Corona in Australien - Die Insel des normalen Lebens

Australiens Leben in Normalität ist beneidenswert – doch es hat auch seinen Preis. Bei bereits einem Coronafall greift ein sogenannter Blitz-Lockdown und das ganze öffentliche Leben wird runtergefahren.

Die Polizeikontrollen gehören der Vergangenheit an: Australien ist zur Normalität zurückgekehrt / dpa
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Barbara Barkhausen arbeitet als Australien-Korrespondentin für TV-Sender, Radiosender und Zeitungen in Sydney. 

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Die Bilanz der Regierung nach mehr als einem Jahr der Pandemie ist verheerend. Zu wenig Impfstoff und keine Perspektive, dass Deutschland irgendwann wieder aus dem Tiefschlaf erwacht. Täuscht der Eindruck, oder klappt das Krisenmanagement überall anders auf der Welt besser? Diese Frage haben wir unseren Korrespondenten gestellt. In einer Serie werden sie aus dem Alltag in ihrer Wahlheimat berichten.

In Australien führen wir ein weitestgehend normales Leben. Nachdem die Regierung die Grenzen im März 2020 geschlossen hat, hat ein Lockdown im April und Mai die Situation unter Kontrolle gebracht. Nur die Bewohner von   Melbourne mussten den Winter auf der Südhalbkugel erneut mit vielen Beschränkungen verbringen, nachdem sich das Virus nochmal wieder eingeschlichen und ausgebreitet hatte. Dort mussten rund fünf Millionen Menschen vier Monate lang zu Hause bleiben und durften ihr Haus nur zum Einkaufen oder Sport machen verlassen. Zusätzlich dazu gab es eine nächtliche Ausgangssperre, und keiner durfte weiter als fünf Kilometer von seinem Zuhause entfernt sein. Das war zwar hart, es hat den lokalen Coronaausbruch aber vollkommen ausgemerzt. Danach hatte die zweitgrößte Stadt Australiens wieder null Fälle.

Effektive Corona-Maßnahmen

Australien hat zwar ein recht effektives Quarantänesystem für Rückkehrer aus dem Ausland eingeführt – sie müssen sich für zwei Wochen in Hotels oder in einem Quarantänelager im Norden des Landes abschotten – doch einige Infektionen rutschen immer wieder mal durch. Doch seit dem Erlebnis in Melbourne reagieren alle großen Städte schnell und mit Extremmaßnahmen. Treten Fälle auf, wird oft eine gesamte Millionenstadt so lange dicht gemacht, bis alle Kontakte von den Behörden nachvollzogen, getestet und in Quarantäne geschickt worden sind.

Solche Blitz-Lockdowns unterbrechen das Alltagsleben plötzlich und meist ohne Vorwarnung. Zuletzt schickte die Regierungschefin des Bundesstaates Queensland, Annastacia Palaszczuk, Brisbane kurz vor Ostern in einen dreitägigen Lockdown, der dann auch gleich wenige Stunden später begann. Da zählte der neue Coronacluster gerade mal sieben Infektionen. 2,5 Millionen Menschen mussten deswegen vor den Feiertagen ihre Pläne ändern und daheim bleiben. Nur Lebensmittelgeschäfte und essenzielle Dienste waren geöffnet.

Das hört sich harsch an, funktioniert aber. Denn bis auf die seltenen und meist extrem kurzen Ausgangssperren haben wir ein normales Leben. Wir fahren (lokal) in Urlaub, gehen zur Arbeit, nehmen öffentliche Verkehrsmittel, die Kinder sind in der Schule. Auch die Wirtschaft ist wieder aufgeblüht: Geschäfte, Restaurants, Cafés und Bars sind geöffnet. Außerdem helfen die Leute zusammen. Wenn es einem Geschäft wegen eines Lockdowns schlechter geht, so machen die Menschen zum Beispiel über Facebook Werbung, damit die Nachbarschaft dort einkaufen oder essen geht.

Besondere Einschränkungen 

Damit wir dieses normale Leben führen können, müssen wir neben den Spontan-Lockdowns auch noch andere Einschränkungen in Kauf nehmen, die sich viele in Europa so nicht vorstellen können. Zum Beispiel scannen wir alle einen QR-Code mit unserem Handy und tragen über eine App ein, wo wir wann waren – im Supermarkt, im Restaurant oder im öffentlichen Schwimmbad. Dafür können wir aber Konzerte, Theateraufführungen, Kinovorstellungen und Sportveranstaltungen besuchen. Auf diese Weise können die Gesundheitsämter schnell alle informieren, die in Kontakt mit einem Infizierten gekommen sind. 

Außerdem können wir das Land nicht verlassen, weil ja unsere Außengrenzen nach wie vor geschlossen sind. Zwischenzeitlich waren auch die Grenzen zwischen den Bundesstaaten dicht, zum Beispiel durfte niemand von Sydney nach Melbourne oder Brisbane reisen. Viele konnten deswegen ihre Familie lange nicht sehen. Wer wegen eines schwerkranken Elternteils beispielsweise reisen muss, der muss sich um eine Ausnahmegenehmigung bemühen.

Doch wer das Land verlässt, muss sich darüber bewusst sein, dass Flüge derzeit extrem teuer und gebuchte Sitzplätze nicht unbedingt garantiert sind. Wer nicht Business oder First Class buchen kann, wird von den Fluggesellschaften oft mehrmals umgebucht. Auch die Quarantänehotels sind mit hohen Kosten verbunden – die zwei Wochen kosten 3.000 Australische Dollar oder umgerechnet 1.940 Euro pro Person. 

Gescheiterte Impfkampagne

Auch die Impfkampagne läuft bisher nicht wie geplant, weswegen viele Angst haben, dass die Grenzen – mit Ausnahme einiger Reiseblasen wie mit dem ebenfalls Covid-freien Neuseeland –  vielleicht noch bis ins kommende Jahr hinein geschlossen bleiben müssen. Australien hat gerade etwas mehr als 1,2 Millionen Menschen geimpft. Vor allem die Probleme, die beim Impfstoff von AstraZeneca aufgetaucht sind, haben die Planungen auf den Kopf gestellt.

Denn eigentlich hätte der Großteil der Bevölkerung damit geimpft werden sollen, doch aufgrund der selten auftretenden, aber ja gefährlichen Blutgerinnsel hat man den Impfstoff für unter 50-Jährige nun gestrichen und ist auf Pfizer/BioNTech umgeschwenkt. Da Australien davon aber bisher nicht ausreichend bestellt hatte, müssen wir nun eventuell mehrere Monate oder sogar bis Ende des Jahres warten, bis genug Impfstoff im Land sein wird. Derzeit wird diskutiert, ob es noch andere Lösungen geben könnte, denn ansonsten könnte eine gescheiterte Impfkampagne das erfolgreiche Covid-Management wieder zunichte machen.

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