Syriens Präsident Baschar al Assad - Fest im Sattel

Nach zehn Jahren Bürgerkrieg ist Syriens Präsident Baschar al Assad immer noch an der Macht – und will zeigen, dass eine Stabilisierung des Landes nur mit ihm möglich ist.

Baschar al Assad wird noch lange die Macht in Syrien haben / Marco Wagner
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Autoreninfo

Dr. Guido Steinberg ist Islamwissenschaftler und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin u.a. zum politischen Islam und zum Terrorismus.

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Am 26. Mai dieses Jahres ließ sich der syrische Präsident Baschar al Assad zum vierten Mal seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 in Wahlen bestätigen. Er soll 95 Prozent der Stimmen erhalten haben, doch handelte es sich eher um eine öffentlichkeitswirksame Akklamation, denn das Ergebnis stand lange im Voraus fest. Ziel der Polit­show war es vielmehr, dem Ausland zu signalisieren, dass Präsident Assad fest im Sattel sitzt und eine Mehrheit der im Land verbliebenen Syrer hinter ihm steht.

Dass der syrische Diktator auch nach zehn Jahren Bürgerkrieg weiter in Damaskus herrschen kann, hat vielfältige Gründe. Da ist zunächst die militärische Unterstützung durch Russland und Iran. Als Assads Truppen im Frühjahr 2015 immer weiter in die Defensive gerieten, schickte Moskau Luftwaffe, Spezialkräfte und Militärpolizei, die das Blatt rasch zugunsten des syrischen Diktators wendeten. Dabei half es enorm, dass auch Teheran und mit ihm verbündete schiitische Milizen aus dem Libanon, Irak und Afghanistan ihre schon seit 2011 in Syrien kämpfenden Kontingente im Sommer 2015 aufstockten. Als die syrisch-russisch-­iranische Allianz im Dezember 2016 den bis dahin von Rebellen gehaltenen Ostteil von Aleppo einnahm, schien der Bürgerkrieg entschieden.

Wie hält sich Assad an der Macht?

Assad und seine Verbündeten profitierten auch davon, dass US-Präsident Barack Obama sich nie so recht entschließen konnte, die Aufständischen militärisch zu unterstützen. Zu groß schien den USA die Gefahr, dass islamistische Gruppierungen sich durchsetzen und die Macht in Damaskus übernehmen könnten. Das Regime in Damaskus nutzte diese Furcht vor Al Qaida & Co. rücksichtslos, indem es während dreier großer Amnestien im Jahr 2011 Dutzende, vielleicht Hunderte Islamisten, Salafisten und Dschihadisten freiließ. Die Männer bauten rasch islamistische Gruppierungen auf, die den Aufstand immer stärker prägten und so dem Argument Assads Nachdruck verliehen, bei den Demonstranten und Aufständischen handle es sich samt und sonders um islamistische Terroristen. Als 2014 dann die Organisation „Islamischer Staat“ (IS) große Teile Syriens und des Irak eroberte, gab die Regierung Obama ihr Ziel, Assad zu stürzen, auf, reduzierte ihre bis dahin schon geringe Hilfe für die Rebellen und konzentrierte sich auf die Bekämpfung des IS. 

Doch ist es nicht nur die „große Politik“ Russlands, Irans und der USA, die Baschar al Assad an der Macht gehalten hat. Die vielleicht wichtigste Ursache der Beharrungskraft seines Regimes ist die andauernde Unterstützung durch wichtige Teile der syrischen Bevölkerung. Der Aufstand in Syrien ist nicht nur einer von arabischen Sunniten gegen die herrschenden Alawiten, sondern auch einer der Landbevölkerung gegen die Städte. 

Stadt gegen Land

Da die städtischen Mittelschichten in Damaskus, Aleppo, Homs, Hama und Latakia die oft konservativen Landmenschen verabscheuen und fürchten, blieben sie mehrheitlich auf der Seite des Regimes. Besonders stark ist die Unterstützung für Assad unter den religiösen Minderheiten wie den Alawiten, Christen und Drusen, doch entschieden sich auch viele städtische Sunniten und Kurden für den Diktator als kleineres Übel. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass die Kontrolle des Assad-Regimes über die großen Städte im Westen Syriens nur selten in Gefahr geriet. 

Trotz seiner Erfolge ist es Assad bisher nicht gelungen, den Bürgerkrieg zu beenden. Er hat immer noch keine Kontrolle über den Norden und Nordosten Syriens, wo oppositionelle Kurden, die Türkei und islamistische Rebellen große Gebiete halten. Nach zehn Jahren Krieg fehlt es dem Assad-Regime vor allem an Soldaten und an Geld für größere Kampagnen. Grund für die Geldnot ist eine seit 2019 dramatisch verschärfte Wirtschaftskrise, die auch bisher loyale (oder zumindest ruhige) Bevölkerungsteile von Assad abrücken lassen könnte. Deshalb sind die Präsidentschaftswahlen so wichtig: Sie sollen auswärtige Mächte überzeugen, dass eine Stabilisierung Syriens nur unter Assad möglich ist. 

Ohne Rücksicht 

Erste Erfolge kann der Gewaltherrscher bereits verbuchen, die Vereinigten Arabischen Emirate etwa betreiben die Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga. Größere Finanzhilfen für den Wiederaufbau bleiben bisher allerdings noch aus. Russland und Iran sind wirtschaftlich zu schwach, um diese Aufgabe zu übernehmen. Die USA und Europa lehnen es ab, beim Wiederaufbau zu helfen, weil sie hoffen, Assad vielleicht doch noch stürzen zu sehen. 

Doch diese Hoffnung könnte trügerisch sein. Auch wenn die syrische Wirtschaftskrise sich fortsetzt, dürfte Assad über genug Ressourcen verfügen, um die loyalsten Teile der Armee und der Sicherheitskräfte zu versorgen. Dass er bereit ist, diese bis zur letzten Konsequenz gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, hat er seit 2011 wiederholt bewiesen.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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