Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern - Der Heiligenschein ist weg

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern wurde weltweit gefeiert als erfolgreiche linke Regierungschefin – doch seit ihre No-Covid-Strategie gescheitert ist, herrscht Ernüchterung. Das aktuelle Covid-19-Impfmandat zum Beispiel ist nicht bei jedem gern gesehen.

Die Beliebtheitswerte der neuseeländischen Regierungschefin Jacinda Ardern gehen mittlerweile nach unten / dpa
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Barbara Barkhausen arbeitet als Australien-Korrespondentin für TV-Sender, Radiosender und Zeitungen in Sydney. 

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Neuseelands Premierministerin hat keine einfachen Regierungsjahre hinter sich. In ihrer ersten Amtszeit musste Jacinda Ardern eine Terror­attacke, einen Vulkanausbruch und die Pandemie bewältigen. Alle drei Krisen meisterte sie mit exzellenter Kommunikation und viel Empathie. Dies belohnten die Neuseeländer bei der letzten Wahl im Oktober 2020 mit einem Erdrutschsieg für ihre Labour Party, Neuseelands sozialdemokratische Partei. Fast 50 Prozent der Stimmen gingen an sie, während die Oppositionspartei – die National Party – nur auf rund 27 Prozent kam. Politische Kommentatoren sprachen damals von einem „Blutbad für die Konservativen“. 

International wurde sie bald zum Star der Linken und zeitweise als „Anti-­Trump“ gefeiert. Die Medien lieben sie, nicht zuletzt auch, weil ihr Privatleben deutlich interessanter ist als das vieler anderer Politiker: Ihr Mann ist Fernsehmoderator, sie selbst legt gern mal als DJ Musik auf, gönnt sich gelegentlich ein Gläschen Whisky und ist Katzenliebhaberin. Viele Pluspunkte bringt der Neuseeländerin – die in einer Mormonenfamilie aufwuchs, sich später aber von der Kirche abwandte –, dass sie stets die Fassung bewahrt. So blieb sie bei einem Erdbeben während eines Live-Interviews die Ruhe in Person und ließ sich bisher auch nie von Reportern provozieren. 

No-Covid bröckelt

Als ein Moderator sie (vor ihrer Schwangerschaft) fragte, ob sie sich Kinder wünsche, wies sie ihn mit einer gewissen Strenge in der Stimme zurecht: „Es ist im Jahr 2017 total inakzeptabel zu sagen, dass Frauen diese Frage am Arbeitsplatz beantworten müssen.“ Als zweite Regierungschefin der Welt bekam sie dann auch während ihrer Amtszeit ein Baby und ging sechs Wochen lang in Mutterschutz. Ihre weltweite Popularität manifestierte sich aber vor allem inmitten der Tragödie von Christchurch. Als dort ein rechtsextremer Terrorist im März 2018 über 50 Menschen in zwei Moscheen ermordete, wurde die Premierministerin zur Stütze der Angehörigen und Opfer. 

Während der ersten anderthalb Jahre der Pandemie sorgte die No-Covid-­Strategie Arderns dafür, dass die Neuseeländer ein weitgehend normales, wenn auch abgeschottetes Leben am anderen Ende der Welt führten. Ihr „Fünf-Millionen-Team“, wie Ardern ihr Volk gerne nennt, hielt sie über Pressekonferenzen und ihre beliebten Facebook-Live-Schalten bei Stange.

Erst ein Ausbruch der Delta-Variante des Coronavirus im August startete eine neue „Ära“ des Covid-Managements. Die erprobten Methoden des Blitzlockdowns und der strengen Restriktionen über einen kurzen Zeitraum hinweg griffen gegen die infektiösere Variante nicht mehr. Und Omikron erschwerte die Situation nun noch mehr. Inzwischen meldet der Inselstaat täglich rund 100 bis 150 Neuinfektionen. Mit diesen ersten Schwachstellen in dem bis dahin so erfolgreichen Covid-Management begann auch die Popularität von Premierministerin Jacinda Ardern langsam zu sinken. 

Von außen beliebter

Drei Umfragen im November brachten eine erste Ernüchterung, und eine aktuelle Befragung lieferte das bisher schlechteste Ergebnis, seit Ardern 2017 ins Amt kam. Neben dem Virus sind es vor allem die steigende Inflation und höhere Lebenshaltungskosten, die die Neuseeländer belasten. Auch andere neuseeländische Problemthemen wie Wohnungsnot, Kinderarmut oder eine hohe Selbstmordrate stehen bisher ohne große Erfolge auf der Agenda Arderns. 

Dass der Stern der Neuseeländerin im Inland inzwischen nicht mehr so hell strahlt wie international (Ardern wurde für den Friedensnobelpreis nominiert und zierte die Titelbilder der britischen Vogue und des Time Magazine), hält Stephen Levine, ein Politikexperte der Victoria University in Wellington, jedoch für normal: „Es ist Realität, dass einer Person von Außenstehenden manchmal mehr Respekt und mehr Anerkennung zuteilwird als von denen, die ihr näher sind“, schreibt er und verweist dabei auf Angela Merkel, die auf der ganzen Welt für ihre Führungsqualitäten „gefeiert“ wurde. 

Hochzeitsausfall wegen Omikron

Nicht zuletzt habe Ardern einige harte Entscheidungen im Land treffen müssen – etwa bei der Waffenkontrolle (nach dem Christchurch-Attentat verbot sie halbautomatische Schusswaffen). Und auch das aktuelle Covid-19-Impfmandat ist nicht bei jedem gern gesehen. Danach müssen sich Angestellte, die in Geschäften arbeiten, in denen Kunden ihre Impfzertifikate vorzuzeigen haben, selbst auch impfen lassen. 

Doch auch ohne „Heiligenschein“ ist Ardern nach wie vor die präferierte Regierungschefin im Land. Neben ihrer Empathie und ihrer guten Kommunikationsfähigkeit verdankt sie einen Teil ihrer Beliebtheit der Tastsache, dass sie sich stets auf die gleiche Ebene mit ihrem Volk begibt. So sagte sie aufgrund der Restriktionen, die die Omikron-Variante nötig machten, kurzerhand auch ihre eigene Hochzeit ab.

 

Dieser Text stammt aus der März-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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