Großbritannien begräbt seine Queen und Landesmutter - Die Königin ist tot – die Monarchie noch lange nicht

Noch befindet sich Großbritannien angesichts des Todes der Queen in tiefer Trauer und einer Art Schockstarre. Doch nach den Begräbnisfeierlichkeiten wird sich das Land schnell wieder mit aller Kraft seinen zahlreichen großen Problemen widmen müssen.

Die Königin auf ihrem letzten Weg / dpa
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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Sie hat hier geheiratet, sie wurde hier gekrönt. Am Montag fand in der Westminster Abbey in London nun auch ihr Begräbnis statt. Queen Elizabeth II., am 8. September auf ihrem schottischen Landsitz Balmoral mit 96 Jahren verstorben, wurde mit allen Würden und großem Pomp verabschiedet. 

Seit Wilhelm der Eroberer am Weihnachtstag 1066 in der Westminsterabtei gekrönt worden war, sind alle englischen Monarchen dieser Tradition gefolgt. Bis zu George II. im Jahr 1760 wurden hier auch alle begraben.

Elizabeth II. ist seitdem wieder die erste, von der sich ihre Familie, Vertreter des europäischen Hochadels, aber auch Untertanen wie ihre Premierministerin und ein weltweites Fernsehpublikum von über vier Milliarden Menschen in der gotischen Kathedrale verabschiedeten. Anschließend wurde der Sarg der Queen nach Windsor gebracht, wo sie neben ihrem Vater in der Familiengruft unter der St. Georges’ Chapel im kleinen Familienkreis beigesetzt wird.

Demokraten und Autokraten als Staatsgäste

Das Begräbnis der Königin selbst sorgte für das größte Polizeiaufkommen in der Geschichte Britanniens. Aus der ganzen Welt trafen rund 100 Staats- und Regierungschefs und zahlreiche weitere Staatsgäste ein, die ihr die letzte Ehre erweisen wollten. Deutschlands Präsident Frank-Walter Steinmeier, sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron und US-Präsident Joe Biden waren ebenso gekommen, wie einige der weniger demokratischen Staatsoberhäupter.

Jair Bolsonaro, der brasilianische Strongman, durfte trotz seines fragwürdigen Rufs anreisen, während der türkische Präsident Recep Erdogan kurzfristig absagte. Die 2000 Plätze in der Kirche waren dabei besonders umkämpft. Die „Times“ beschrieb das Gerangel um die Plätze als einen diplomatischen Albtraum unter dem Titel „Höllischer Sitzplan“. Die britischen Royals sind an sich mit ihren Kontakten nicht zimperlich. Die Königin selbst unterhielt fast bis zum Schluss gute Kontakte mit dem Emir von Dubai, der als Pferdenarr ein Seelenverwandter war. Scheich Mohammed bin Raschid soll seine Tochter Latifa gegen ihren Willen im Emirat festhalten. Dennoch wurde er am Sonntag von König Charles III. im Buckingham-Palast empfangen. 

Olena Selenskaya statt Vladimir Putin

Für besonders schwierige Fälle gab es aber dann doch gewisse Beschränkungen. Mohammed bin Salman, der saudische Thronprinz, ist seit der Ermordung des Journalisten Jamal al-Kashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul 2018 kein gern gesehener Gast mehr. Da man aber in Zeiten des Ukrainekrieges dennoch sein Öl kaufen möchte, und es sich nicht komplett mit ihm verscherzen kann, fand man folgende Sprachregelung: Angeblich wurde MBS zwar eingeladen, entschied sich aber, nicht zu kommen. Hinter den Kulissen dürften sehr intensive diplomatische Gespräche geführt worden sein.

 

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Manche wurden aber gar nicht erst nach London gebeten. Der russische Präsident Vladimir Putin fehlte. Dafür kam Olena Selenskaya, die Frau des ukrainischen Präsidenten. Sie saß in der Abbey vier Reihen hinter Macron. Auch der chinesische Präsident Xi Jinping flog nicht nach London, schickte aber einen Vize, der mit FFP2-Maske vor dem aufgebahrten Sarg im Westminster-Palast gesichtet wurde. Für die chinesische Delegation muss der sorglose Umgang der Briten mit dem Covid-Virus befremdlich gewirkt haben. In China sind die Maßnahmen gegen die Pandemie zwar gelockert worden, aber eine maskenfreie Großveranstaltung dieser Größenordnung wäre in Peking unvorstellbar. 

Politisch gab es also durchaus hörbare Hintergrundgeräusche. Doch auf der großen Bühne dieses Jahrhundertereignisses klappte alles wie am Schnürchen. Das Vereinigte Königreich zelebrierte die verstorbene Monarchin, aber auch sich selbst mit allem zeremoniellen Pomp, über den es verfügt. 

Besinnliches Volksfest im Hyde-Park

Am Straßenrand in London und in Windsor standen Tausende winkende Queen-Fans. In den Tagen davor hatte sich eine jetzt schon legendäre „Queen’s Queue“ vor dem Westminster-Palast gebildet. Knapp 800.000 Untertanen sollen bis zu 14 Stunden angestanden haben, um sich mit einer letzten Verbeugung vor ihrem Sarg von der Monarchin, die ihrem Land 70 Jahre lang gedient hat, zu verabschieden.

Wer es nicht in die endlose Schlange für die Königin in den letzten Tagen geschafft hatte, konnte noch bei einem improvisierten Picknick im Park Abschied nehmen. Im Hyde-Park und St James-Park wurden große Bildschirme aufgestellt. Dort entwickelte sich das Begräbnis zu einer Art besinnlichem Volksfest. 

Königliche Familie geeint – ausnahmsweise

Sogar die königliche Familie ließ ihre Streitereien ein paar Tage lang hinter sich und zeigte sich geeint. Drei Generationen von Königen schritten hinter dem Sarg der Königin in die Westminster Abbey. King Charles III., mit 73 Jahren nun endlich selbst auf dem Thron angelangt, hinter ihm sein Sohn William. Der 40-jährige Thronfolger ist nach allgemeiner Auffassung ein Vorzeige-Prinz – mit seiner Frau Catherine und den drei Kindern arbeitet er bereits jetzt hart am Erhalt der Monarchie. Der älteste Sohn George durfte auch schon hinter dem Sarg herschreiten, der 9-jährige Windsor-Sprössling ist nach Charles und William der nächste in der Thronfolge.

Ob es die britische konstitutionelle Monarchie überhaupt noch geben wird, wenn George soweit ist? Derzeit ist laut dem Umfrageinstitut YouGov eine klare Mehrheit von 67 Prozent der Meinung, das Vereinigte Königreich sollte weiter existieren und sich nicht in eine Republik verwandeln. Das sind 5 Prozent mehr Monarchisten als noch zum 70. Thronjubiläum der Queen im Mai. Unter den Jüngeren aber ist weniger Begeisterung zu spüren: Nur 47 Prozent der jungen Erwachsenen möchten an der Monarchie festhalten.

Ab Dienstag beginnt die Ära nach Elizabeth II. King Charles III. gilt als eigenwillig, politischer als seine Mutter, mitunter auch herrisch. Konnte er sich als Prinz von Wales noch politisch einbringen, vor allem in den ihm wichtigen Umweltfragen, muss er jetzt über der Politik stehen. Als Charles III. muss er vor allem eines: um die Gunst seiner Untertanen ringen. Denn die wahre Macht im Staat liegt bei der Regierung, die sich die gekrönten, nicht gewählten Häupter für teures Steuergeld erhält. 

Als sich am Montagmittag in der Westminster-Abbey ein mächtiges „God save the King“ erhob, blickte Charles als einziger stumm vor sich hin. Bisher hatte er die Hymne immer für seine Mutter mitgesungen. Jetzt aber gelten die guten Wünsche ihm. 

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