Wohin mit Ihrem Geld? - „Erweiterte Wohlstandsmessung“: Verschleierte Wirklichkeit

So wie die Bundesregierung mit dem „Sondervermögen“ Schulden umgedeutet hat, will Robert Habeck jetzt eine „erweiterte Wohlstandsmessung“ mit Nachhaltigkeitskriterien neben das Bruttoinlandsprodukt stellen.

Eine sinkende Wirtschaftsleistung wird niemals mit mehr Zufriedenheit in der Bevölkerung einhergehen, schreibt Daniel Stelter
Anzeige

Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

So erreichen Sie Daniel Stelter:

Anzeige

„Wenn in Deutschland das Ideal mit der Realität nicht übereinstimmt, dann ist die Realität falsch“, so der Satiriker Dieter Nuhr in seinem Jahresrückblick bei der ARD. Kein Wunder also, dass die Politik alles daransetzt, die Beschreibung der Realität dem Ideal anzunähern. 

Da werden Hunderte von Milliarden an neuen Schulden gemacht, diese aber nicht als solche bezeichnet, sondern als „Sondervermögen“. Das Wort „sonder“ ist dann gleichzusetzen mit dem Minuszeichen aus der Mathematik. Da wird eine Werbekampagne mit dem Titel „Wir entlasten Deutschland“ geschaltet. Darin lobt sich die Bundesregierung dafür, uns einen Teil der inflationsbedingten Mehreinnahmen des Staates wieder zurückzugeben und dies auch noch sehr chaotisch und ineffizient.

Aus Minus mach Plus

Gleichzeitig werden Maßnahmen zur Dämpfung der Energiepreise – konsequente Atomkraft-Laufzeitverlängerung und Schiefergas-Fracking – nicht ergriffen und daraus folgende dauerhafte Wohlstandsverluste schulterzuckend hingenommen. Heutige und künftige Steuerzahler müssen nicht nur die verkorkste Politik bezahlen, sondern auch noch die fast schon orwellsche Verkehrung von Fakten in einer Werbekampagne.

Doch damit nicht genug. Die Politik will die aktuelle Krise dazu nutzen, Bürger und Unternehmen immer mehr unter staatliche Kontrolle zu bekommen. Ein immer größerer Teil der Wirtschaftsleistung fließt durch die Taschen des Staates, und dieser verteilt die Mittel nach politisch definierter Bedürftigkeit zurück. Für Unternehmen wird es immer wichtiger, sich an den Fördertöpfen auszurichten statt am Markt. Es ist der Weg in eine zunehmend staatlich gelenkte Wirtschaft.

Angesichts der offensichtlichen Leistungsschwäche des Staates und seiner Akteure erwachsen daraus keine guten Aussichten. Deshalb verwundert es nicht, dass als nächster Schritt die Erfolgsmessung so angepasst werden muss, dass man uns den Verlust an Wohlstand als Gewinn an Wohlstand verkaufen kann. Aus Minus muss Plus werden. 

Wohlstand ist der Schlüssel

Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck will das künftig mit einer „erweiterten Wohlstandsmessung“ erreichen. An die Stelle des Bruttoinlandsprodukts (BIP) soll ein Sammelsurium an Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeitsindikatoren treten. Die Politik wird in Zukunft fehlendem Wachstum des BIP nicht nur die Erreichung anderer Ziele entgegenstellen, sondern diese anderen Ziele in den Vordergrund rücken und so als Erfolg reklamieren. Haben Ziele jenseits des BIP erst einmal übergeordnete Bedeutung bekommen, wird die Frage nach den materiellen Kosten und Nutzen der Maßnahmen zur Zielerreichung nicht mehr gestellt. Damit entfällt eine zentrale gesellschaftliche Diskussion über das, was wir uns leisten können und wollen.

Noch schwerer wiegt, dass hinter der Zielerweiterung eine tief sitzende Wachstumsskepsis der führenden Akteure liegt. Nur mit weniger Wirtschaftsleistung und sinkendem Konsum sei demnach das Klima zu retten. Abgesehen davon, dass das Gegenteil der Fall ist, weil man sich Klimaschutz auch leisten können muss, entspricht es nicht der Empirie. Seit Jahren schon hat sich die wirtschaftliche Entwicklung vom Ressourcenverbrauch entkoppelt.

Bei uns wird sich künftig die Realität immer weiter vom Ideal entfernen, wir werden es aber nicht mehr messen. Die Politik setzt auf Verschleierung zur Erreichung politischer Ziele, für die sie bei transparentem Vorgehen keinesfalls eine Mehrheit hätte. Doch auch so wird die Politik damit am Ende Schiffbruch erleiden. „Klimagerechter Wohlstand“ kann alles sein, nur nicht weniger Wohlstand. Denn es lässt sich kein einziger Fall auf der Welt finden, bei dem ein nachhaltig sinkendes Bruttoinlandsprodukt mit mehr Zufriedenheit der Bevölkerung einherging. Egal wie viel Mühe man sich gibt, die Realität zu verschleiern. 

 

Dieser Text stammt aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

Sie sind Cicero-Plus Leser? Jetzt Ausgabe portofrei kaufen

Sie sind Gast? Jetzt Ausgabe kaufen

Anzeige