Eineinhalb Jahre Corona - Wie die Welt mit der Seuche umgeht

Zu Beginn der Pandemie kristallisierten sich Länder wie Taiwan oder Südkorea als Vorbilder im Krisenmanagement heraus. In Italien und den USA waren hingegen sehr viele Tote zu beklagen. Wie sieht die Weltlage heute aus angesichts von Impfstoffen, aber auch neuen Virus-Varianten?

Als gäbe es kein Corona: Fans bejubeln die italienische Fußballnationalelf nach dem EM-Sieg / dpa
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Uta Weisse war Online-Redakteurin bei Cicero. Von Schweden aus berichtete sie zuvor als freie Autorin über politische und gesellschaftliche Themen Skandinaviens.

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4,1 Millionen Menschen sind seit Ausbruch der Pandemie weltweit am Corona-Virus gestorben. Trauriger Spitzenreiter sind die USA mit mehr als 600.000 Toten. Doch gleichzeitig gehören die Vereinigten Staaten zu den Ländern mit der höchsten Impfquote weltweit. Knapp die Hälfte aller Einwohner der USA sind bereits vollständig geimpft.

Dasselbe gilt für viele Länder, die über die vergangenen eineinhalb Jahre, gemessen an ihrer Bevölkerungsgröße, besonders viele Tote zu verzeichnen hatten: Italien, Großbritannien, Frankreich oder Schweden.

Die Verlierer der ersten Welle

Seit März hatte sich die Corona-Lage in Italien nach Abklingen der dritten Welle zunächst wieder beruhigt. Dann kam die Fußball-EM. Gerade erst zehn Tage ist es nun her, dass beim Finalspiel Tausende Italiener dicht gedrängt, häufig ohne Masken, auf öffentlichen Plätzen gemeinsam den Sieg der italienischen Nationalmannschaft feierten. Und überall im Land schießen nun die Infektionszahlen wieder in die Höhe.

Der „grüne Pass“ soll diese Woche eingeführt werden, um das Infektionsgeschehen wieder einzugrenzen. Über einen QR-Code werden Informationen über Impfungen, durchlaufene Infektionen oder negative Testergebnisse auf dem Smartphone gespeichert. Nicht nur beim Reisen, auch bei privaten Veranstaltungen müssen die Zertifikate vorgelegt werden.

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Kurz nach Mitternacht am 19.07., dem „Freedom Day“, stürmten Besucher in einen Londoner Club. Foto: dpa

Noch deutlicher sind die Neuinfektionen nach der Fußball-EM in Großbritanninen angestiegen. Hinzu kommt, dass die besonders ansteckende Delta-Variante schon seit Wochen die vorherrschende Virusmutation im Vereinigten Königreich ist. Der sogenannte „Freedom Day“ am Montag, an dem bis auf die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln alle Corona-Beschränkungen feierlich aufgehoben wurden, fiel in eine Zeit, als die Infektionskurve bereits steil nach oben zeigt. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist knapp 44-mal so hoch wie in Deutschland.

Immerhin sind schon 53 Prozent der Briten vollständig geimpft.

Frankreich führt die Impfpflicht durch die Hintertür ein

In Frankreich, das während der ersten Welle ebenfalls besonders viele Infizierte und Todesopfer zu verzeichnen hattem liegt die Impfquote rund zehn Prozent niedriger als in Großbritannien. Dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron geht es mit dem Impfen zu langsam. Denn die Infektionszahlen steigen aktuell rasant. Mitte September soll eine Impfpflicht für das Personal des medizinischen und des Pflege-Bereichs eingeführt werden: Wer dann noch ungeimpft ist, darf nicht mehr arbeiten und würde entsprechend auch keine Löhne mehr erhalten, verkündete Gesundheitsminister Olivier Véran vorige Woche. Der Impfzwang für den Rest der Bevölkerung kommt aber lediglich durch die Hintertür. Denn vom Herbst an sollen Corona-Tests kostenpflichtig werden. Ohne einen negativen Test, den Nachweis über Impfung oder natürliche Immunität werden Franzosen künftig weder reisen noch in größeren Supermärkten einkaufen oder in Restaurants und Cafés einkehren können.

Impfen per Drive-thru durch das heruntergelassene Autofenster in Orange County, USA. Foto: dpa

Trotz des Rekordtempos, in dem in den USA die Impfungen Ende vorigen Jahres begonnen hatten, wurde das Ziel von US-Präsident Joe Biden, bis zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli 70 Prozent der Amerikaner durchzuimpfen, um 15 Prozent verfehlt. Mittlerweile geht es nur noch schleppend voran.

Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris mahnen die Bevölkerung immer wieder, unbedingt auch die Zweitimpfung wahrzunehmen, zumal die Krankenhäuser eine Zunahme an Covid-Fällen konstatieren. Statt wie in Frankreich auf Zwang wird in den USA nach marktwirtschaftlicher Manier auf Incentivierung gesetzt: Motivationsanreize sollen Supermarktgutscheine sein genauso wie Universitätsstipendien bis hin zu Gratis-Joints. All dies soll Unentschlossene zum Impfen bewegen.

Kein Sonderweg mehr in Schweden

Schweden war in der Corona-Pandemie den viel beschriebenen Sonderweg gegangen. Im Frühjahr 2020 hatte das größte der nordischen Länder als einziges auf Lockdowns und strenge Corona-Maßnahmen verzichtet. Die Infektions- und Totenzahlen schnellten in der Folge in die Höhe. Im Sommer darauf beruhigte sich die Lage und es wurde überhaupt erst eine Testinfrastruktur aufgebaut, die es zuvor nicht gegeben hatte. Die zweite Welle nach einem ruhigen Sommer schlug im Herbst allerdings hart zu, sodass dann auch Schweden Sperrstunden für die Gastronomie und strikte Obergrenzen für Versammlungen einführte.

Die Hoffnung, Herdenimmunität durch natürliche Durchseuchung zu erlangen, wurde nach Antikörperstudien im Großraum Stockholm voriges Jahr wieder aufgegeben. Die Impfkampagne nahm nach einem trägen Start im vorigen Frühling an Fahrt auf. Mittlerweile sind 37 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Von August an sollen auch Kinder ab 15 Jahren Corona-Impfungen angeboten werden.

Die Zero-Covid-Länder

Südkorea und Taiwan stachen zu Beginn der Pandemie durch ihre strikte Zero-Covid-Strategien hervor. Über Rückverfolgung von Handy- und Kreditkartendaten wurden Kontaktpersonen von Corona-Infizierten schnell ausfindig gemacht und isoliert. Nur hatte das im Fall von Südkorea auch Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen zur Folge: Menschen, die ihre Partner betrogen hatten, sollen durch die Rückverfolgung der Behörden aufgeflogen sein.

Aktuell steuert Südkorea, wo die Sommerferien begonnen haben und viele Menschen innerhalb des Landes verreisen, direkt in eine vierte Welle mit immer neuen Rekordwerten bei den Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz ist aktuell mit 28 fast dreimal so hoch wie in Deutschland. Das könnte am vergleichsweise langsamen Impftempo liegen. Nur knapp 13 Prozent der Bevölkerung Südkoreas sind vollständig geimpft. Das liegt nicht etwa daran, dass die Koreaner sich nicht impfen lassen wollen. Eine gewisse Skepsis hatte zwar anfangs geherrscht, doch mittlerweile gibt es mehr Impfwillige als Vakzindosen. Die Regierung hatte allerdings spät Impfstoffe besorgt. Erst Ende Februar wurde mit dem Impfen begonnen, das damals formulierte Ziel, im September 70 Prozent der Einwohner geimpft zu haben, dürfte Südkorea verfehlen.

Trotzdem ist die Gesamtzahl der Corona-Toten des Halbinsel-Staates immer noch sehr niedrig, in Deutschland sind pro eine Million Einwohner knapp 30-mal so viele Menschen an dem Virus gestorben.

Was wie der Ernstfall aussieht, ist in Taiwan Prävention: Militäroffiziere desinfizieren die Straßen. Foto: dpa

Noch weniger Menschen als in Südkorea sind in Taiwan an Corona gestorben. Bereits zwei Wochen bevor in der chinesischen Provinz Wuhan, wo das Corona-Virus erstmals ausgebrochen ist, wurde in Taiwan ein Lockdown verhängt. Verstöße gegen die Hygiene- und Quarantänevorschriften wurden auf der Insel mit horrenden Geld- oder sogar Gefängnisstrafen geahndet. Seit Anfang Juli sind viele Beschränkungen wieder aufgehoben worden.

Allerdings sind immer noch weniger als ein Prozent der Taiwanesen vollständig geimpft und das trotz steigendem Anteil der Delta-Variante. Immerhin knapp ein Viertel der Bevölkerung hat mindestens eine Impfdosis erhalten. Innerhalb einer Woche infiziert sich aktuell nur knapp einer von einer Million Inselbewohnern mit Corona. Doch der schleppende Anlauf der Impfkampagne war absehbar; erst im März startete das Impfen. Der 23-Millionen-Einwohner-Staat soll Probleme gehabt haben, sich bei den Bestellungen gegen große Länder durchzusetzen, die in der Regel ein Vielfaches eigentlich benötigter Impfdosen bestellen. Darüber hinaus wurde vermutet, China würde hinter den Kulissen zu Taiwans Ungunsten Druck machen.

Der Impf-Weltmeister steuert in die vierte Welle

Immer wieder gibt es neue Studien zur Wirksamkeit von mRNA-Impfstoffen aus Israel. Kein Wunder, war das Land doch einer der Impf-Vorreiter. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung ist bereits doppelt geimpft. Während Deutschland im Frühjahr in den dritten Lockdown steuerte, wurde in Israel schon gelockert, die Gastronomie öffnete. Im Juni wurden Obergrenzen für Versammlungen aufgehoben, die Maskenpflicht galt, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr und sowohl Geimpfte als auch nicht Geimpfte hatten wieder die gleichen Privilegien. Doch die Delta-Variante breitet sich auch in Israel aus.

Anders als zu Beginn der Pandemie fürchten Experten zwar keine überfüllten Intensivstationen mehr, wenn eine vierte Welle im Herbst Realität werden sollte die Impfquote ist dafür schon zu hoch. Aber man will verhindern, dass der Schulbetrieb gestört wird. Deshalb wurde die Impfkampagne jüngst auch auf Kinder ab zwölf Jahren ausgeweitet. Und auch Risikogruppen sollen künftig in Israel als erstem Land weltweit eine dritte, eine Auffrischungsimpfung, angeboten werden.

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