Maya Regev im Porträt - „Ich sterbe!“

Sie entkam den Fängen der Hamas-Terroristen und kämpft jetzt für die verbliebenen Geiseln: Maya Regev ist das bekannteste Gesicht der israelischen Freilassungsbewegung.

Maya Regev / Foto: Ziv Koren
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Autoreninfo

Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

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Das Grauen begann am Morgen des 7. Oktober 2023. Stunden zuvor hatten die 21-jährige Maya Regev und ihr 18-jähriger Bruder Itay auf dem Nova-Festival im Süden Israels zu Trance-Musik getanzt. Nun fuhren sie im Auto um ihr Leben, auf der Flucht vor Hamas-Terroristen, die mit ihren Sturmgewehren junge Menschen zu Dutzenden niedermähten. In ihrer Panik rief Maya Regev ihren Vater an, der das Gespräch aufzeichnete. „Sie schießen auf mich!“, schreit die junge Frau darauf, die Stimme schrill vor Todesangst. „Ich sterbe!“

Rund 1200 Menschen ermordeten die Terroristen an jenem Tag, allein 364 davon auf dem Festival-Gelände, viele nach grausamer Folter. Dazu verschleppten sie mehr als 250 Menschen in den Gazastreifen, unter ihnen Maya Regev, ihr Bruder und ein gemeinsamer Freund, Omer Shem Tov. Maya und Itay Regev kamen nach über 50-tägiger Geiselhaft während der verhandelten Feuerpause im November frei. Omer Shem Tov harrt bis heute im Gazastreifen aus – sofern er noch lebt: Manchen Einschätzungen zufolge könnte die Hälfte der verbliebenen Geiseln nicht mehr am Leben sein.

Bedroht, geschlagen, gedemütigt

Kein Thema bewegt die israelische Gesellschaft seit jenem schwarzen Schabbat, wie der 7. Oktober hier genannt wird, so sehr wie das Schicksal der Verschleppten. Ihre Fotos hängen an Fassaden und Bushaltestellen, an Schaufenstern und Gartenzäunen. Woche für Woche demonstrieren Tausende für ein neues Abkommen mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln. Aus der kollektiven Angst um deren Schicksal ist eine zivilgesellschaftliche Bewegung entstanden. Und eines ihrer bekanntesten Gesichter ist inzwischen Maya Regev. Die junge Frau tritt bei Demonstrationen auf und gibt Interviews, sie hat UN-Botschafter getroffen und vor der Knesset gesprochen, dem israelischen Parlament. Dabei hat sie immer die gleiche Botschaft: Jede weitere Sekunde, die die Verschleppten in der Gewalt der Terroristen bleiben, ist eine zu viel.
 

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Denn die Bedingungen, unter denen Geiseln ausharren müssen, sind eines Menschen unwürdig. Jene, die während der Feuerpause im November freikamen, berichten davon, wie sie tagelang in engen, dunklen Räumen sitzen mussten, ohne ein Wort zu sprechen; wie sie Hunger und Durst litten und von Hamas-­Männern bedroht, geschlagen, gedemütigt wurden. Zudem gibt es starke Hinweise darauf, dass weibliche Geiseln vergewaltigt wurden – und werden: Denn noch immer sitzen Frauen im Gazastreifen fest.

Maya Regev selbst erzählt, der Terrorist, der sie bewachte, habe gedroht: Sollte die israelische Armee versuchen, sie zu befreien, dann werde er sie erschießen. „Ich will nicht allein sterben“, sagte er. Doch damit konnte er sie nicht einschüchtern. In Gaza habe sie ihre Furcht vor dem Tod verloren, sagt Maya Regev heute. Nur ein Gedanke schreckte sie noch: „Dass man mich berühren würde.“ Bei ihrer Begegnung mit UN-Botschaftern schilderte sie die Demütigung, die sie als Geisel durchlitten hatte. „Die Hamas-Terroristen haben meine Kleidung zerrissen und mir meine Identität und meinen Namen geraubt“, sagte sie. „Dort wird mit einem gespielt. Sie lassen dich denken, du wärst nichts und hättest keine Rechte.“

„Stellen Sie sich vor, es wäre Ihre Tochter!“

Etliche Leichen weiblicher Opfer vom 7. Oktober wiesen Spuren barbarischer sexueller Gewalt auf. Eine Augenzeugin, die das Massaker auf dem Nova-Festival überlebt hatte, berichtete später, Hamas-Terroristen hätten vor ihren Augen eine Frau vergewaltigt, ihr die Brüste abgeschnitten und schließlich in den Kopf geschossen. Es gibt zahlreiche Fotos verstümmelter Leichen, die auf ähnliche Gräueltaten hindeuten. Ein Bericht der UN-Sonderbeauftragten für Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, bestätigte Anfang März, dass die Terroristen aller Wahrscheinlichkeit nach Vergewaltigungen und sexualisierte Folter verübt haben – auch an Geiseln.

Viele israelische Kommentatoren nahmen den UN-Bericht mit bitterer Genugtuung zur Kenntnis. Monatelang hatten israelische Frauenrechtlerinnen um internationale Aufmerksamkeit für die drastischen Beweise sexueller Gewalt gekämpft. Dass viele internationale Frauenorganisationen sowie Gremien wie UN Women zu den Gräueltaten der Hamas bislang wenig bis gar keine Worte verloren haben, sehen viele Israelis als weiteren Beweis für die moralische Doppelbödigkeit der internationalen Gemeinschaft

Maya Regev setzt derweil ihren Kampf für die Freilassung der verbliebenen Geiseln fort. Am Tag nach der Veröffentlichung des UN-Berichts zu den Sexualverbrechen der Hamas trat sie vor der Knesset auf und drängte auf einen neuen Deal mit den Terroristen. „Stellen Sie sich vor, es wäre Ihre Tochter, die da festsitzt!“, rief sie den Abgeordneten zu. „Wie kann man junge Frauen dort zurücklassen?“

 

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