Covid - Israel lockert zahlreiche Corona-Maßnahmen

Maskenpflicht, Versammlungsverbote, Grüner Impfpass – das alles soll der Vergangenheit angehören, da die Fallzahlen stetig sinken. Zugeschrieben wird das den Booster-Impfungen

Wenn der Trend anhält, könnte es nicht nur auf den Straßen Tel Avivs bald wieder so aussehen wie hier im Vor-Corona-Jahr 2019 / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

So erreichen Sie Mareike Enghusen:

Anzeige

Erst zwei Monate ist es her, da erreichten die täglichen Corona-Fallzahlen in Israel zuvor unbekannte Höhen: Über 11.000 neue Fälle verzeichnete das Neun-Millionen-Einwohnerland an einem einzigen Tag. Zum wiederholten Male beschloss die Regierung strengere Einschränkungen, Ministerpräsident Naftali Bennett drohte gar mit einem neuen Lockdown, einer Maßnahme, die seiner eigenen Einschätzung nach das Land „zerstören“ würde.

Nur einige Wochen später sieht die Lage gänzlich anders aus. Nur noch ein paar Hundert Neuinfektionen pro Tag gab es zuletzt, von Ausgangssperren spricht niemand mehr. Am Dienstag verkündete Bennett gemeinsam mit dem Gesundheitsminister Nitzan Horowitz eine Lockerung der bisherigen Maßnahmen: Auf Konzerten und Sportveranstaltungen im Freien dürfen sich ab jetzt bis zu Tausend Menschen versammeln, und zwar maskenlos und ohne Impfpass, den sogenannten Grünen Pass. Für kulturelle oder religiöse Anlässe in Innenräumen dürfen sich ohne Grünen Pass nun bis zu Hundert Menschen treffen. „Wir werden weiterhin vorsichtig sein“, sagte Bennett bei der Verkündung der Lockerungen, „da es im Ausland, vor allem in Europa, derzeit eine Corona-Welle von beispiellosem Ausmaß gibt.“

Dritte Dosis für alle ab 12 Jahren

Warum steht Israel derzeit so viel besser da? Hiesige Gesundheitsexperten verweisen zur Begründung auf die dritte Impfung, die Israel als erstes Land der Welt schon im August einführte. Zunächst wurde der sogenannte Booster nur älteren Bürgern angeboten, inzwischen können alle ab zwölf Jahren sich ihre dritte Dosis abholen, sofern ihre zweite Impfung mindestens fünf Monate zurückliegt. Gut vier Millionen Menschen, fast die Hälfte der Bevölkerung, haben das inzwischen getan.

Und das war richtig so, impliziert eine neue Studie, durchgeführt von Forschern der Harvard-Universität und dem Forschungsinstitut der israelischen Krankenkasse Clalit. Dabei untersuchten die Forscher die Gesundheitsdaten von rund anderthalb Millionen israelischen Bürgern. Die Hälfte von ihnen hatte sich erst zweimal impfen lassen, wobei die zweite Impfung mindestens fünf Monate zurücklag. Die andere Hälfte wiederum hatte bereits den Booster erhalten. In der Studie, veröffentlicht im medizinischen Fachjournal The Lancet, kamen die Forscher zu folgendem Ergebnis: Nach der dritten Dosis haben Menschen ein um 93 Prozent niedrigeres Risiko, im Falle einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, als die lediglich doppelt Geimpften.

Gesundheitsminister Horowitz stellte am Dienstag sogar weitere Lockerungen in Aussicht. „Die Zahlen sinken weiter“, sagte er, „wir werden bald die Beschränkungen für Versammlungen in geschlossenen Räumen aufheben.“ Zukünftige Covid-Wellen wolle seine Regierung „mit minimaler Unterbrechung der täglichen Routinen“ bewältigen.

Iron Dome gegen das Coronavirus

Demnächst könnten in Israel sogar schon Fünfjährige den Ärmel hochkrempeln: Seit einigen Wochen diskutieren Experten darüber, das Mindestalter für die Impfung auf fünf Jahre zu senken. Heute Abend soll die Entscheidung fallen, die das Gesundheitsministerium anschließend noch bestätigen muss.  

Große Teile der Bevölkerung tragen die Impfpolitik der Regierung mit. Doch auch in Israel gibt es Menschen, die sich vor der Impfung fürchten, an ihrer Notwendigkeit zweifeln oder gar eine finstere Verschwörung der Pharmaindustrie wittern. Einige besonders radikale Impfgegner haben sich in den sozialen Medien auf Sharon Alroy-Preis eingeschossen, die Direktorin für öffentliche Gesundheit im israelischen Gesundheitsministerium, die eindringlich für Impfungen wirbt. Sie erhält derart viele Drohungen, dass die Polizei ihr kürzlich Personenschutz zugewiesen hat.

Ministerpräsident Bennett greift seinerseits die Impfgegner an. Diese führten einen „Informationskrieg“, sagte er kürzlich. „Die Impfungen sind unser Iron Dome gegen das Coronavirus“, setzte er nach, mit Verweis auf das gleichnamige Raketenabfangsystem. „Ignoriert die Fake-News. Lasst euch impfen.“

Anzeige