Goethe-Institut - Eine irrlichternde „Transformation“

Das Auswärtige Amt und das Präsidium des Goethe-Instituts haben ein „Transformationskonzept“ beschlossen. Etliche Goethe-Institute sollen geschlossen werden, etwa in Frankreich. Doch Berlin sollte die Grundlagen kultureller Gemeinsamkeit in Europa besser erhalten.

Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Paris im Jahr 2007 / dpa
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Hans-Ulrich Seidt war deutscher Botschafter in Afghanistan (2006–2008) und in Südkorea (2009–2012). Er war von 2014 bis 2017 Chefinspekteur des Auswärtigen Amts und leitete von 2012 bis 2014 die Abteilung für Auswärtige Kulturpolitik und Kommunikation des AA in Berlin. Aktuell ist er Fellow des Liechtenstein Institute on Self-Determination der Princeton University und Stiftungsbeirat des Schweizer Afghanistan Instituts/Bibliotheca Afghanica.

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Claus-Peter Clostermeyer ist Vorsitzender der Gesellschaft der deutschen Ehemaligen der Ecole nationale d’administration (ENA). Er war Leiter der Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund.

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Im Jahr 1951 gegründet, sollte das Goethe-Institut die junge deutsche Demokratie in die internationale Kulturgemeinschaft zurückführen. Diesen Auftrag erfüllte das Institut mit anerkannter Wirkung. Es prägte vor allem in Deutschlands Nachbarländern die Wahrnehmung deutscher Gegenwartskultur. Aber dieser Erfolg ist gefährdet.

Nach Vorgaben des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags beschlossen Ende September 2023 das Auswärtige Amt und das Präsidium des Goethe-Instituts ein „Transformationskonzept“. Aufgrund der aktuellen „geopolitischen und finanziellen Rahmenbedingungen" sollen die „Strukturkosten“ für Personal und Gebäude gesenkt, gleichzeitig aber die „Operativkosten“ erhöht werden. 

Derzeit erhält das Goethe-Institut aus dem Haushalt des Auswärtigen Amts über 239 Millionen Euro im Jahr. Es gehört damit zur strategischen Domäne der deutschen Außenpolitik, die nun fiskalpolitische Zwänge zur inhaltlichen Revision bisheriger Schwerpunkte zu nutzen gedenkt. So geht es bei der „Transformation“ des Goethe-Instituts neben der Digitalisierung traditioneller Angebote auch um „neue Präsenzen", die von Texas bis zum Südpazifik reichen sollen. Wird Fidschi zum neuen Schwerpunkt deutscher Außenpolitik?

Gleichzeitig werden dem Goethe-Institut Aufgaben bei der Fachkräfteeinwanderung zugewiesen. Dabei scheint es bei den an der Schließungsentscheidung Beteiligten selbst ein Fachkräftedefizit zu geben. Jedenfalls überrascht, dass trotz des Sparzwangs über eine Verlegung der Zentrale des Goethe-Instituts von München nach Berlin nachgedacht wird.

Ach, Europa

Der breiteren politischen Öffentlichkeit wäre die geplante „Transformation“ wohl verborgen geblieben, wenn mit ihr nicht die Schließung traditionsreicher Auslandsinstitute in Frankreich, Italien und Griechenland verbunden wäre. Bordeaux, Lille und Straßburg sollen ebenso wie Turin, Genua und Triest von der Landkarte der deutschen auswärtigen Kulturpolitik verschwinden. Auch das Goethe-Institut in Thessaloniki, noch vor einem Jahrzehnt aufwändig und denkmalgerecht renoviert, steht auf der Streichliste.

Sie wird mit der historisch gewachsenen „Überpräsenz“ von Goethe-Instituten in Europa begründet, einem Argument, das einen journalistischen Beobachter jüngst zum Vergleich mit „kulturpolitischem Speck“ veranlasste. Fiskalbürokratisch mag eine solche Einschätzung noch zu vertreten sein, europapolitisch aber ist sie unsensibel. Die historischen Gründe haben sich keinesfalls erledigt. 

In Frankreich haben die angekündigten Schließungen nicht nur bei bewährten Freunden Deutschlands für Unruhe, ja für Empörung gesorgt. Sie ist angesichts des nur mühsam kaschierten Niedergangs der deutsch-französischen Beziehungen verständlich. Mangelndes Fingerspitzengefühl ist da noch der geringste Vorwurf. Nicht ohne Grund wird in Paris auf höchster Ebene die Frage gestellt: Wer in Berlin interessiert sich eigentlich noch für Frankreich? 

„Schlüssel zum menschlichen Geist“

In enger Zusammenarbeit mit seinem großen westlichen Nachbarn baute Deutschland jahrzehntelang an der Europäischen Union, die sich heute in fundamental veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen bewähren muss. Dabei kommt es gerade im Verhältnis zu Frankreich auf gegenseitiges Verstehen an, auf Verständnis der Kultur und Kenntnis der Sprache, die Wilhelm von Humboldt einst als den „Schlüssel zum menschlichen Geist“ beschrieb.

 

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Sprachpflege und Sprachvermittlung besitzen in Frankreich höchsten Rang. Und so wird im Land der Académie francaise und ihrer „Unsterblichen“ die ersatzlose Streichung von Goethe-Instituten als weiterer Beleg für deutsches Desinteresse an den bilateralen Beziehungen und als Zeichen kulturpolitischer Ignoranz der Berliner Republik bewertet.

Gemeinsam denken    

Kein Zweifel: Die Zeiten sind vorbei, als ein François Mitterand gemeinsam mit dem Bundeskanzler im oberschwäbischen Wilflingen Ernst Jünger besuchte und Mitarbeiter des französischen Präsidenten Texte des in Frankreich hoch geschätzten Autors und Trägers des Frankfurter Goethepreises übersetzten und publizierten. Was aber kann in dürftiger Zeit weiteren Verlust verhindern?

Angesichts identitätspolitischer und populistischer Bewegungen, die die Kohärenz Europas gefährden, sollte Berlin zumindest die Grundlagen kultureller Gemeinsamkeit erhalten. Dabei kann das gemeinsame Nachdenken mit den europäischen Partnern bei der strategischen Orientierung helfen. Jedenfalls sollte vor der endgültigen Schließung von Goethe-Instituten in Frankreich und Italien im Rahmen bilateraler Kulturkonsultationen mit Paris und Rom über jede Gelegenheit gesprochen werden, bewährte Einrichtungen in den jeweiligen Partnerländern zu erhalten, ja wenn möglich sogar auszubauen. 

Zudem muss in Parlament und Regierung die Einsicht wachsen, dass auswärtige Kulturpolitik nicht nur im bürokratisch und fiskalisch vorgegebenen Zuständigkeitsbereich einzelner Ressorts und Mittlerorganisationen diskutiert und finanziert werden kann. Denn es geht nicht nur um die „Transformation“ der Strukturen und Finanzmittel des Goethe-Instituts in Zeiten knapper Kassen, sondern mit dem Blick auf Europa um eine Generationenaufgabe. Sie erfordert eine Gesamtbetrachtung, die die deutschen Auslandsschulen, die Programme des DAAD sowie die Zukunft geisteswissenschaftlicher Forschungseinrichtungen an zentralen Standorten wie Paris und Rom umfassend in den Blick nimmt. 

Kooperationschancen nutzen

Ein solcher Gesamtansatz muss auch die Standorte und Handlungsmöglichkeiten der deutschen Generalkonsulate berücksichtigen. So sind etwa in Bordeaux das deutsche Generalkonsulat und das Goethe-Institut gemeinsam in einer repräsentativen Liegenschaft untergebracht. Eine Schließung des Goethe-Instituts wäre hier nicht erforderlich, wenn seine Aufgaben im Generalkonsulat von geeignetem Personal übernommen werden. Eine ähnliche Lösung, die von Frankreich schon seit längerem praktiziert wird, wäre auch in Thessaloniki möglich. 

Ebenso sollten in föderalem Zusammenwirken – der besonderen Stärke Deutschlands – Universitätspartnerschaften stärker genutzt werden. Gerade an den zur Streichung anstehenden Standorten in Frankreich finden sich Hochschulkooperationen zwischen Lille und Gießen, Bordeaux und Köln sowie zwischen Straßburg und mehreren Universitäten am Oberrhein. Hier könnten Goethe-Institute unter Verwendung von Mitteln des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) als „An-Institute“ der französischen Hochschulen wirken. Und wäre es schließlich völlig abwegig, auch an eine stärkere kulturpolitische Rolle für die deutschen Kommunalpartner der französischen Städte – es handelt sich um Köln, München und Stuttgart – zu denken? 

Kultur oder Satire

Wer den Willen zur kulturpolitischen Zusammenarbeit mit wichtigen europäischen Partnern besitzt, wird dafür selbst in Zeiten des Sparzwangs geeignete Mittel und Wege finden. Gemeinsame deutsch-französische Kulturinstitute gibt es ja schon, etwa im palästinensischen Ramallah. Wer allerdings mit der „Transformation“ des Goethe-Instituts den Aufbruch zu fernen und unbekannten Ufern plant, läuft Gefahr, die Ergebnisse bereits heute in der Kult-Fernsehreihe „Das Institut – Oase des Scheiterns“ betrachten zu können. Das komische Leben und Treiben am Kulturinstitut im fiktiven Kisbekistan findet dann seine Fortsetzung im Südpazifik. Titel: „Das Institut – Insel des Scheiterns“.

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