Chef der Münchner Sicherheitskonferenz - Christoph Heusgen: Eine sichere Bank

Heute beginnt die Münchner Sicherheitskonferenz, erstmals unter dem Vorsitz von Christoph Heusgen. Als Nachfolger von Wolfgang Ischinger ist der frühere außenpolitische Berater Angela Merkels eine verlässliche Kraft – doch sorgt auch für Kritik. In unserer Ausgabe von Mai 2022 haben wir Heusgen porträtiert.

Christoph Heusgen, der ehemalige Außenpolitik-Berater Angela Merkels, ist nun Chef der Münchner Sicherheitskonferenz / Andreas Chudowski
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Nathan Giwerzew ist Journalist in Berlin.

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Christoph Heusgen hat es weit gebracht. Seit Ende Februar leitet der gelernte Diplomat die Münchner Sicherheitskonferenz. Damit steht er jetzt dem wichtigsten internationalen Forum vor, auf dem sicherheitspolitische Fragen diskutiert werden: Seit 1963 gibt sich hier die Crème de la Crème der internationalen Sicherheitspolitik jährlich ein Stelldichein. Dieses Jahr hatte Wolfgang Ischinger zum letzten Mal durch die Veranstaltung geführt.

Dass ausgerechnet Heusgen den Posten bekam, ist kein Zufall. Er war schließlich eine zentrale Figur in Angela Merkels Außenpolitik. Als Leiter der „Abteilung 2“ des Bundeskanzleramts beriet er sie von 2005 bis 2017 in außen- und sicherheitspolitischen Fragen – an ihm kam niemand vorbei. 

Erfahrener Diplomat und Berater

Eines ist unter Experten unumstritten: Zwischen der Altkanzlerin und Heusgen bestand inhaltlich eine hohe Übereinstimmung. Wie Stefan Kornelius in „Angela Merkel – Die Kanzlerin und ihre Welt“ rekonstruiert, hatte sie ihn nach einem mehrstündigen Kennenlerngespräch für diesen Posten ausgesucht. 2005 brauchte die außenpolitisch noch unerfahrene Kanzlerin dringend einen Diplomaten als Berater. Und zu ihr passte er perfekt: Der eher unscheinbare Christdemokrat hatte den Ruf eines unaufdringlichen Mitarbeiters, der nicht zu sehr aneckt. 

Außerdem konnte er einen makellosen Lebenslauf vorweisen: Heusgen hatte unter anderem als Büroleiter des ehemaligen Außenministers Klaus Kinkel (FDP) gearbeitet. Später leitete er den Politischen Stab von Javier Solana, damals Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Bei beiden lernte er die Kunst des Verhandelns und Taktierens – Fähigkeiten, die ihm noch von großem Nutzen sein sollten.

Die erste große Krise ließ nicht lange auf sich warten. 2008 hatte US-Präsident George W. Bush auf dem Nato-Gipfel in Bukarest Georgien und der Ukraine den Beitritt zum Verteidigungsbündnis in Aussicht gestellt, ohne dass er dabei Deutschland und Frankreich auf seiner Seite wusste. Einige russische Drohgebärden später kam eine gemeinsame Abschlusserklärung zustande, an der Heusgen mit beteiligt war. Eine diplomatische Meisterleistung war die Erklärung nach heutigem Stand eher nicht: In ihr wurde der Nato-Beitritt beider Staaten auf unbestimmte Zeit verschoben. 

Vergangene Entscheidungen

Heusgen beteuert jedoch, dass beide Staaten damals die Voraussetzungen zur Aufnahme ins Bündnis nicht erfüllt hätten. Von Georgien hatten sich Südossetien und Abchasien abgespalten, die Ukraine sei politisch instabil gewesen und hatte überdies noch eine russische Militärbasis auf der Krim. Zudem sei es 2008 ohnehin vorrangig um Georgien gegangen, so Heusgen gegenüber Cicero. Ein Statement, das bei anderen einstigen Teilnehmern des Gipfels heute auf Unverständnis stößt. Denn allen in die Vorbereitung involvierten Diplomaten war klar, dass die eigentliche außenpolitische Brisanz damals in der Frage eines möglichen Beitritts der Ukraine bestand.

2015 war Heusgen an der Aushandlung des Minsker Abkommens beteiligt. Das oft als unzureichend gescholtene Waffenstillstandsabkommen sei letztlich alternativlos gewesen, betont der Diplomat. Zugleich gehörte er zu denen, die 2015 aus außenpolitischen Gründen vom Bau der Nord-Stream-2-Pipeline abrieten. Damals hätten aber für die Bundesregierung wirtschaftspolitische Erwägungen Vorrang gehabt, so Heusgen auf Nachfrage: „Nach dem Atomausstieg – auf der Suche nach Übergangsenergieträgern – rückte Erdgas in den Mittelpunkt der Überlegungen der Wirtschaftspolitiker. Kohle war aus Emissionsgründen keine vollwertige Alternative. Und russisches Erdgas war billiger als Flüssiggas.“ 

Ein denkbar schwieriger Start

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn fest steht mindestens genauso sehr: Selbst nach der russischen Krimannexion herrschte in Berlin weiter das Mantra „Wandel durch Handel“ vor, dem zufolge der Frieden in Europa durch eine intensive deutsch-russische Verflechtung garantiert wäre. 

Aber die Lage spitzte sich immer weiter zu. Als US-Präsident Donald Trump 2018 Deutschland davor warnte, dass es sich zu abhängig von russischem Gas machen würde, quittierte dies der deutsche UN-Botschafter Heusgen im Kreise seiner Delegation mit einem gelassenen Grinsen. Eine Nachricht, die nur der konservativen Schweizer Zeitschrift Weltwoche eine Meldung wert war.

Als schließlich Russland Anfang Februar dieses Jahres seine Truppen an der Westgrenze aufstockte, verzichtete es darauf, einen hochrangigen Vertreter zur Münchner Sicherheitskonferenz zu entsenden. Deshalb stand das Treffen notgedrungen im Zeichen des Ukrainekonflikts, der schon vier Tage nach Heusgens Ernennung zum offenen Invasionskrieg eskalieren sollte. Ein denkbar schwieriger Start für Christoph Heusgen.

 

Dieser Text stammt aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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