Die Außenpolitik des neuen amerikanischen Präsidenten - Biden im Härte-Check

Die neue amerikanische Regierung sieht sich großen Herausforderungen gegenüber – insbesondere mit Blick auf China, Russland und den Nahen Osten. Schon in den nächsten Wochen dürfte US-Präsident Joe Biden auf die Probe gestellt werden. Das ist mit erheblichen Risiken verbunden.

US-Präsident Joe Biden / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

George Friedman, 74, ist einer der bekanntesten geopolitischen Analysten der Vereinigten Staaten. Er leitet die von ihm gegründete Denkfabrik   Geopolitical Futures  und ist Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien „Der Sturm vor der Ruhe: Amerikas Spaltung, die heraufziehende Krise und der folgende Triumph“ im Plassen-Verlag.

So erreichen Sie George Friedman:

Anzeige

Die Außenpolitik der USA unterteilt sich in verschiedene Phasen. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Jahr 1972 stand sie im Zeichen der Konfrontation mit der Sowjetunion und den ihr angeschlossenen kommunistischen Regimes. Die Dinge änderten sich ein wenig in den frühen 1970er Jahren, als die USA, geschwächt durch den Vietnamkrieg, begannen, mit China gegen die Sowjetunion zu arbeiten, um schließlich eine Entspannung herbeizuführen.

Dass dauerte bis 1991 und dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Von den frühen 1990er Jahren bis 2001 war Washington darauf fixiert, an der Spitze einer globalen, friedlichen Weltordnung zu stehen. Das änderte sich mit dem 11. September 2001, in dessen Folge sich die Politik auf den globalen Krieg gegen den Terror konzentrierte. Diese Kriege waren kostspielig und wenig effektiv.

Konfrontation mit Russland

Die aktuelle Phase der US-Außenpolitik wurde von Barack Obama eingeleitet. Sie bestand darin, die militärischen Streitkräfte im Nahen Osten zu reduzieren und eine neue Beziehung zur muslimischen Welt aufzubauen, eine feindlichere Haltung gegenüber Russland einzunehmen und Moskaus Streifzügen im nahen Ausland etwas entgegenzusetzen, sowie China in Bezug auf die Handelsbeziehungen und insbesondere Pekings Manipulation seiner Währung zu konfrontieren.

Donald Trumps Außenpolitik folgte diesem Kurs. Er wollte die Truppen aus dem Nahen Osten abziehen und eine neue Beziehung zu der Region aufbauen. Trump war maßgeblich daran beteiligt, eine Koalition aus verschiedenen arabischen Nationen und Israel gegen den Iran zu formieren, und führte einige unerwartete Truppenabzüge durch. Er übte wirtschaftlichen Druck auf China aus, dessen Auswirkungen noch abzuwarten sind. Und schließlich setzte er die Konfrontation mit Russland fort, indem er US-Truppen in Polen, Rumänien und am Schwarzen Meer aufrechterhielt.

Es gab natürlich noch viele andere Aspekte der jeweiligen Außenpolitiken, aber dies waren die Leitlinien. Die Beziehungen zu Europa waren ein Mittel zur Bewältigung anderer Probleme, so wie sie es seit 1945 gewesen waren. Die Beziehungen zu Ostasien waren in ähnlicher Weise instrumentell. Aber die Schlüsselelemente der außenpolitischen Ära von Obama und Trump waren der Rückzug und die Umstrukturierung des Nahen Ostens, die Eindämmung Russlands und die Auseinandersetzung mit China. Die Sprache, die Gesten und die allgemeine Atmosphäre waren anders, aber die Realität war die gleiche. Sie hatten keine andere Wahl. Der Nahe Osten war unverzichtbar, und die Außenpolitik von George W. Bush hatte ihren Lauf genommen.

Gefahrenherd Iran

Joe Biden tritt in seine Präsidentschaft mit ebenso wenig Wahlmöglichkeiten ein wie Trump. Der Ton und der Tenor werden radikal anders sein, aber die Politik nicht. Biden hat zum Beispiel angedeutet, dass er eine versöhnlichere Politik gegenüber dem Iran verfolgen wird. Das Problem ist, dass die neue Architektur der Region aus Staaten besteht, die dem Iran grundsätzlich feindlich gesinnt sind, insbesondere was seine nuklearen Fähigkeiten betrifft. Sie trauen iranischen Versprechungen in dieser Frage nicht, denn ein Verrat könnte für sie katastrophale Folgen haben.

Biden kann weder zulassen, dass die aufkeimende Bündnisstruktur auseinander fällt, noch kann er es sich leisten, ohne eine starke Hand der USA voranzugehen. Biden kann sagen, dass er dem Iran gegenüber versöhnlicher sein will, und das kann er auch sein – aber er kann dies nur tun, indem er eine Alternative zu der regionalen Allianz vorschlägt, die während der vorherigen Regierung geschaffen wurde.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Biden beabsichtigt, die US-Politik gegenüber Russland und China zu ändern. Und wenn er es tut, wird es als Reaktion darauf sein, wie sich China und Russland verhalten, wenn er ins Amt kommt. China könnte selbst versöhnlich werden und sich den amerikanischen Forderungen beugen, oder es könnte zunächst militärisch aggressiver werden, um Biden zu testen und nach möglicher Schwäche zu suchen. Wie Biden auf beide Szenarien reagiert, wird die amerikanisch-chinesischen Beziehungen prägen. Die Initiative liegt in Chinas Händen, da die USA ihre derzeitigen Positionen halten können.

Die Trump-Logik hat Bestand

Ebenso kann Russland weiterhin strategische Tiefe gewinnen, indem es informelle Fakten etwa in Weißrussland oder auf dem Südkaukasus schafft. Wenn dies der Fall sein sollte, müssen die USA ihre Eindämmungspolitik modifizieren – aber nicht aufgeben. So wie die Logik der Obama-Ära unter Trump bestehen blieb, so wird auch die Trump-Logik unter Biden Bestand haben und sich den neuen Realitäten und der Rhetorik anpassen. Die US-Politik wird sich weiterhin auf die neue Ausrichtung im Nahen Osten, die Eindämmung Russlands und die Konfrontation mit China konzentrieren.

Das Versprechen, sich den globalen Verbündeten wieder anzunähern, ist lobenswert – einen Versuch ist es jedenfalls wert. Die USA können versuchen, harmonischere Treffen mit den Europäern hinzubekommen. Die Europäer wiederum könnten sich entscheiden, konfrontativer gegenüber China aufzutreten – aber das wird nur passieren, wenn es in ihrem eigenen Interesse liegt, nicht weil es in die Parameter dessen passt, was „normale Diplomatie“ ausmacht.

Die Interessen der USA und Europas kollidieren in der Regel nicht, aber sie sind auch nicht perfekt aufeinander abgestimmt. Die Europäer neigen dazu, risikoscheu zu sein, besonders in Asien, wo die USA es sich nicht leisten können, untätig zu sein. Jeder dort hat Angst vor China. Eine plötzliche Versöhnung zwischen China und den Vereinigten Staaten käme einem Erdbeben gleich.

Innenpolitische Turbulenzen

Außenpolitik entwickelt sich, aber manchmal entwickelt sie sich schnell und auf gefährliche Weise. Biden ist Präsident, aber seine Außenpolitik wird, wie die aller anderen Präsidenten auch, von innenpolitischen Turbulenzen flankiert sein und daher nach Vorhersehbarkeit streben. Seltsamerweise galt das auch für Trump, obwohl es nicht den Anschein hatte.

Was Biden fürchtet, wird aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich eintreten: ein „Bauchcheck“ von den Chinesen, Russen oder Iranern. Wenn er klug genug ist, wird er sie so steuern, dass er an der Politik, die er geerbt hat, festhalten kann. Das ist das wahrscheinlichste Szenario. Denn innovativ zu sein, während man getestet wird, kann unerwartete Konsequenzen haben.

Anzeige