaboration mit denselben die Aushöhlung der industriellen Basis der USA vorantrieben. Der neu gefundene Populismus Carlsons war gewiss dezidiert rechter Natur – beklagt wurde hier eine Untergrabung der Lebensgrundlage amerikanischer Familien und ihre „Ersetzung“ durch ausländische Billigarbeitskräfte –, doch zog seine Sendung nun vermehrt linksliberale Gäste an, etwa die Außenpolitikexperten Aaron Maté und Stephen F. Cohen, beide Kritiker des amerikanischen Interventionismus, oder die irische Linkspopulistin Angela Nagle, die ihre Hoffnungen vormals auf den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders gesetzt hatte.

Carlsons Hauptaugenmerk liegt allerdings weiter auf der Beeinflussung republikanischer Spitzenpolitiker, die dem „realignment“ zwar nicht nachgeben wollen und weiterhin die frohe Botschaft des ungezügelten Kapitalismus predigen, aber sich ebenso davor fürchten, die Wut des Fox-News-Moderators auf sich zu ziehen. So musste neulich der texanische Senator Ted Cruz in Carlsons Sendung antanzen und um Verzeihung flehen, dass er die Kapitolstürmer des 6. Januar zuvor als „Terroristen“ bezeichnet hatte – eine „Lüge“, wie ihm Carlson zornig vorwarf.

Warum dann nicht einfach gleich die Politik selbst gestalten, als möglicher Präsidentschaftskandidat? Gemunkelt wird über eine Kandidatur Carlsons schon länger, doch entgegnete er voriges Jahr in einem Podcast-Interview, er würde nur kandidieren, „wenn ich der letzte Mensch auf Erden wäre“. Dann eben Trump, dem momentan laut Umfragen die republikanische Nominierung sicher wäre, wenn er denn wollte. Und dieser würde dann auch weiterhin mitverfolgen, wie Carlson abends die Marschrichtung vorgibt.

Dieser Text stammt aus der März-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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