Was der Fall Viessmann zeigt - Die „grüne Transformation“ schafft kein Wirtschaftswunder

Im Umbau der Wirtschaft stecken enorme Chancen. Diese zu nutzen, setzt aber wirtschaftliches Denken voraus. Dass die Bundesregierung, allen voran der grüne Wirtschaftsminister, dazu nicht willens oder fähig ist, zeigt der Fall Viessmann eindrücklich. 

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

So erreichen Sie Daniel Stelter:

Anzeige

Wie kann es sein, dass sich eine Eigentümerfamilie entschließt, ein florierendes Unternehmen mit glänzenden Wachstumsaussichten in einem hoch profitablen Markt zu verkaufen? Ist es pure Gier, wie einige mutmaßen, oder ist es strategische Weitsicht? Der Fall Viessmann führt zu intensiven Diskussionen.

„Jeder versucht den Deal unbedingt so darzustellen, dass er ins eigene Weltbild passt. Von ‚Zeichen für Leistungsfähigkeit deutscher Unternehmen‘ (Minister Habeck) bis zum direkten Untergang des Abendlandes ist alles dabei. Die Polarisierung schreitet voran“, twitterte Matthias Huber, Professor für Energiesysteme entnervt. 

Bundesregierung mit entscheidendem Anteil

Natürlich ist es bedauerlich, dass das hessische Familienunternehmen Viessmann mit über 100-jähriger Tradition sein Kerngeschäft Climate Solutions, das für 85 Prozent des Umsatzes steht, an die US-Firma Carrier Global verkauft. Simpel gesprochen: das Geschäft mit Wärmepumpen. Es ist zunächst nichts ungewöhnliches, wenn Firmen ins Ausland verkauft werden. Deutsche Firmen übernehmen ebenfalls Unternehmen im Ausland. Konkret kann man sich natürlich fragen, wieso man ein als so zukunftsträchtig geltendes Geschäft wie Wärmepumpen verkauft und warum das genau zu dem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Bundesregierung dem Markt mit dem geplanten Heizungsverbot einen gewaltigen Schub verleiht. 

Naturgemäß kann man diese Frage von außen nur unzureichend beantworten. Vieles spricht aber dafür, dass es die beste mögliche Entscheidung war und der Zeitpunkt genau richtig. Vieles spricht auch dafür, dass die Politik der Bundesregierung entscheidenden Anteil daran hat. 

Wärmepumpen sind keine Wundertechnik

Zunächst muss man anerkennen, dass es sich bei Wärmepumpen keineswegs um eine Wundertechnik handelt. Die Firma Viessmann, in Deutschland Marktführer, hat das erste Modell im Jahr 1978 auf den Markt gebracht. Der Weltmarkt wird auf rund 75 Milliarden Euro geschätzt, und Deutschland spielt hier keine große Rolle – selbst in Zukunft nicht, selbst wenn die Pläne der Bundesregierung umgesetzt werden. 

Trotz sicherlich gegebener technologischer Stärken der deutschen Anbieter kommt es künftig vor allem auf die Kosten der Herstellung an. Diese sind stark abhängig vom Standort der Produktion – sicherlich ein Grund, weshalb Viessmann zuletzt in Polen ein neues Werk eröffnet hat – und von der Menge der produzieren Geräte. Hier spricht man von sogenannten Skaleneffekten.

Je mehr Geräte hergestellt werden, desto niedriger die Kosten pro Stück. Dies hat zum einen damit zu tun, dass sich bestimmte Kosten – wie zum Beispiel die der Entwicklung – auf mehr Geräte verteilen, zum anderen wirken auch sogenannte Erfahrungseffekte mit hinein. Derjenige, der mehr Geräte baut, lernt auch mehr über mögliche kleine Ansatzpunkte zur Verbesserung, die in der Summe auch viel ausmachen. Will heißen: Wer im Wärmepumpenmarkt bestehen will, muss möglichst eine große Menge herstellen. 

Warum nicht investieren?

Unternehmen, die im Wärmepumpenmarkt erfolgreich sein wollen, müssen also investieren. Viessmann hat genau dies auch in den letzten Jahren in erheblichem Umfang getan. Locken doch Gewinne in einem stark wachsenden Markt. Die Frage ist jedoch: Kann ein Unternehmen die erforderlichen Investitionen finanzieren?

Es genügt nämlich nicht, dass das Geschäft in sich selbst profitabel ist. In einem stark wachsenden Markt muss ein Unternehmen viel mehr Geld investieren, als es aus dem laufenden Geschäft erwirtschaftet, um neue Produktionskapazitäten zu schaffen. Das Geschäft mit Wärmepumpen ist so ein Geschäft: profitabel, aber – wie man so schön sagt – „cash-negativ“. Es braucht mehr Geld als es erwirtschaftet. Und hier kommen wir zu den Wirkungen der Politik. Die Heizwende der Bundesregierung hat den Kapitalbedarf massiv erhöht und die Finanzierung gleichzeitig deutlich verschlechtert. 

Ein Nischenmarkt wächst über Nacht

Der Kapitalbedarf wuchs deshalb, weil aus einem Nischenmarkt – Elektro-Wärmepumpen sind nicht einmal in drei Prozent aller Häuser in Deutschland zurzeit verbaut – über Nacht und per Gesetz der gesamte Markt wurde. 2022 lag der Anteil der Wärmepumpen am jährlichen Absatz von Heizungen erstmals bei über 20 Prozent – umgekehrt kann man sagen, dass fast 80 Prozent der Heizungen noch traditionelle Heizungen mit Öl und Gas waren. 

Diese Verfünffachung des Marktes erfordert zum einen erhebliche Kapazitätserweiterungen, und zum anderen lockt er Wettbewerber an, die bisher aufgrund der Marktgröße Deutschland nicht im Fokus hatten. Bei einem normalen Markthochlauf hätten Viessmann und die anderen deutschen Hersteller ihre Kapazitäten sukzessive erhöhen und dabei vor allem ihre gute Verankerung im deutschen Markt nutzen können, um ihre Position zu verteidigen. Sie hätten eine Chance gehabt, groß zu werden, um im Wettbewerb zu bestehen. Diese Chance war nun, dank der politischen Rahmenbedingungen, hinfällig.

Hinzu kam die zweite Wirkung der Politik: das Verbot der anderen Technologie. Während Wärmepumpen zwar profitabel sind, aber sehr viele Investitionen für das Wachstum erfordern, ist es bei Öl- und Gasheizungen anders. Sie sind für die Hersteller profitabel und erfordern keine oder nur geringe Investitionen, die Betriebswirte sprechen von Cash-Cows. Sie führen also zu einem deutlichen Zufluss an Liquidität, die die Unternehmen nutzen können, um in neue, zukunftsfähige Bereiche zu investieren. Und das dürfte der Plan gewesen sein: die Liquiditätsüberschüsse aus dem traditionellen Bereich zu nutzen, um im Bereich der Wärmepumpen so groß zu werden, dass man mithalten kann. 

Raten zum Verkauf 

Das Verbot der alten Heizungen hat diese Strategie zerstört. Man könnte es auch flapsig formulieren: Die Bundesregierung hat die Cash-Cow der Unternehmen frühzeitig zur Schlachtbank geführt. Das Problem dabei: ohne diese Cash-Cow keine Möglichkeit mehr, den Umbau in Richtung Zukunft zu finanzieren. 


Mehr zum Thema:


Viessmann war also auf Geld von außen angewiesen und stand vor der Wahl, im eigenen Risiko und mit viel Geld von Dritten zu versuchen, schnell groß genug zu werden, oder aber, das Geschäft, solange es aufgrund der starken Marktstellung in Deutschland wertvoll war, zu verkaufen. Angesichts der Risiken und vor allem der weiteren Rahmenbedingungen am Standort Deutschland – hohe Energiekosten, demografischer Wandel, eine Politik, der der Standort Deutschland nicht so wichtig ist – hätte ich der Familie Viessmann auch zum Verkauf geraten. 

Die unschuldige Politik?

Die Bundesregierung weist natürlich jegliche Schuld an der Entwicklung von sich. Selbst die FDP – konkret vertreten durch den „Wirtschaftsexperten“ Reinhard Houben im Deutschlandfunk – behauptet, der Verkauf „bedeute, dass ausländische Investoren Deutschland als interessanten Produktionsstandort ansehen“. Nichts ist falscher. Die Investoren zahlen für den besseren Zugang zu den Installateuren und Kunden, und es ist absehbar, dass in einem Markt, wo es letztlich nur um Kosten geht, die Produktion nicht in Deutschland verbleibt.

Bundesminister Habeck ging noch weiter. In einer über Twitter verbreiteten Nachricht schrieb er, der Verkauf „zeige, dass der Markt für Wärmepumpen so attraktiv ist, dass er Investitionen anzieht“. Dabei ist der Kauf vorhandener Kapazitäten keine Investition und die Tatsache, dass einem Unternehmen mit über 100-jähriger Tradition die Möglichkeit genommen wurde, aus eigener Kraft in dem Markt zu bestehen, genau das Gegenteil einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik. 

Doch damit nicht genug. Für Habeck würden die von ihm verantworteten „Weichenstellungen für die Energie- und Wärmewende große Werte und Wachstum“ schaffen. Nur nicht in Deutschland, muss man da feststellen, hat doch Habeck – und die Bundesregierung mit ihrer Politik der radikalen Heizungswende über Nacht – den hiesigen Herstellern jegliche Chance genommen, am Zukunftsmarkt teilzunehmen, und dies nur, um, statt mit traditionellen Heizungen, künftig Wärmepumpen aus ausländischer Produktion mit Kohlestrom zu betreiben. 

Blaupause für die Heizungswende

Überrascht sein durften Habeck und Co. nicht wirklich. Wer das im Februar 2022 in der FAZ erschienene Interview mit Max Viessmann liest, der erkennt, wie klar der Unternehmer vor den Risiken einer überstürzten Wende warnt und die Aussagen der Studien der Agora-Energiewende zum Thema infrage stellt. Heute nun dient diese Studie als Blaupause für die Heizungswende und wird von ehemaligen Mitarbeitern der Agora, nun im Rang von Staatssekretären im Ministerium für Klimaschutz und Wirtschaft, mit Brachialgewalt durchgezogen. Klimaschutz vor Wirtschaft, lautet das Motto.

Wir lernen also: Die „grüne Transformation“ schafft keineswegs automatisch ein Wirtschaftswunder wie von Habeck und Co. immer wieder behauptet. Zumindest nicht in Deutschland, wenn man die Transformation weiter so gestaltet. Natürlich liegen im Umbau der Wirtschaft enorme Chancen. Diese zu nutzen, setzt aber wirtschaftliches Denken voraus. Dass die Bundesregierung, allen voran der grüne Wirtschaftsminister, dazu nicht willens oder fähig ist, mussten wir diese Woche leider erleben. 

Viele Branchen, in denen wir mal Weltspitze waren

Leider steht wohl fest, dass es kein Lernen aus dem Verlust einer weiteren Industrie nach der Photovoltaik gibt. Deutschland lebt von Industrien, die alle schon existierten, als es noch einen Kaiser gab. Viele Branchen, in denen wir mal Weltspitze waren – Unterhaltungselektronik, Fotografie, Pharmazie – haben wir bereits verloren.

Mit der Heizungstechnik folgt nun unwiederbringlich ein weiterer Zweig. Persönlich denke ich, dass die Automobilindustrie denselben Weg gehen wird, sind doch die chinesischen Anbieter schon jetzt in vielen Bereichen vorne, und die hiesige Politik setzt auch in dieser Branche alles daran, die Cash-Cow möglichst schnell zur Schlachtbank zu führen. 

Nein, das Abendland geht nicht unter. Nur eine ehemals wohlhabende Nation sieht ihre Zukunft darin, mit staatlichen Subventionen und Verboten den Aufbau neuer Industrien im Ausland zu fördern und eigene Industrien abzuwickeln. Nein, das ist kein Zufall. Das ist Absicht. 

Anzeige