Konflikt zwischen Iran und Amerika - Der Gau des Ayatollah

Die Regierung des Iran erlebt im Konflikt mit Amerika eine politische Katastrophe. Proteste auf den Straßen Teherans richten sich immer mehr gegen die Mullahs statt gegen die USA. Die Abkehr von der Obama-Strategie könnte sich für Donald Trump als richtig erweisen

Bergung der Opfer des Flugzeug-Abschusses von Teheran / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Politiker und Regierungen kommen besonders dann unter Druck, wenn Ansage und Ergebnis in einem krassen Missverhältnis stehen. Das ist eine weltweit gültige Regel, auch in Kulturkreisen, in denen das Vollmundige noch mehr als hierzulande dazugehört

Was hatte das Regime in Teheran nach der streitbaren Tötung des ranghohen General Qasem Soleimani in Bagdad auf Anordnung des amerikanischen Präsidenten nicht alles behauptet. Der Nationale Sicherheitsrat des Iran trat zusammen und ließ wissen, es lägen 13 Optionen der Vergeltung auf dem Tisch und selbst die harmloseste davon würden Albträume der Amerikaner wahr werden lassen.

Tote Iraner statt toter Amerikaner

Am Ende entschieden sie sich dafür, zwei Militärbasen im Irak unter Raketenbeschuss zu nehmen, von denen eine Vielzahl ihr Ziel verfehlten. Obwohl das Regime hinterher behauptete, 80 Amerikaner getötet zu haben, kam niemand ernsthaft zu Schaden. Offener auch, weil dieser Angriff, in Kategorien der Vergeltung eher ein Wurf eines Wattebäuschchens, auch noch angekündigt war. Der Doppelschlag war also ein bedingt erfolgreicher, vorher angekündigter, weitgehend folgenloser Wattebäuschchenweitwurf.

Den behaupteten Anzahl 80 toter amerikanischer Soldaten stehen nun 176 iranischstämmige Zivilsten gegenüber, die bei dieser Militäroperation ums Leben kamen. Darunter Kinder und Frauen. Denn die Vermutung bewahrheitete sich: Der Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine in der gleichen Nacht wer kein Absturz, sondern ein Abschuss. Ein Abschuss, den die Flugabwehr der Revolutionsgarden zu verantworten hat.

Die Macht der Fakten trifft das Regime

Es ist ein Gau, der da für die Mullahs in Teheran eingetreten ist. Gerade noch sah es so, als lasse der Drohnenangriff der USA auf den gefährlichsten Mann des Iran selbst regimekritische Kräfte im Iran wieder enger an die Führung heranrücken. Fernsehbilder von der Beerdigung des Generals schienen das gerade noch zu bestätigen – bei der übrigens nochmal 50 Iraner in einer Massenpanik totgetrampelt wurden, was am Ende auf schlechte Organisation hinweist und ebenfalls auf das Regime zurückfällt.

Kurzum: Es ist ein Desaster. Die Großmäuler in der geistlichen und weltlichen Führung des Landes stehen bis auf die Knochen blamiert da. Die ersten Demonstrationen brechen sich nun Bahn. Denn selbst ein Land mit einer solch intakten Propagandamaschine wie dem Iran kommt gegen die Macht der Fakten nicht an. Das verhängnisvolle Feuer auf die eigenen Landsleute oder Menschen mit iranischer Herkunft kann selbst ein Präsident Hassan Rohani oder ein Ayatollah Ali Khamenei schwerlich den USA in die Schuhe schieben, auch wenn das natürlich versucht wurde.

Die letzten Tage legen den Verdacht nahe, dass es sich beim Iran um ein dysfunktionales Staatsgebilde handelt, an dem möglicherweise die Sanktionen mehr nagen, als es die Führung des Landes logischerweise einräumen möchte.

Ist die US-Strategie wirklich so falsch?

Es wäre nicht richtig, wegen des Verlaufs der Ereignisse alle berechtigten Einwände gegen die Tötung des iranischen Generals zurückzunehmen. Das war nach Lage der Dinge ein eklatanter Bruch des Völkerrechts.

Aber es lohnt sich doch einen Moment lang innezuhalten und sich zu fragen, ob der amerikanische Approach an das Land so eindeutig falsch ist und kontraproduktiv, wie es gerne dargestellt wird. In der aktuellen Ausgabe der Zeit gibt es dazu auf Seite 2 ein interessantes Stück. Der US-Korrespondentin des Blattes ist es gelungen, einen hochrangigen Regierungsbeamten der US-Administration zu sprechen, den sie anonym zitiert.

Diese Person rechtfertigt nicht die peinlichen Trumpismen, wie jenen, als der US-Präsident behauptet hatte, die USA hätten 52 Ziele, darunter islamisch-kulturelle, im Iran markiert, die man angreifen könne. Diese Liste habe es nie gegeben, und die Zahl 52 hat der US-Präsident nur symbolisch gewählt, weil es 52 Geiseln waren, die nach der Revolution von 1979 ein Jahr lang in der US-Botschaft in Teheran festsaßen. Mit einem ähnlichen Zahlenspiel ist auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer einmal zu Recht auf die Nase gefallen, als er sich für 69 Abschiebungen zu seinem 69. Geburtstag bedankt hatte.

Abkehr von der Obama-Strategie

Aber diese Quelle der Zeit-Kollegin widerlegt schlüssig, dass dem Handeln dieser US-Administration keine Strategie zugrunde liege. „In Wahrheit“, sagt er, „haben wir sehr wohl eine.“ Diese habe nur eine völlig andere Sicht auf die Dinge als jene der Administration von Barack Obama. Für die aktuelle US-Administration, sagt er, sei Iran kein „normaler Staat“. darüber hinaus seien dessen aggressive militärische Aktivität in Form des Schiitischen Halbmondes ein Übel, das für das zweite Übel, das Erstarken (sunnitischen) „Islamischen Staates“ in der Region ausschlaggebend sei.

Obama habe geglaubt, der Iran werde sich durch Anreize in einen verantwortliche Akteur verwandeln. genau das aber sei gescheitert, weshalb die USA mit dieser Strategie gebrochen und auf massive Abschreckung umgestellt haben. „Die Wiederherstellung der Abschreckung ist entscheidend. Die Vereinigten Staaten haben deutlich gemacht, dass sie nicht zögern werden, energisch und mit vollem Risiko gegen iranische Ziele vorzugehen. Wir machen den Iranern klar, dass sie sich nicht hinter ihren Vasallen verstecken können.“

Das ist alles nicht vereinbar mit dem, was Trump vor seinem Amtsantritt und auch in der ersten Seite danach gesagt hat. Rückzug aus dieser Region war seine Devise. Aber nun ist es so, und es lohnt sich jedenfalls, erstens diese neue Strategie zur Kenntnis zu nehmen und nicht gleich davon auszugehen, dass sie falsch ist.

Schuldig ist Ali Chamenei

Das Desaster des Flugzeugabschusses statt einer Vergeltung, diese Riesenblamage des Regimes der Großmäuler wird seine Folgen haben. Der Kommandierende General, der den verheerenden Fehler zu verantworten hat, hat schon gesagt, dass er am liebsten tot wäre. So eine Äußerung sollte man nicht leichtfertig tun bei eine Regime, das einen Schuldigen braucht und das ihm diesen Wunsch schneller erfüllen könnte als ihm lieb ist.

Der iranische Präsident Rohani ist der zweite Prellbock, der sich noch anbietet, um die heranrauschende Energie des Protestes zu absorbieren. Aber am Ende wissen alle im Iran und außerhalb, dass die wahre schuldige Figur Ali Chamenei heißt. Denn die Rafsandschanis und Ahmadinedschads und Rohanis hat man kommen und gehen sehen.

Chamenei ist schon immer da, jedenfalls seit 1989, der zweite Ayatollah nach dem Revolutionsführer Ruhollah Khomenei von 1979, der die Iraner gegen den Schah mobilisierte, in dem seine fundamental-islamische Mission zunächst als Arbeiterbewegung tarnte und sein wahres Gesicht erst später zeigte. Auch bei Chamenei hatte sich der Westen zu Anfang dem Glauben hingegeben, das mit ihm liberalere Zeiten anbrächen.

Es war, wie sich erwies, eine große Illusion.

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