Der Run auf Mallorca - „Am Ende retten die Deutschen der Insel wieder den Arsch“

Seit vom Auswärtigen Amt die Reisewarnung für Mallorca aufgehoben wurde, boomt das Geschäft mit Urlaubsflügen. An Ostern werden die deutschen Touristen zurückkehren. Hier erzählt ein deutscher Koch, warum er darüber gar nicht so glücklich ist – und wie die Pandemie die Insel verändert hat.

Ja, wo laufen die denn? Urlauber kann man auf Mallorca noch an einer Hand abzählen / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Herr Schulz, Deutschland ist im Reisefieber. Seit das Auswärtige Amt die Reisewarnung für Mallorca aufgehoben hat, hat der Run auf Flüge eingesetzt. Ist das die langersehnte Rettung der Insel?

Nein, ich rechne auch für Ostern noch nicht mit einem Riesen-Ansturm. Sie können zwar kommen, aber auf der Insel gibt es strenge Regeln. Die Restaurants sind ab 17 Uhr geschlossen. Von 22 Uhr bis sechs Uhr morgens gibt es eine Ausgangssperre. Letztes Jahr waren an Ostern die Strände gesperrt. Ich weiß nicht, ob das diesmal auch kommen wird.

Das macht nicht wirklich Lust auf Urlaub auf Mallorca.

Das stimmt. Ich denke, die ersten Urlauber, die jetzt kommen, das sind die Immobilienbesitzer, die lange nicht mehr da waren und nach dem Rechten gucken müssen. Da ist vieles liegengeblieben. Klar, einige haben dafür eigenes Personal. Aber als ausländischer Hausbesitzer muss man auch alle zwei Jahre seine Papiere auf der Bank vorlegen. Sonst werden Konten gesperrt. Das heißt, die Leute müssen einfach mal kommen, um sowas zu regeln.

Mallorcas Wirtschaft liegt am Boden. Zwei von drei Bewohnern leben vom Tourismus. Müssten die sich nicht darüber freuen, dass die Touristen zurückkommen?

Nein, der Insel geht es eigentlich ganz gut. Klar, gibt es Menschen, die unter der Flaute leiden und Viertel, die verslummen. Aber den meisten Mallorquinern geht es richtig gut

Dabei sind die meisten gerade arbeitslos. Wie kann das sein? 

Die Spanier, die nicht in der Gastronomie oder Hotellerie arbeiten, haben weiter gut verdient. Also, die Restaurants sind hier mittags gefüllt. Es wird weiterhin gebaut. In den letzten Tagen sind hier fünf neue Kräne aufgetaucht.

Und was ist mit Leuten wie Ihnen, die im Lockdown nicht arbeiten können?

Wir bekommen mehr Kurzarbeitergeld  als Arbeitslosengeld. Das ist nicht viel, aber immerhin 100-200 Euro mehr im Monat. Dazu kommen noch Zuschläge für Kinder. Also, ich sag’s ganz ehrlich: Den letzten Sommer habe ich genossen. Sonst habe ich nichts von der Insel, weil ich um diese Zeit immer arbeiten muss.

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Endlich mal keine Touristen?

Genau, wir hatten die Insel ganz für uns. Ich lag viel am Strand. Und ich war nicht allein.

Carsten Schulz / privat 

Und was ist, wenn Ihr Restaurant schließen muss?

Darüber mache ich mir lieber keine Gedanken. Unsere Arbeitgeber können uns nur kündigen, wenn sie uns eine Abfindung zahlen. Unsere Verträge liegen jetzt erstmal auf Eis. Wenn es jetzt wieder losgeht, müssen die Arbeitgeber das Personal zurückholen und für sechs Monate wieder anstellen. Und das macht einigen natürlich schon Angst. Keiner weiß, ob die Saison funktioniert und wie lange sie dauert.

Steuereinnahmen, die wegbrechen. Kurzarbeitergeld, das monatelang ausgezahlt wird. Wie lange soll das noch gutgehen?

Ich wundere mich sowieso schon, dass der Staat nicht schon Pleite gegangen ist. Ohne die EU wären wir schon verloren.

Das heißt, auch deutsche Steuerzahler ermöglichen es Ihnen, dass Sie sich in der Krise von deutschen Urlaubern erholen können? 

Könnte man so sagen. 

Zu Ostern öffnen jetzt auch nur 10 Prozent der Hotels auf der Insel

... hier in Santa Ponsa hat bislang kein einziges auf ...

... und die, die geöffnet sind, sind nur zu 10 bis 15 Prozent ausgelastet. Dabei ist die Insel unter normalen Bedingungen an Ostern zu 75 Prozent ausgebucht. Und aus England hört man, die Menschen könnten es kaum erwarten, Urlaub am Ballermann zu machen. Die Inzidenz ist mit 20 auch so gering wie nirgendwo sonst. Warum ist die Nachfrage nicht größer?

Die Engländer dürfen erst ab Mitte Juni kommen. Und wenn sie zurückkommen, müssen sie sich für zehn Tage in einem vom Staat gestellten Hotel in Quarantäne einmieten – auf eigene Kosten. Das sind ungefähr 1.700 Pfund. Also, der englische Tourismus ist ganz eingebrochen.

Woher könnten denn sonst noch Urlauber kommen?

Aus Italien oder aus Frankreich, aber da gehen die Zahlen ja auch gerade wieder hoch. Es werden am Ende wieder die Deutschen sein, die der Insel den Arsch retten.

Aber warum sollten die kommen, wenn ab 22 Uhr Ausgangssperre ist? Normalerweise fängt das Nachtleben doch um diese Zeit gerade erst an.

Na ja, wir dürfen auch seit Monaten abends nicht mehr raus. Die Spanier sind zu Hause. Aber um diese Zeit ist sowieso alles dunkel. Man ist dann eben abends im Hotel.

Und spielt Mau-Mau oder Mensch-Ärgere-Dich-Nicht?

Es wird eben ein ganz anderer Urlaub sein. Ich weiß nicht, ob die Hotel ihre Hotelbars aufmachen. Ich denke, die werden ein Animationsprogramm anbieten.

Es dürfen sich auch nur Menschen ein Hotelzimmer teilen, die sonst auch zusammenleben. Wer kontrolliert, ob das eingehalten wird?

Das war ein großes Thema für die Hoteliers. Sie können ja keine polizeiliche Untersuchung durchführen. Die Gäste müssen unterschreiben, dass sie sich auch in Deutschland einen Haushalt teilen. Wenn sich herausstellt, dass das nicht stimmt, geht die Strafe an sie, nicht an den Hotelier.

Aber wer wirklich feiern will, wird das womöglich trotzdem tun – wild am Strand oder auf Parkplätzen.   

Das wird mittlerweile kontrolliert. Aber die Insel ist natürlich groß. Es gibt viele Fincas. Und für die gibt es keine Durchsuchungsbefehle. Es ist jetzt schon zweimal vorgekommen, dass es da große Partys gab. Eine dauerte sogar drei Tage, mit Alkohol- und Drogenverkauf. Aber die Richterin hat sich geweigert, die Gäste durchsuchen zu lassen. Es war ja ein Privatgrundstück. Eine heikle Geschichte. Vielleicht waren die Kinder der Richterin unter den Gästen. Man weiß es nicht. Hier regiert noch die Vetternwirtschaft.

Klingt, als seien die Vermieter privater Fincas die Profiteure der Krise?

Ich sage doch: Es geht denen nicht schlecht. Es sind immer die Einheimischen, die sich nicht an die Regeln halten. Letzten Samstag waren wir unterwegs, um was zu essen. Da wurde der Abstand zwischen den Tischen nicht eingehalten. Da fährt die Polizei vorbei, guckt einmal in den Laden rein – und fährt weiter.  Ich schätze, 20 Prozent der Mallorquiner halten sich nicht an die Regeln. Und dann kommt auch noch Ostern.

Was meinen Sie damit?

Es ist eines der wichtigsten Familienfeste in Spanien. Alle Veranstaltungen, die draußen stattfinden, wurden abgesagt. Aber andere Events in Innenräumen wurden zugelassen. Da wird keiner von der Polizei angehalten, weil die Beamten ja alle selbst feiern wollen.

Vor der Coronakrise hat man immer den Ballermann-Touristen nachgesagt, dass sie sich nicht an die Regeln gehalten haben. Tourismus-Experten befürchten, dass Mallorca zum neuen Ischgl wird. Teilen Sie diese Sorge?

Nein, gar nicht. Die Regierung schreibt den Urlaubern mit ihren Regeln  ja einen ganz anderen Urlaub vor, und das ist auch gut so. Wichtig ist, dass der Alkoholkonsum im Freien reguliert wird, denn Betrunkene sind die eigentliche Gefahr. Sie fallen aus dem Rahmen. 

In Deutschland verstehen viele nicht, warum man zwar nach Mallorca fliegen, aber nicht an der Ostsee Urlaub machen darf. Verstehen Sie das?

Nein, das gebe ich offen zu. Wir wissen mittlerweile alle, dass das Virus nicht so schnell verschwinden wird. Wir werden noch längere Zeit mit Corona leben müssen. Dann lasst uns doch langsam mal damit anfangen. Macht drei Hotels an der Ostsee auf! Zeichnet Kästchen in den Sand, um den Strand einzuteilen. Zwei mal zwei Meter. Bei uns saß letzten Sommer am Katzenberger-Strand den ganzen Tag ein Kontrolleur auf der Mauer und hat alles geregelt. Aber das macht eben Arbeit. Und ich habe das Gefühl, die will keiner machen.

Ihre Prognose: Wie lange wird es noch dauern, bis der Mallorca-Urlaub wieder das wird, was er mal war?

2022. Dann kommen die ersten Urlauber wieder zur Mandelblüte, dann die Karnevalsflüchtlinge, die Osterurlauber, die Vatertagstouristen und Pfingsturlauber. Vielleicht wird Mallorca nicht mehr die Party-Insel sein, die sie mal war. Aber für eine reine 5-Sterne-Insel reicht es auch nicht. So viele vermögende Touristen kommen nicht.

Gibt es auch Touristen, die Sie gar nicht wieder sehen wollen?

Ja, diese Abi-Urlaube, die sind zuletzt ausgeartet. Erst waren es nur die Engländer, die sich ins Koma gesoffen haben. Die jungen Deutschen haben sich aber auch verändert. Viele wissen einfach nicht, wann Schluss ist. Die reißen in den Hotels die Feuerlöscher aus den Halterungen und versprühen Schaum. Das Schlimmste ist, dass die Mädels inzwischen auch mitmachen. 

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt. 

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