Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne - Die Staatsgläubigen planen den Anschlag auf die freie Marktwirtschaft

Grünen-Parteichefin Ricarda Lang plant, die Krisengewinnler aus der Mineralölindustrie mit einem wirtschaftspolitischen Coup in die Schranken zu weisen. Doch das Konzept der Übergewinnsteuer ist eine Gleichung mit ganz vielen Unbekannten - und würde in seiner geplanten Form Unternehmer für ihre Erfolge bestrafen, meint Hugo Müller-Vogg.

Hat an die Wirtschaft nicht ihr Herz verloren: Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen, mit Wirtschaftsminister und Parteifreund Robert Habeck / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Ricarda Lang, die Co-Vorsitzende der Grünen, hat laut eigener Homepage 15 Semester Jura studiert – ohne Abschluss. Als „Herzensthemen“ führt sie „Frauenpolitik, Pflege und Gesundheit, Soziale Sicherheit und Vielfältige Gesellschaft“ an. An die Ökonomie hat sie ihr Herz demnach nicht verloren.

Gleichwohl gelang der Obergrünen ein wirtschaftspolitischer Coup. Ganz früh hat sie gefordert, bei den Mineralölkonzernen mit einer „Übergewinnsteuer“ abzuschöpfen, was diesen Krisengewinnlern zurzeit zusätzlich in die Kassen gespült wird. Zweifellos eigenen sich die Ölmultis besonders für solche Vorschläge. Schließlich rechtfertigen weder Rohölpreis noch Dollarkurs deren deutlich gestiegenen Gewinne.

Längst hat sich auch Wirtschaftsminister Robert Habeck der sich formierenden Sondersteuer-Fraktion angeschlossen; die SPD mit den Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken an der Spitze sind ebenfalls davon angetan. Schließlich gelten im linksgrünen Milieu Steuererhöhungen als Wundermittel gegen mehr oder weniger alles, sich irgendwie als ungerecht oder unsozial klassifizieren lässt.

Mag die Übergewinnsteuer schon zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs in den USA praktiziert worden sein, so gleicht das Konzept einer Gleichung mit ganz vielen Unbekannten.

Die Übergewinnsteuer wirft nämlich mehr Fragen auf, als es Antworten gibt.

Frage 1: Wie definiert man Übergewinn?

Klar ist, dass bestimmte Unternehmen unter Krisenbedingungen ihre Gewinne steigern können. So haben beispielsweise IT-Unternehmen oder Lieferdienste von der Pandemie profitiert, aber nicht alle im gleichen Umfang. Ist dann die Differenz zwischen dem Ergebnis vor der Krise und dem während der Krise automatisch ein Übergewinn? Wie grenzt man diese Perioden voneinander ab? Und last but not least: Wie besteuert man Gewinne, die nicht nur wegen sprunghaft gestiegener Nachfrage entstanden sind, sondern auch als Resultat gesteigerter Produktivität?

Frage 2: Wie hoch soll die Übergewinnsteuer sein?

Unterstellt, ein krisenbedingter Übergewinn ließe sich sauber berechnen: Wird er dann zu 100 Prozent vom Fiskus abkassiert, zu 80 oder 50 Prozent?

Frage 3: Gibt es gute und schlechte Übergewinne?

Man kann sich aus guten Gründen über die sich stets im Gleichschritt vollziehenden Preisänderungen an den Tankstellen empören. Aber ist es etwa auch ein Skandal, dass Biontech dank seines Impfstoffs Riesengewinne verbuchen konnte? Und hatte es nicht sogar etwas Gutes, dass während der Lockdowns und der Ausgehbeschränkungen Lieferdienste, Versandhändler oder Plattformen für Videokonferenzen uns das Leben erleichtert haben?

Frage 4: Soll die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Gewinnen nur für Krisen gelten?

Das Steuerrecht ist in Bezug auf Gewinne blind. Gewinn ist Gewinn – ganz gleich, ob er mit lebensrettenden Medikamenten, Wachstum fördernden Innovationen, Glücksspiel oder dem Betreiben eines Bordells erzielt wird. Stets gelten dieselben Steuersätze. Wenn die Politik erst einmal anfängt, steuerrechtlich bei Gewinnen zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, wo ist dann die Grenze? Gelten dann je nach Gewerbe unterschiedliche Steuersätze? Und: Wann und wie oft legt der Bundestag fest, welche „Gewinner“ mit höheren Sätzen bestraft werden müssen?

Frage 5: Wie hält es die Übergewinn-Fraktion mit Innovationen?

Wer etwas unternimmt, wer also Geld investiert, um bestehende Produkte und Dienstleistungen zu verbessern oder neue zu erfinden, will Gewinne erzielen. Menschen, die selbstlos nur an das Gemeinwohl denken, gibt es auch. Aber mit denen allein wäre unsere Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig. Nun kann kein Unternehmen wissen, ob es nicht eines Tages von einer krisenhaften Entwicklung profitieren könnte. Wenn innovative Unternehmer damit rechnen müssen, vom Staat für ihre Erfolge bestraft zu werden, werden sie auch weiterhin forschen und entwickeln – aber eben nicht mehr hierzulande.

Fazit

Übergewinnsteuer mag in den Ohren staatsgläubiger Menschen verlockend klingen: der Staat als „Rächer“ der kleinen Leute. Da bekommt mancher Linke mit rotem oder grünem Parteibuch feuchte Augen. Vielleicht wäre eine willkürliche Abschöpfung dessen, was Politiker und Ministerialbeamte gemeinsam als „Übergewinn“ definieren, eine Genugtuung für alle, die Umverteilung als den Gipfel politischer Kunst betrachten. Tatsächlich wäre diese Steuer ein Anschlag auf unser – noch – überwiegend marktwirtschaftliches und deshalb alles in allem – noch – erfolgreiches Wirtschaftssystem.

Um nochmals auf Ricarda Lang als Übergewinnsteuer-„Herold*in“ zurückzukommen. Es gibt auch Krisengewinnler in der Politik. Junge Abgeordnete, die dank eines überraschend guten Wahlergebnisses ihrer Partei über die Landeslisten in den Bundestag „gespült“ wurden. Viele von ihnen haben weder eine abgeschlossene Ausbildung, noch haben sie jemals ihren Lebensunterhalt selbst erarbeitet. Als Bundestagsabgeordnete gehören sie plötzlich zu den oberen zwei, drei Prozent der Einkommensbezieher. Wenn da keine „Übergewinne“ anfallen, wann dann? Frau Lang, übernehmen Sie!

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