Robert F. Kennedy jr. will Präsident werden - Die Angst vor den Unabhängigen

Die Kandidatur von Robert F. Kennedy jr. als Unabhängiger für die Präsidentschaft 2024 ist zwar aussichtslos. Doch beide großen Parteien fürchten, dass er ihren Kandidaten genügend Stimmen wegnehmen könnte, um zwischen Sieg und Niederlage zu entscheiden. 

Nachdem die Demokraten ihn nicht wollten, versucht er es jetzt als „Third-Party Candidate“: Robert F. Kennedy junior / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ronald D. Gerste ist Historiker, Publizist und Augenarzt. Er lebt in der Nähe von Washington, D.C.

So erreichen Sie Ronald D. Gerste:

Anzeige

Robert F. Kennedy war das Idol einer Generation. Der ehemalige Justizminister der USA (im Kabinett seines Bruders John F. Kennedy) und Senator des Bundesstaates New York schien die Option eines Neubeginns zu verkörpern; er war die Personifizierung eines gerechteren Amerika, die Hoffnung auf einen gerade noch rechtzeitigen Ausstieg aus dem menschenverschlingenden Sumpf namens Vietnam. Sein Wahlkampf der 100 Tage im Sommer des Schicksalsjahres 1968 wurde eine Legende, sein Tod durch die Kugeln eines Attentäters eine nationale Tragödie. 

Auch Robert F. Kennedy junior hat Anhänger, die er begeistert, aber es sind wenige, bei weitem keine ganze Generation. Der älteste Sohn von „RFK“ ist zweifellos ein Mann mit einem guten Herzen, der sich für seine Mitmenschen engagiert. Als auf Umweltthemen spezialisierter Jurist hat sich Kennedy über viele Jahre für erneuerbare Energien, für Landschaftsschutz und sauberes Wasser, für Minderheiten und indigene Amerikaner eingesetzt. Einige seiner Positionen lassen ihn indes für den Mainstream als Außenseiter, gar als Verschwörungstheoretiker erscheinen – ein Vorwurf, der in den USA gegenüber Andersdenkenden ebenso inflationär eingesetzt wird wie in der einen oder anderen westlichen Demokratie.

Kennedys Geschwister sind gegen seine Kandidatur

Das gilt vor allem für seine Haltung als „Anti-Vaxxer“. Seine Aversion gegen etablierte und weithin als sicher geltende Impfungen übertrug er während der Pandemie nahtlos auf die im Hauruck-Verfahren zugelassenen mRNA-Wirkstoffe gegen Covid-19, womit er für die Leitmedien entgültig zum Außenseiter wurde – und mit seiner beißenden Kritik an dem Kronzeugen für Lockdown und Impfpflichten, dem langjährigen Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, Anthony Fauci, zur Unperson. 

Nachdem sich Kennedy einige Zeit als Präsidentschaftskandidat der Demokraten und als Alternative zu Präsident Joe Biden inszeniert hatte – als im Wahljahr Siebzigjähriger ist er sicher kein vor Jugendlichkeit strotzendes Gegenbild zu den präsumptiven Kandidaten Biden und Trump – ist er nunmehr ein Kandidat als „Unabhängiger“. Ein Independent zu sein, ist im amerikanischen Politspektrum eine Positionierung in einer Grauzone von unbekannter Größe, aber mit beträchtlichem Potenzial. Dies gilt für 2024 umso mehr, als in beiden großen Parteien ein erhebliches Segment der Anhängerschaft Probleme mit den eben Genannten hat – vor allem wegen deren Alter. 

 

Mehr US-Themen: 

 

Kennedys Kandidatur hat umgehend heftigen Widerspruch ausgelöst – und zwar im allerengsten Familienkreis. Vier seiner Geschwister haben seine Kandidatur kritisiert und leicht bösartig hinzugefügt, er teile zwar den Namen mit ihrem Vater, nicht aber dessen Werte, Vision und Urteilskraft: „Wir glauben, dass seine Kandidatur gefährlich für unser Land ist.“ Diese Befürchtung wird bemerkenswerterweise von beiden Parteien geteilt – in einer Epoche mit knappen Wahlergebnissen durchaus verständlich. Bei den Demokraten (in Umfragen unter Parteianhängern sollen fast 20 Prozent ihm den Vorzug gegenüber Biden gegeben haben) kann man nicht ausschließen, dass der Familienname nach wie vor eine beträchtliche Faszination ausübt, und auch sein Kampf gegen „Big Oil“ und seine Umweltaktivitäten könnten manche Wähler der Partei durchaus anziehen.

Auch Ross Perot und Ralph Nader nahmen den großen Parteien Stimmen weg

Auch auf der republikanischen Seite fielen die Reaktionen schnell und heftig aus; er sei ein „typischer liberaler Elitist“ hieß es aus dem Parteihauptquartier. Seine Kritik an der Biden-Regierung in der Spätphase der Pandemie, seine Zurückhaltung in der Unterstützung der Ukraine und eben auch die Feindseligkeit der Mainstreammedien machen Kennedy für manchen Konservativen durchaus attraktiv; nach neuen Umfragen soll sein Rückhalt bei republikanischen Wählern sogar größer sein als bei denen der Demokraten. 

Dass ein Third-Party Candidate, wenn auch öffentlich verspottet, eine Präsidentschaftswahl mitentscheiden kann, belegt die jüngere US-Wahlgeschichte. Präsident George H.W. Bush, gerade noch der strahlende Sieger im ersten Golfkrieg, verlor 1992 vor allem deshalb gegen Bill Clinton, weil die fast 20 Millionen Stimmen für den texanischen Geschäftsmann und Wertkonservativen Ross Perot vornehmlich aus dem Wählerreservoir der Republikaner kamen. Acht Jahre später wendete sich das Blatt: Der Kandidat der Grünen, Ralph Nader, bekam fast 2,9 Millionen Stimmen – von Wählern, die sonst wohl weit mehrheitlich für den Demokraten Al Gore und nicht für den letztlich siegreichen George W. Bush gestimmt hätten.  

Robert F. Kennedy junior weiß um das Potenzial einer letztlich chancenlosen Kandidatur: „Die Demokraten fürchten, ich verderbe es für Präsident Biden. Die Republikaner fürchten, ich verderbe es für Präsident Trump. Meine Absicht ist es, es ihnen beiden zu vermasseln.“ Dennoch: Einer von beiden würde ihn am Wahlabend oder an den Tagen danach in sein Dankgebet einschließen. 

Anzeige