Das deutsche Nachrichtenmagazin, das sein Gründer – ein ehemaliger Wehrmachtsleutnant der Artillerie namens Rudolf Augstein – ein „Sturmgeschütz der Demokratie“ nannte, kennt eigentlich keine Kompromisse, wenn es ums Grundsätzliche geht. Im publizistischen Kampf gegen den Faschismus kann man sich auch auf die Nachfolger verlassen.
Manchmal aber zeigt sich die neue Sturmgeschützbesatzung auch gütig. Heute hat man sogar dem Bundeskanzler ganz nonchalant die Gegenehmigung erteilt, die Ministerpräsidentin des drittgrößten EU-Mitgliedslandes Italien zu besuchen. „Muss das sein? Ist es richtig, dass der Bundeskanzler einer Postfaschistin die Hand reicht?“ Diese „einfache Frage“ stelle sich, so behauptet der Italien-Korrespondent vor dem Besuch des Bundeskanzlers bei Ministerpräsidentin Giorgia Meloni – und gibt dem Sozialdemokraten seinen Dispens: „Wenn Meloni ihren Nationalismus entsorgen und Italien in der Mitte Europas halten will, verdient sie seine Unterstützung.“ Denn: „Integrieren statt ausgrenzen, versöhnen statt spalten“, das sei die vernünftigere Strategie. Oje, hoffentlich bringt das den Kanzler nicht auf falsche innen- und parteipolitische Gedanken angesichts der jüngsten Umfrageergebnisse.
Beim Hamburger Nachrichtenmagazin jedenfalls scheint man es für selbstverständlich zu halten, dass allein ein Besuch des Kanzlers als Gunstbeweis schon eine Stütze für Melonis Regierung sei. Irgendwie scheint der notorische Germanozentrismus des alten Augstein über all die historischen und personellen Brüche seit seinem Tode in dem Magazin fortzuleben.
Melonis Leim: Was Scholz nicht darf
Aber Vorsicht! Man kann nur hoffen, dass Scholz auf seinem Weg nach Rom im Flugzeug schnell noch den Artikel des besorgten Rom-Korrespondenten gelesen hat, bevor er mit Meloni zusammentraf: „Scholz darf Meloni bei seinem Besuch heute nicht auf den Leim gehen. Er trifft dort auf eine Politikerin mit zwei Gesichtern: nach außen freundlich-verbindlich, nach innen aggressiv.“ Vor solch einer Frau muss sich Scholz in Acht nehmen! Es sei „Vorsicht angesagt“, wird er gewarnt. Denn: „Je sicherer Meloni sich im Amt fühlt, desto forscher wird gerade ihre Politik.“
Eine Politikerin, die nicht immer freundlich ist! Wie hintertrieben! Und dann auch eine, die versucht, das Staatsfernsehen RAI „mit neuem Management regierungsfreundlicher“ zu machen! Eine solche Missetat wäre in Deutschland mit seinen ganz und gar regierungsfernen öffentlich-rechtlichen Sendern unvorstellbar – zumindest für einen Journalisten des Hamburger Nachrichtenmagazins. Vor solch welscher Hinterlist muss sich ein aufrichtiger hanseatischer Sozialdemokrat von weit nördlich der Alpen, der stets nach außen und innen und offen und ehrlich antwortet, wirklich in Acht nehmen.