Corona-Pandemie - Es braucht mehr als einen „Plan A“

Aktionswochen für Corona-Impfungen, Corona-Pässe für Gastronomie, Kultur und Sport oder aber eine partielle Impfpflicht: Ein Überblick über länderspezifische Maßnahmen in Zeiten der Pandemie.

Mobiler Impfbus für spontane Corona-Impfungen der Bürger mit dem Impfstoff Johnson & Johnson / dpa
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Mehr als 62 Prozent aller Menschen in Deutschland sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Das entspricht 51,9 Millionen Menschen (62,4 Prozent), wie Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch via Twitter mitteilte. 66,7 Prozent oder 55,5 Millionen Menschen sind mindestens einmal geimpft. Bis Sonntag noch läuft eine bundesweite Aktionswoche für Corona-Impfungen, die zum Beispiel auf Parkplätzen oder in der Berliner S-Bahn angeboten werden.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) plant eine Empfehlung zu Auffrischimpfungen für Senioren und Immungeschwächte. Die Aufarbeitung der vorliegenden Daten sei in vollem Gange, sagte Stiko-Chef Thomas Mertens am heutigen Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Für eine Corona-Impfung von Schwangeren und Stillenden hatte sich die Stiko jüngst ausgesprochen. Sie empfiehlt eine Impfung für Schwangere vom zweiten Schwangerschaftsdrittel an sowie für Stillende mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs. Zuvor war eine Impfung nur für Schwangere mit besonderem Risiko empfohlen.

Für Kinder unter 12 Jahren gibt es in Europa bisher keine zugelassenen Impfstoffe. Hersteller wollen bis zum Herbst Daten dafür vorlegen. Biontech spricht davon, dass erste Daten bis Ende des Monats vorliegen könnten.

Partielle Impfpflicht in Frankreich führt zu Protest

In Frankreich gilt vom heutigen Mittwoch an für bestimmte Berufsgruppen eine landesweite Impfpflicht gegen das Coronavirus. Bei Missachtung droht eine Freistellung vom Dienst ohne Lohnfortzahlung. Mindestens eine erste Impfung müssen nun Beschäftigte nachweisen, die im Krankenhaus- und Pflegebereich arbeiten, aber auch Feuerwehrleute, Beschäftigte des Zivilschutzes sowie Beamte der Gendarmerie. Wer bislang nur die erste Impfdosis erhalten hat, muss zudem einen negativen Test auf der Arbeit vorlegen, bis er einen vollständigen Impfschutz nachweisen kann. Impftermine dürfen die Beschäftigten in die Arbeitszeit legen.

Die verschärften Corona-Regeln hatten in Frankreich seit dem Sommer großen Protest ausgelöst, auch am vergangenen Wochenende gingen Zehntausende auf die Straße. Aufschub von der Freistellung können Betroffene erhalten, wenn sie freie Tage oder Urlaub nehmen. Sobald sie die Impfung erhalten haben, endet auch die Sanktion, betonen die Behörden. Eine Entlassung wegen einer fehlenden Corona-Impfung soll hingegen nicht möglich sein.

Die Quote der vollständig Geimpften im Gesundheitsbereich lag in der vergangenen Woche bereits zwischen 84 und 91 Prozent. Wie vielen Beschäftigen tatsächlich Sanktionen drohen, weil sie noch keine erste Dosis erhalten haben, ist nicht bekannt.

Die Zeitung Le Monde berichtet unter Verweis auf die Direktionen etlicher großer Kliniken, dort sei eine Impfquote von 95 Prozent bereits erreicht. Dennoch werden Probleme befürchtet, wenn angesichts der ohnehin angespannten Personaldecke Krankenhauspersonal wegen fehlender Impfung nach Hause geschickt werden muss. In bestimmten Funktionen sei es sehr schwierig, Personal zu ersetzen, erklärte der Verband der Universitätskliniken in Frankreich. Auch der Gewerkschaftsbund, der gegen die Impfpflicht ist, befürchtet Schwierigkeiten beim Betrieb der Kliniken, schreibt die Zeitung.

Italien startet mit Auffrischimpfungen

Italien beginnt am 20. September damit, bestimmten Bevölkerungsgruppen eine dritte Impfdosis gegen das Coronavirus zu verabreichen. Diese zusätzlichen Dosen (Booster) sollen zunächst an immungeschwächte Menschen gehen, haben Gesundheitsminister Roberto Speranza und der außerordentliche Kommissar für den Corona-Notfall, Francesco Figliuolo, am Montag beschlossen. Damit werden die Empfehlungen der italienischen Arzneimittelbehörde und der Corona-Kommission der Regierung umgesetzt.

Mit den Regionen soll nun geklärt werden, wie die Verteilung der dritten Impfdosen organisiert wird. Verimpft werden die mRNA-Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna. Insgesamt sind bis Montag rund 74 Prozent der Italiener vollständig geimpft.

Dänemark hebt Beschränkungen auf

In Dänemark sind alle eingeführten Corona-Beschränkungen aufgehoben worden. Seit vorigen Freitag muss auch bei Großveranstaltungen mit mehr als 2.000 Plätzen, wie etwa bei Spielen in der obersten dänischen Fußballliga, kein Corona-Pass mehr vorgezeigt werden. Der Nachweis, dass man geimpft, genesen oder negativ getestet worden ist, entfällt auch in den gerade erst wieder eröffneten Diskotheken.

Zugleich wird Covid-19, die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöste Erkrankung, nicht mehr länger als „gesellschaftskritische Krankheit“ eingestuft. Diese Kategorisierung war die Grundlage etwa für Versammlungsverbote oder Maskenpflicht. Stattdessen gilt Covid-19 nun als eine „allgemein gefährliche Krankheit“ – das bedeutet unter anderem, dass es weiter gewisse Beschränkungen bei der Einreise ins Land gibt. Die Behörden können zudem weiterhin lokale Einschränkungen einführen, etwa die vorübergehende Schließung einer Schule nach einem Corona-Ausbruch oder Besuchsbeschränkungen in Pflegeheimen erlassen.

Dank des Impffortschritts – die Impfquote der vollständig Geimpften liegt bei mehr als 83 Prozent –, der Kontrolle über die Epidemie und des großen Einsatzes der gesamten dänischen Bevölkerung sei die endgültige Lockerung möglich, erklärte Gesundheitsminister Magnus Heunicke. Man beobachte die Epidemie weiter genau und sei bereit, bei ernsthaften Entwicklungen gegenzusteuern.

Zugleich will die dänische Gesundheitsverwaltung mit einer Kampagne daran arbeiten, dass die Bürger coronabedingte Angewohnheiten wie eine gründliche Handhygiene und das Begeben in Quarantäne bei einer Infektion beibehalten. Die Maskenpflicht und andere Beschränkungen wurden in Dänemark hingegen in den vergangenen Wochen und Monaten schrittweise zurückgefahren.

Großbritannien rüstet sich für den Herbst

Auch die britische Regierung hatte im Juni fast alle Corona-Beschränkungen aufgehoben. Doch falls die Zahl der Corona-Fälle  im Winter wieder deutlich steigt, will die Regierung wieder eine Maskenpflicht anordnen und hält sich die Einführung von Impfpässen für Diskotheken oder Sportstadien offen. Die Maßnahmen seien Teil eines „Plan B“, wenn die Pandemie mit Auffrischimpfungen nicht unter Kontrolle gehalten werden kann, sagte Premierminister Boris Johnson bei einer Pressekonferenz am gestrigen Dienstag in London. Der konservative Politiker fügte hinzu: „Es wäre einfach nicht vernünftig, solche Maßnahmen auszuschließen, wenn sie entscheidend dafür sein könnten, Geschäfte offen zu halten.“

In der kommenden Woche nun soll erst einmal „Plan A“ mit Auffrischimpfungen für etwa 30 Millionen Menschen umgesetzt werden. Auch setzt die Regierung auf Freiwilligkeit und Selbstverantwortung. So werden die Bürger ermutigt, sich möglichst im Freien zu treffen, viel zu lüften, an überfüllten Orten und in geschlossenen Räumen Masken zu tragen sowie ihre Hände häufig zu waschen.

„Dieser Plan zeigt, wie wir dieser Nation die bestmögliche Chance geben, mit Corona zu leben, ohne dass strenge soziale und wirtschaftliche Einschränkungen erforderlich sind“, sagte Gesundheitsminister Sajid Javid. Er betonte allerdings: „Wir haben erlebt, wie schnell das Virus sich anpassen und sich verändern kann, deshalb haben wir den Plan B mit Notfallplänen vorbereitet.“

Niederlande schafft Sicherheitsabstand ab

Auch die Niederlande versuchen den Schritt in die Normalität. Der Sicherheitsabstand von 1,5 Meter werde vom 25. September an abgeschafft, kündigte Ministerpräsident Mark Rutte am Dienstagabend in Den Haag an. So können bei Konzerten, in Theatern, aber auch in Restaurants und Cafés wieder mehr Besucher zugelassen werden – allerdings nur mit einem Corona-Pass.

Der gilt für Gaststätten, Sportveranstaltungen und Kultur. Besucher müssen nachweisen, dass sie geimpft, getestet oder genesen sind. Die Einführung des Passes ist besonders bei Gaststätten umstritten. Zahlreiche Gastwirte kündigten bereits an, dass die Kontrolle nicht machbar und zu teuer sei. Kommunen sollen hierfür die nötigen finanziellen Mittel erhalten.

Durch den Corona-Pass hofft die Regierung auch, die Impfquote zu erhöhen. Derzeit sind etwa 63 Prozent der Niederländer geimpft. Die Lage in Krankenhäusern verbesserte sich leicht, bleibt aber angespannt.

Über diese Regelung sollen seit Frühjahr 2020 auch erstmals wieder Fußballspiele in vollen Stadien erlaubt sein. Premier Rutte mahnte aber weiterhin zur Vorsicht. „Das ist nicht der Tag, an dem alles wieder so sein wird wie vor Corona, dafür gibt es noch zu viele Infektionen, und es werden noch zu viele Menschen in Krankenhäuser eingeliefert.“ Die Unsicherheit über die Entwicklung im Herbst bleibe weiter groß, so der rechtsliberale Premier.

Dennoch bleiben viele Maßnahmen weiterhin bestehen, darunter die Maskenpflicht für Bus, Bahn, Zug und am Flughafen. Diskotheken und Clubs dürfen zwar wieder öffnen, müssen aber wie andere Gaststätten um Mitternacht schließen.

dpa

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