Hausdurchsuchung bei Donald Trump - Kriegserklärung an die Republikaner

Das FBI hat das Anwesen Mar-a-Lago von Ex-Präsident Donald Trump durchsucht. Ein präzedenzloser Vorgang. Angeblich hätten die Fahnder nach Unterlagen gesucht, die Trump rechtswidrig aus dem Weißen Haus entfernt haben soll. Ähnliche Vorwürfe gegen Hillary Clinton blieben allerdings stets folgenlos. Die republikanische Basis sieht hinter der Hausdurchsuchung ein politisches Manöver - und hat auch gute Gründe dafür.

Irgendwas wird man schon finden: Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida / dpa
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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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„Die Meldung schlug ein wie eine Bombe.“ „Es könnte der Anfang vom Ende sein.“ „Die Lage wird eng.“ „Jetzt war’s das für ihn. Garantiert.“

Wenn Sie vom Januar 2017 an gebannt die US-Fernsehnachrichten verfolgt haben, konnten Sie hören, wie diese Floskeln immer und immer wieder heruntergerattert wurden. Sie kamen zur Anwendung, wenn es schon wieder eine Sensationsmeldung über vermeintliche Vergehen Donald Trumps gab. Irgendein Witzbold nahm sich darauf die Zeit und schnitt Clips dieser Floskeln zusammen. Die Montage beweist vor allem, dass die Nachrichtensprecher gefälligst nicht mehr voneinander abschreiben und ihr Repertoire an Redewendungen und Metaphern ausweiten sollten.

Aber wie gesagt, jetzt war’s das für ihn bestimmt. Eine Hausdurchsuchung des FBI bei einem ehemaligen Präsidenten, wie sie am Montagabend im Mar-a-Lago-Anwesen von Donald Trump in Palm Beach, Florida, stattfand, ist gewiss präzedenzlos. Auch weil Trump der wahrscheinlich nächste Kandidat der republikanischen Opposition bei den Präsidentschaftswahlen 2024 sein wird. Dass er gerne antreten möchte, ist weithin bekannt. Vertreter der Republikanischen Partei hoffen einzig, dass Trump mit seiner Ankündigung bis nach den Kongresswahlen im Herbst wartet, um nicht von der historischen Unbeliebtheit Joe Bidens abzulenken und sie zahlreiche Wahlkreise kostet, die bei den Wahlen an sie gehen könnten. Doch Trump ließ in den vergangenen Monaten durchschimmern, dass er seine Kandidatur bereits diesen Sommer oder im Frühherbst bekannt geben möchte.

Der amtierende Präsident lässt das Anwesen eines politischen Gegners durchsuchen

Was also bedeutet, dass das Justizministerium des jetzigen Präsidenten das private Anwesen seines politischen Gegners durchsuchen ließ. Man stelle sich vor, die Rollen seien umgekehrt und Hillary Clintons oder Joe Bidens Häuser wären von FBI-Agenten, die Donald Trump unterstanden, durchsucht worden. Das wäre Anlass für eine weitere Montage empörter Nachrichtensprecher und Kongressanhörungen zur besten Sendezeit gewesen. Auch konservative Aktivisten und Politiker griffen am Montag vermehrt zu denselben Begriffen, nur sprachen sie davon, die USA seien jetzt eine „Bananenrepublik“ oder ein „Dritte-Welt-Staat“.

Laut New York Times hätte die Hausdurchsuchung nichts mit den laufenden Untersuchungen zu Trumps Rolle beim Kapitolsturm am 6. Januar 2021 zu tun gehabt. Stattdessen hätten die Fahnder nach Unterlagen gesucht, die Trump womöglich rechtswidrig aus dem Weißen Haus entfernt haben soll. Die Dokumente sind als geheim eingestuft und müssten eigentlich dem Nationalarchiv in Washington D.C. überlassen werden. Laut Gesetzeslage haben Präsidenten und Regierungsbeamte die Verantwortung, alle offiziellen Dokumente, und seien sie lediglich handschriftliche Notizen, aufzubewahren. Dass Hillary Clinton zu ihrer Zeit als Barack Obamas Außenministerin mehr als 30.000 berufliche E-Mails, die sie auf einem privaten Server in ihrem Haus in Chappaqua, New York, hielt, löschte, war Anlass für Trumps Forderung, sie gehöre vom FBI untersucht. Doch die Bundespolizei sah keine Grundlage für eine Anzeige.

Trump selbst soll während seiner Präsidentschaft allerdings ebenso wiederholt handschriftliche Notizen zerrissen und in der Toilette heruntergespült haben. Dies zumindest behauptet die New York Times-Reporterin Maggie Haberman in einem bald erscheinenden Buch.

Für die Republikaner könnte Trump dadurch zum Märtyrer werden

Dass Trump allein wegen unordentlicher Aufbewahrung präsidialer Unterlagen an einer erneuten Kandidatur gehindert werden könnte, ist unwahrscheinlich. Laut eigener Aussage habe er beim Vorgang der Rücküberführung der Dokumente ins Nationalarchiv kooperiert. Und die Los Angeles Times-Journalistin Sarah Wide kommentierte erst im Februar, dass die Hürden für eine Verurteilung bei Verletzung der entsprechenden Vorschrift enorm seien. Noch kein Präsident sei jemals auf Grundlage des 1978 erlassenen Gesetzes, das die Aufbewahrung präsidialer Unterlagen vorschreibt, verurteilt worden, und Trump müsste kriminelle Absicht nachgewiesen werden. Und selbst wenn er verurteilt werden würde, ist nicht klar, ob ihn das an einer erneuten Kandidatur hindern könnte. Im Jahr 1920 gewann der sozialistische Präsidentschaftskandidat Eugene V. Debs rund eine Million Stimmen, obwohl er auf Grundlage des Sedition Acts – er sprach sich gegen Amerikas Teilnahme am Ersten Weltkrieg aus – zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Für die Sozialisten war Debs ein Märtyrer. Sie verteilten Wahlkampf-Buttons mit dem Bild von Debs in gestreifter Uniform und der Aufschrift „For President Convict No. 9653“.

 

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Je mehr sich die Fahnder auf Trump einschießen, umso mehr könnte er für die republikanische Basis zu einem ähnlichen Märtyrer aufsteigen. Gründe, ein abgekartetes Spiel hinter der Hausdurchsuchung zu vermuten, hätten sie zumindest genug. Ein kürzlich in Washington abgehaltener Prozess zu den Ursprüngen der Russland-Affäre erwies zum Beispiel, dass die FBI-Führungsriegen davon gewusst haben sollen, dass die Vorwürfe, Trump habe mit der russischen Regierung kollaboriert, eine Erfindung des Teams von Hillary Clinton gewesen sind.

Oder aber das FBI hat eine sogenannte „fishing expedition“ angetreten. Der umgangssprachliche Begriff beschreibt Fahndungen, bei denen die Ermittler hoffen, auf unzusammenhängende Vergehen zu stoßen, die mit dem ursprünglichen Durchsuchungsbefehl nichts zu tun haben, um dann aus diesen eine Anklage zu stricken. Die Verurteilung des ehemaligen Wahlkampfmanagers von Donald Trump, Paul Manafort, war zwar ein Zufallsresultat der Russland-Ermittlungen, hatte aber mit dem eigentlichen Aufgabenbereich der Untersuchung nichts zu tun. Manafort wurde vorgeworfen, er habe sich trotz seiner Lobbyarbeit für eine ausländische Regierung nicht verpflichtend als „ausländischer Agent“ registriert, wie es das Gesetz vorschreibt. Er hatte bis 2014 als Berater des damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch agiert, ein Verstoß fernab des ursprünglichen Vorwurfs an Trump.

Auch einige Demokraten sind sich der Brisanz bewusst

Der Rechtsexperte Norman L. Eisen, der das Repräsentantenhaus beim ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Trump beriet, erklärte gegenüber der New York Times, dass Funde bei der Durchsuchung von Trumps Anwesen sehr wohl bei anderen Ermittlungen herangezogen werden könnten. Also doch eine „fishing expedition“?

Egal, welches Rechtsrisiko Trump jetzt droht, in den Augen seiner Parteikollegen war die Razzia eine Kriegserklärung an die Republikaner. Der womöglich nächste Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, drohte gestern bei einem möglichen Wahlsieg der Republikaner im Herbst mit Anhörungen. Weniger diplomatisch gab sich der Abgeordnete aus Arizona Paul Gosar. „Wir müssen das FBI zerstören“, tweetete er am Montag. „Wir müssen Amerika retten. Ich stehe zu Donald J. Trump.“

Doch auch Mitglieder der Demokraten sind sich der Brisanz der Durchsuchung bewusst. So tweetete der ehemalige Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, am Dienstag, dass das Justizministerium, das sich bisher bedeckt gibt, unmittelbar die Gründe für die Razzia bekannt geben solle. Und diese sollten wichtiger sein „als die Suche nach unbedeutenden Archivunterlagen. Sonst wird die Durchsuchung als eine politische Taktik angesehen werden und die Glaubwürdigkeit aller zukünftigen Ermittlungen und die Legitimität der Untersuchungen zum 6. Januar untergraben.“

Von der nationalen Einheit, die Joe Biden als frisch vereidigter Präsident versprach, ist also mal wieder wenig zu spüren. Die Fronten verschärfen sich weiter.

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